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Subventionen: Habeck will in Peking sondieren

Handelsstreit

Wie gefährlich ist Chinas Überproduktion?

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    Der Autofrachter "BYD Explorer No.1" wird vom chinesischen E-Autohersteller BYD betrieben und bringt Neuwagen aus Fernost nach Bremerhaven.
    Der Autofrachter "BYD Explorer No.1" wird vom chinesischen E-Autohersteller BYD betrieben und bringt Neuwagen aus Fernost nach Bremerhaven. Foto: Lars Penning, dpa

    E-Autos könnten bald teurer werden. Davor warnte jüngst der US-Konzern Tesla, der, wie einige seiner europäischen Konkurrenten, bestimmte Modelle nur in China fertigen lässt. Schuld daran sei die EU-Kommission, die wegen Pekings angeblich unfairer Subventionspraxis ankündigte, ab dem 4. Juli deutlich höhere Zölle auf E-Autos aus Fernost zu erheben. Auch BMW und Volkswagen könnten betroffen sein. Dabei stagniert der Hochlauf der E-Mobilität ohnehin, viele halten E-Autos schlicht noch für zu teuer. Günstige Modelle kommen vor allem aus China. Die Klimaziele im Verkehrssektor rücken dadurch noch weiter in die Ferne.

    Julian Hinz ist Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld und Leiter des Forschungszentrums Handelspolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IFW). Er hält die Brüsseler Berechnungen zum Ausmaß der Subventionen für chinesische E-Auto-Hersteller für solide und gut begründet. Doch fördern nicht auch Deutschland und die EU die heimische Industrie, etwa beim Bau neuer Batteriefabriken?

    "Der Einwand ist berechtigt. Allerdings zeigt der Blick auf die Zahlen, dass es in China, je nach Berechnung, um bis zu neunmal so hohe Summen geht. In Europa konzentriert sich die Politik eher darauf, Investitionsanreize zu setzen. In China gibt es ein extrem breites Band verschiedener Subventionen, teils auch regional verschieden", sagt er. Über statistische Verfahren lasse sich relativ klar berechnen, wie groß der Vorteil der chinesischen Konkurrenz ist. "Ohne extra Förderung ist diese extreme Produktivität nicht zu erreichen", erklärt Hinz. 

    Olaf Scholz drängt auf eine Verhandlungslösung

    Tatsächlich drängen die neuen Autohersteller aus China mit Macht auf den europäischen Markt. Im ersten Quartal dieses Jahres kam nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes bereits über ein Viertel der nach Deutschland importieren Elektroautos aus Fernost. Doch ausgerechnet die Branche, die von der EU-Kommission nun geschützt werden soll, hält wenig von einer Zolldebatte, zu groß ist die Angst vor chinesischen Vergeltungsmaßnahmen und einem großen Handelsstreit. Bei Olaf Scholz (SPD) finden die warnenden Stimmen ein offenes Ohr. Der Kanzler hat sich zuletzt für eine Verhandlungslösung ausgesprochen. Auch beim Besuch von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Peking Ende dieser Woche wird die Zollfrage nicht zu umschiffen sein.

    Schon allein weil die deutschen Unternehmen in China erklären, die Politik sollte sich eher für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Autoindustrie einsetzen, als für Zölle. Im Vorfeld von Habecks Besuch hat die deutsche Außenhandelskammer die Ergebnisse einer Blitzumfrage unter den Firmen veröffentlicht, die in China aktiv sind. Ergebnis: Die Unternehmen blicken nach harten Monaten wieder verhalten optimistischer in die Zukunft. Ihre drängendste Sorge sind nun allerdings massive Überkapazitäten. Das erklärte Clas Neumann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Handelskammer in Ostchina, bei der Veranstaltung. Demnach berichten 75 Prozent der befragten Unternehmen von Überkapazitäten in ihrer Branche. Knapp die Hälfte (49 Prozent) sehen ihr Geschäft davon stark betroffen. Das Phänomen ist relativ neu. 49 Prozent sagen, sie seien erst seit dem vergangenen Jahr damit konfrontiert, ein weiteres gutes Drittel kennt das Problem seit fünf Jahren. 

    China konzentriert sich auf Schlüsseltechnologien

    Die Überkapazitäten seien das Ergebnis zu großer Investitionen bei gleichzeitig nachlassender Nachfrage, sowohl auf dem chinesischen Binnenmarkt als auch auf globaler Ebene, so Neumann. In der Folge herrsche in vielen Branchen extremer Preisdruck. Die Unternehmen erwarten steigende Umsätze, unterm Strich bleibe wohl aber nicht mehr hängen. Unfaire Wettbewerbsbedingungen sind nur für 15 Prozent der 186 befragten Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligten, das größte Problem. 

    Kammer-Manager Butek zufolge ist die Stärke der chinesischen Autoindustrie das Ergebnis strategischer Planung. Doch aufgrund der langen Abschottung des Landes während der Coronakrise, traf der Technologiesprung der Konkurrenz in China die westlichen Automanager wie ein Schock, sagt Butek. China fokussiere sich auf Zukunftstechnologien, in denen alte Hierarchien und technologische Vorteile der etablierten Konkurrenz keine so große Rolle spielten. Dort werde massiv in Forschung und Entwicklung investiert. 

    Bei der Automesse IAA in München war der Stand des chinesischen Herstellers BYD stark besucht.
    Bei der Automesse IAA in München war der Stand des chinesischen Herstellers BYD stark besucht. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Mittlerweile seien Chinas Ausgaben in diesem Bereich beinahe so hoch wie jene der USA. Der Handelsstreit mit den USA befeuere diesen Trend sogar noch. Da China von wichtigen Technologien abgeschnitten werde, versuche das Land eigene Alternativen zu entwickeln, erklärten die Kammer-Experten. Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen diese Aussage: So kamen zuletzt wertmäßig über 85 Prozent der nach Deutschland importierten Fotovoltaikanlagen, 86 Prozent der tragbaren Computer, 61 Prozent der Smartphones sowie 45 der Lithium-Ionen-Akkus aus China.

    Die Tür für Gespräche ist noch offen

    Was Subventionen angehe, gebe es durchaus Unterschiede zwischen chinesischen und ausländischen Firmen, gerade was den Zugang zu Kapital angehe. Doch in der Regel seien gerade die großen Autohersteller in China in deutsch-chinesischen Partnerschaften aktiv, erklärte Butek. Von Vergünstigungen wie Steuererleichterungen, Zugang zu günstigem Storm oder einem vereinfachten Landerwerb würden sie genauso profitieren wie einheimische Wettbewerber. Neue Probleme im Handel träfen deutsche Unternehmen nicht völlig unvorbereitet. Nicht erst seit Habeck vergangenen Sommer mit großem Tross nach Indien geflogen ist, um für eine größere Vielfalt bei den Zielländern für Investitionen deutscher Firmen zu werben, wird in den Chefetagen geprüft, wie sich zu große Abhängigkeiten von China vermeiden lassen.

    Einfache Antworten darauf gibt es nicht. Immerhin: Bisher ist die Tür für Gespräche offen. Die Ankündigung Chinas, den Konflikt vor ein Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO zu tragen, begrüßt IFW-Experte Hinz. "Das ist ein Zeichen dafür, dass beide Seiten in diesem Konflikt verantwortungsbewusst handeln." Die EU sei beim Handel mit China in einer anderen Lage als die USA, das zeige sich am Beispiel der E-Autos besonders deutlich: "Im vergangenen Jahr hat China 1,5 Millionen E-Autos exportiert. 500.000 davon gingen in die EU, 12.000 in die USA", betont Hinz. Daher sei die Einführung eines Zolls von 100 Prozent für diese Autos in den USA mehr Symbolpolitik für die amerikanischen Wählerinnen und Wähler. Die Europäer hätten dagegen mit ihrem Markt einen bedeutenden Hebel in der Hand.

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