Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Tarifkonflikt: IG-Metall-Chef warnt vor Pessimismus: Man kann auch selbst ins Grab springen

Tarifkonflikt

IG-Metall-Chef warnt vor Pessimismus: Man kann auch selbst ins Grab springen

    • |
    IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert die Arbeitgeber auf, ein Lohnangebot vorzulegen.
    IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert die Arbeitgeber auf, ein Lohnangebot vorzulegen. Foto: Sebastian Willnow, dpa

    Eine Einigung im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie ist noch lange nicht in Sicht. Nachdem die Gewerkschaft IG Metall acht Prozent mehr Lohn gefordert hat, bieten die Arbeitgeber bisher keine Gehaltserhöhung an. Nun fordert IG-Metall-Chef Jörg Hofmann „mehr Tempo“ in den Verhandlungen, wie er am Freitag unserer Redaktion bei einem Besuch von MAN Energy Solutions in Augsburg sagt. An die Adresse der Metall-Arbeitgeber gerichtet betont er: „Unsere Forderung nach acht Prozent mehr Lohn ist seit Juni bekannt. Jetzt muss die Gegenseite mal einen Aufschlag machen und ein konkretes Lohnangebot unterbreiten.“ Verärgert meint Hofmann: „Mit der Forderung von Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf nach einer Nullrunde kommen wir nicht weiter.“ Und: „Ohne eine prozentuale, also tabellenwirksame Lohnerhöhung lassen wir die Arbeitgeber aus der Nummer nicht raus. Das wissen sie auch. In den nächsten zwei Wochen muss mehr auf den Tisch.“

    IG-Metall-Chef warnt die Arbeitgeber davor, auf Zeit zu spielen

    Hofmann macht deutlich, dass er sich allein mit Einmalzahlungen nicht abspeisen lässt: „Sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Irgendwann sind sie weg, aber die Teuerung ist nach wie vor hoch.“ Der IG-Metall-Chef warnt die Arbeitgeber davor, „auf Zeit zu spielen und auf schlechte Konjunktur-Nachrichten zu setzen“.

    Hofmann hat in der Tarifrunde auch den von der Bundesregierung steuer- und abgabenfrei gestellten Inflations-Bonus von bis zu 3000 Euro im Blick, den Firmen Beschäftigten auszahlen können. Er strebt hier eine branchenweite Lösung an: „Die 3000 Euro lassen wir nicht auf dem Tisch liegen. Wir müssen sie aber erst einmal erkämpfen.“ Der Gewerkschafter verdeutlicht indes: „Wir haben hier alle Freiheiten. Man kann die Summe in monatlichen Raten oder in einem Stück auszahlen.“ Der Betrag von bis zu 3000 Euro müsse eine zusätzliche Zahlung sein, kann aber durchaus Teil einer Tariflösung sein, die auf die dauerhafte Erhöhung der Entgelte ziele. Zwar haben die Metall-Arbeitgeber bislang noch keine Lohnerhöhung angeboten, aber Gegenforderungen gestellt: So wünschen sie sich mehr Differenzierung, etwa eine variable Sonderzahlung, die je nach Ertragslage des Unternehmens ausfallen kann.

    Hofmann sieht das entspannt: „Dieser Vorschlag konnte bisher nicht umgesetzt werden, weil die Arbeitgeberseite nicht auf unsere Forderungen einging.“ Zu solchen Zugeständnissen ist die IG Metall nur bereit, wenn Betriebsrat und Gewerkschaft Einblick in die Bücher von Unternehmen bekommen. Die Firmen müssen nachweisen, dass es ihnen schlecht geht und sie weniger Sonderzahlung, also etwa Weihnachtsgeld, auszahlen wollen. Hofmann meint: „Wenn die Arbeitgeber bereit sind, die Bücher offenzulegen, müssen wir überlegen, ob wir uns für eine solche zusätzliche variable Sonderzahlung öffnen.“ Doch er schränkte ein: „Nur sehe ich in dieser Tarifrunde dafür keinen Raum, da wir alles Volumen in die dauerhafte Erhöhung der Monatsentgelte setzen müssen.“

    IG-Metall-Chef Jörg Hofmann droht im Tarifstreit mit Warnstreiks

    Am 28. Oktober läuft die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie aus. Dann können die Beschäftigten vorübergehend die Arbeit niederlegen. Hofmann droht: „Es wird zu Warnstreiks kommen, wenn wir bis Ende Oktober nicht deutliche Fortschritte in den Gesprächen erzielt haben.“ Die IG Metall habe aber kein Interesse an einer Eskalation. Der Gewerkschafter hat sich zum Ziel gesetzt: „Unter den Weihnachtsbaum legen wir einen guten Abschluss.“ Dabei misst er der Tarifrunde auch eine gesellschaftspolitische Funktion bei: „Ein guter Abschluss, der den Menschen Sicherheit bietet, kann dazu beitragen, dass unsere Beschäftigten nicht aus Frustration populistischen Parteien hinterherlaufen.“

    Der 66-Jährige wirkt trotz der explodierenden Energiepreise unaufgeregt. Das mag damit zu tun haben, dass nach seiner Darstellung die durchschnittlichen Ausgaben für Energie in der Metallindustrie hinsichtlich der gesamten Aufwendungen bei nur 1,8 bis 2,0 Prozent liegen, also weitaus geringer als in der Chemie-Industrie ausfallen. Natürlich gibt es auch im Metallbereich Betriebe, bei denen dieser Faktor bei fünf Prozent liegt. Hofmann räumt ein: „Da geht eine Verfünffachung der Energiekosten an die Existenz.“ Aus seiner Sicht sind viele Unternehmen des Wirtschaftszweigs aber in der Lage, die Preissteigerungen an Kunden weiterzugeben. So seien die Erzeugerpreise allein in der Metallindustrie um zwölf Prozent gestiegen.

    Für die Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberseite scheint es schwerer denn je zu sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Schließlich geht die Schere bei den Betrieben weit auseinander: Während Autohersteller Rekorde einfahren, leiden Gießereien oder Lackierbetriebe massiv unter den Energiepreisen. Es wird kompliziert, einen Tarifabschluss für die ganze Breite der Metallindustrie zu finden.

    Im Hinblick auf solche in ihrer Existenz gefährdete Unternehmen, die etwa zehn bis 15 Prozent aller Betriebe des Wirtschaftszweigs ausmachten, fordert Hofmann: „Die Bundesregierung muss hier möglichst schnell klarstellen, wie Firmen durch den Gaspreis-Deckel entlastet werden.“ Er warnt aber vor zu viel Pessimismus: „Teile der Arbeitgeber reden sich derzeit in Ekstase und überbieten sich mit Weltuntergangsstimmungen. Man kann auch selbst ins Grab springen.“ Und er fügt hinzu: „Wir müssen aufhören, uns mit negativen Szenarien einer De-Industrialisierung zu überbieten.“

    Der IG-Metall-Vorsitzende räumt indes ein, dass Teile der Wirtschaft große Menge Prozesswärme, also Gas, brauchen und besonders unter der Energiekosten-Explosion leiden. Für Hofmann heißt es jetzt: „Deckel drauf auf die hohen Energiepreise.“ Der Gewerkschafter hat hochgerechnet, dass hier „jeder Cent an Preisreduktion den Staat rund 2,5 Milliarden Euro kostet“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden