Verdienen sich die Mineralölkonzerne an den hohen Spritpreisen eine goldene Nase? Obwohl Rohöl inzwischen wieder fast so günstig ist wie vor Ausbruch des Ukraine-Krieges, sind die Preise an den Tankstellen bisher kaum gefallen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Bundeskartellamt daher aufgefordert, die Branche kritisch unter die Lupe zu nehmen. „Mein Haus hat das Bundeskartellamt gebeten, die Benzin- und Dieselpreise sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig zu werden“, sagte er dem Spiegel.
„Der Rohölpreis der Sorte Brent liegt aktuell bei rund 100 Dollar pro Barrel und damit über 25 Dollar unter dem Niveau der Vorwoche“, betonte ein ADAC-Sprecher im Gespräch mit unserer Redaktion. Gleichzeitig liege aber der Benzinpreis pro Liter um 8,9 Cent höher, der für Diesel sogar um 14,2 Cent. Die Entlastung, die man durch den sinkenden Rohölpreis erwarten würde, sei ausgeblieben: „Benzin müsste deutlich unter zwei Euro kosten.“
ADAC: Mineralölkonzerne verdienen derzeit gutes Geld
Der ADAC geht davon aus, dass ein Großteil der Spanne bei den Mineralölkonzernen als Gewinn verbleibt. „Trotz aller kriegsbedingter Verwerfungen und Erklärungen für die hohen Spritpreise – irgendwo zwischen Ölförderung und Tankstelle bleibt das zusätzliche Autofahrergeld hängen“, kritisiert der Automobilklub. „Die Mineralölkonzerne verdienen im Raffineriegeschäft derzeit gutes Geld.“
Am Ifo-Institut schließt man nicht aus, dass trotz sinkender Rohölpreise die Treibstoffe dauerhaft teuer bleiben könnten: „Dass Benzin- und Dieselpreise asymmetrisch auf steigende und fallende Preise für Rohöl reagieren, ist kein neues Phänomen“, sagt Karen Pittel, die Leiterin des Ifo-Zentrums für Energie und Klima. „Auch ohne Preisabsprachen könnten sich auf dem Markt höhere Preise stabilisieren, wenn die Nachfrage trotz des Preisanstiegs nicht rückläufig ist, beispielsweise weil die Abnehmer für die Zukunft noch höhere Preise erwarten.“ Dies sei aktuell bei Heizöl und Diesel zu beobachten.
Händler Ilzhöfer: Tankstellenpreise reagieren zeitverzögert
Regionale Energiehändler weisen darauf hin, dass es einige Zeit dauere, bis sich niedrigere Rohölpreise an der Zapfsäule niederschlagen: „Die Tankstellen können nicht tagesaktuell reagieren, sondern nur zeitverzögert. Wenn sie bis zu einer Woche hinterherhinken, ist das normal“, sagt Richard Walch, Juniorchef des Energiehändlers Ilzhöfer in Augsburg.
Das gelte nicht nur für Preissenkungen, sondern auch für Erhöhungen. Besonders bei kleineren Tankstellen könne es länger dauern, bis die Preise angepasst seien, da sie ihre Bestände im Tank erst verkaufen müssen, ehe sie zu einem neuen Kurs einkaufen können: „Wenn sie den Preis spontan senken, würden sie draufzahlen.“
Christian Küchen, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Fuel & Energy, sieht als Preistreiber vor allem die gestiegene Nachfrage nach Benzin, Diesel und Heizöl. „Wir registrieren zurzeit beispielsweise eine deutlich höhere Nachfrage nach Diesel aus osteuropäischen Ländern, die teilweise auch von Deutschland aus bedient wird.“ Gleichzeitig sei das Angebot zurückgegangen, weil die Unternehmen auf eigene Initiative den Import von Diesel und auch Rohöl aus Russland reduzierten, auch wenn keine Sanktionen verhängt seien. Beide Faktoren, die höhere Nachfrage und das begrenzte Angebot, hätten auf dem Weltmarkt zu den stark gestiegenen Produktpreisen und in der Folge auch zu höheren Tankstellenpreisen geführt.
Verbraucherzentrale fordert 1000 Euro für Familien und Geringverdiener
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat die Bundesregierung aufgefordert, angesichts der explodierenden Energiepreise Familien und Geringverdiener um mindestens 1000 Euro zu entlasten, damit diese ihre Heizkostenrechnungen bezahlen können. „Vor allem Menschen mit wenig Einkommen brauchen sofort Unterstützung“, sagte Verbandschefin Jutta Gurkmann unserer Redaktion. Ein einmaliger Heizkostenzuschuss von 270 Euro für Wohngeldempfänger, wie ihn die Koalition plant, sei „viel zu wenig“.
Das Kabinett hat am Mittwoch eine Erhöhung der Pauschale für Fernpendler ab einem Arbeitsweg von 21 Kilometern beschlossen – rückwirkend zum 1. Januar. Dazu steigt der Grundfreibetrag in der Steuererklärung. Die Werbungskostenpauschale wird von 1000 auf 1200 Euro angehoben. Finanzminister Christian Lindner (FDP) bezifferte die Entlastungen auf 4,5 Milliarden Euro. Es sei für ihn aber klar, dass weitere Maßnahmen folgen müssten. Das von den Grünen geforderte Energiegeld (im Gespräch sind 75 Euro pro Person und Jahr) hält er für kein geeignetes Instrument. Dafür, so Lindner, brauche man ein Bundesgesetz und eine Verwaltung.