Sie stecken in Smartphones, Laptops, Spielekonsolen und Haushaltselektronik. Sie sind unverzichtbar für Industrieanlagen, die Autoindustrie und den Bau von Waffen und Kampfjets. Sie sind die Herzstücke moderner Industrieprodukte. Und wer ihre Produktion beherrscht, entscheidet darüber, wer auch bei Zukunftstechnologien wie etwa bei der Elektromobilität, beim autonomen Fahren, und der gesamten Elektronik die Nase vorn hat: Halbleiter-Bauteile, im Jargon auch besser bekannt als Mikrochips. Doch nun könnte der Konflikt mit China den Export der Chips zu behindern.
Das Problem: Nur ein Bruchteil der weltweit verbauten Mikrochips kommt aus Europa. Nach Umsatz ist der Anteil sogar so klein, dass er in der Statistik unter „Sonstige“ verschwindet. Die USA tauchen immerhin mit einem einstelligen Prozentbetrag auf. Kurz gesagt: Fast alle Chips kommen aus Asien. Und zwei Drittel der besonders kleinen und hochwertigen Halbleiter aus dem kleinen Inselstaat Taiwan. Allein TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturin Company), der größte und fortschrittlichste Auftragsfertiger für Halbleiter, hält laut Bloomberg rund 53 Prozent am Weltmarkt. Samsung aus Südkorea folgt weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Nummer 3 wird wieder von einem taiwanischen Unternehmen besetzt. TSMC ist systemrelevant für die gesamte Weltwirtschaft.
Kein Produzent kann so winzige und komplexe Chips herstellen
Was die ultraschnellen Bauteile von TSMC so schwer ersetzbar macht: Kein anderer Fertiger kann so winzige und zugleich so komplexe Chips herstellen wie das Unternehmen aus Taiwan. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung der Chips selbst, sondern auch die Produktion in großer Stückzahl bei Einhaltung guter Qualität ist aufwändig. Während etwa die US-Konkurrenz von Intel noch an Produktionsgrößen im 7-Nanometer-Verfahren bastelt, fertigt TSMC bereits zwei Nanometer kleiner. Je weniger Nanometer die Strompfade breit sind, desto schneller und effizienter rechnen die Bauteile. Spätestens 2023 soll in Hsinchu, dem TSMC-Hauptsitz im Nordosten der Insel-Republik, die erste 3-Nanometer-Fabrik in Betrieb gehen. Mittlerweile sind die Taiwaner bei Größen angekommen, dass man sich auf der atomaren Ebene befindet. Zugleich versteht es kein anderer Chip-Hersteller, mit ihren Bauteilen so gezielt auf die so unterschiedlichen Bedürfnisse von Apple, Boeing, Miele oder Siemens einzugehen wie die Taiwaner.
Die aufwändige und kostenintensive Forschung schreckt viele Privatunternehmen zugleich davor ab, an die Spitze der Chip-Industrie vorzustoßen. Taiwan ist da zu überlegen. China und die Europäer bewegen sich bei ihrer Produktion bislang auch eher im Bereich von 14 Nanometern. Für smarte Kühlschränke mögen die genügen. Für die Hochtechnologie aber nicht mehr. Kürzlich nannte der koreanische Wirtschaftsprofessor Keun Lee Chips der älteren Generation „fast wertlos“.
Diesen technologischen Vorsprung werden sich die Taiwaner so schnell auch nicht nehmen lassen. Zwar haben die USA, China und auch die EU erkannt, wie wichtig die Halbleiterindustrie für ihre Volkswirtschaften ist und setzen derzeit alles daran, ihre technologische Position zu stärken. Um ihre Abhängigkeit von Taiwan zu verringern, investieren sie nun mit eigenen Förderprogrammen massiv in diese Technologie. Doch TSMC investiert selbst kräftig weiter in ihre Forschung. Das Mooresche Gesetz (benannt nach dem Intel-Mitbegründer Gordon Moore) besagt, dass sich die Anzahl der Komponenten auf einem integrierten Schaltkreis ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Zumindest bislang war TSMC stets in der Lage, dieses Gesetz einzulösen.
Was den Konflikt aktuell so bedrohlich auch für den Rest der Welt macht: Peking müsste gar nicht militärisch Taiwan angreifen, um der dortigen Chip-Industrie massiv zu schaden. Es würde reichen, wenn die chinesische Führung Taiwans Handelswege abschneidet, sei es weite Teile des Luftraums oder des Südchinesischen Meeres, durch das inzwischen über die Hälfte des weltweiten Tanklastverkehrs läuft. Hinzu kommt, dass Taiwans Chip-Industrie selbst mit der Volksrepublik eng verwoben ist. Rund 8000 taiwanische Unternehmer sind auf dem chinesischen Festland aktiv, darunter der Apple-Auftragsfertiger Foxconn, ein Großauftragnehmer der taiwanischen Chip-Hersteller. Auch einige ihrer Zulieferer befinden sich in der Volksrepublik.
Diese gegenseitige Abhängigkeit galt bislang als Garant, dass Peking selbst kein Interesse an einer Zuspitzung des Konflikts mit Taiwan hat. Inzwischen sind sich viele Beobachter nicht mehr so sicher, ob das in Peking noch so gesehen wird .