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Studium: Das Armutsrisiko für Studierende wächst: Woran liegt das?

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Das Armutsrisiko für Studierende wächst: Woran liegt das?

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    Immer wieder machen Studierende mit Demonstrationen auf gestiegene Kosten und fehlende Unterstützung aufmerksam.
    Immer wieder machen Studierende mit Demonstrationen auf gestiegene Kosten und fehlende Unterstützung aufmerksam. Foto: Stefan Sauer, dpa (Archivbild)

    Corona, Inflation und steigende Mieten – das Leben in Deutschland wird immer teurer. Ein Problem, das vor allem Studierende hart trifft: 2021 waren 37,9 Prozent der 2,9 Millionen Studierenden armutsgefährdet, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. In der Gesamtbevölkerung lag dieser Wert bei vergleichsweise geringen 15,8 Prozent. Seitdem ist viel passiert. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs haben

    Wie gravierend die Lage ist, zeigt eine Zahl aus der Erhebung des Statistischen Bundesamtes. Von den etwa 800.000 Studierenden, die allein oder mit anderen Studierenden zusammenleben liegt die Armutsgefährdung bei 76,1 Prozent. Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt, was 2021 einem Betrag von 1251 Euro im Monat entsprach. "Die Situation dürfte sich weiter zuspitzen", sagt Ralf Richter, Abteilungsleiter der Studienförderung bei der Hans-Böckler-Stiftung. Neben Corona und Inflation sieht er vor allem die Wohnungsnot als großes Problem.

    Dem schließt sich Matthias Anbuhl, Vorstandvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks, an: "Studierende können in aller Regel keine nennenswerten Rücklagen bilden, und gerade die Mieten in den Hochschulstädten sind in den vergangenen Jahren sehr stark angestiegen." Anbuhl betont, dass in den meisten Fällen nach wie vor die Eltern das Studium zu einem Großteil finanzieren. Stehen diese selbst vor Geldproblemen, bricht eine wichtige finanzielle Stütze weg.

    Das beobachtet auch Wolf Dermann, Mitgründer von Arbeiterkind.de, einer Organisation für Menschen, die als erste in ihrer Familie studieren. In solchen Situationen helfe nur noch das "Allzweckmesser" BAföG, das allerdings nur etwa elf Prozent aller Studierenden beziehen. Denn, ob Studierende die finanzielle Hilfe überhaupt erhalten, hängt vom Einkommen der Eltern ab. Bis zu einem jährlichen Nettoeinkommen von etwa 20.500 Euro oder weniger erhalten die Studierenden meist den vollen BAföG-Betrag. Haben die Eltern vor Steuerabzug und Sozialversicherungskosten etwa 40.000 Euro pro Jahr zur Verfügung, können die Studierenden immerhin mit einer Teilförderung rechnen. Übersteigt der Verdienst diese Grenze, wird erwartet, dass die Eltern für die Bildung ihrer Kinder aufkommen – unabhängig davon, ob sie es können oder wollen.

    Viele Studierende armutsgefährdet: Experten bemängeln niedrige BAföG-Beträge

    Die BAföG-Förderung besteht aus dem sogenannten Grundbedarf und einer Wohnkostenpauschale und kann bei Studierenden, die nicht im Haushalt ihrer Eltern leben, unter 25 Jahre alt und familienversichert sind, insgesamt bis zu 812 Euro pro Monat betragen. Anbuhl bemängelt, dass die Beträge einzeln betrachtet spürbar zu niedrig seien. So hat die Bundesregierung den Grundbedarf beim Bürgergeld auf 502 Euro festgelegt, beim BAföG liegt dieser mit 452 Euro jedoch klar unter dem Minimum. "Studierende essen, trinken und heizen aber nicht weniger als andere Menschen. Sie sind auch keine Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse", sagt Anbuhl. Zudem liegt die Wohnkostenpauschale 50 Euro unter dem Richtwert, der in der Düsseldorfer Tabelle für auswärts wohnende Studierende vorgesehen ist. Diese gilt als Maßstab und Richtlinie zur Berechnung des Kindesunterhalts.

    Der durchschnittliche Förderbetrag beträgt 562 Euro. Zu wenig, um die steigenden Kosten abzufangen. Daher stellt sich die Bundesregierung auf einer Informationswebseite zur 200-Euro-Einmalzahlung zu Recht die Frage: "Wie entlastet der Bund Studierende sonst noch?" Die eigene Antwort: BAföG-Reform, Heizkostenzuschüsse und die Energiepreispauschale. Doch in der Realität sieht es anders aus. Mehr Geld, höhere Elternfreibeträge und eine Anhebung des Wohnzuschlags traten mit der BAföG-Reform am 1. August 2022 in Kraft. "Aber das Plus von 5,75 Prozent bei den BAföG-Bedarfssätzen ist inzwischen längst von der Inflation aufgefressen", so Anbuhl.

    Damit sich das ändert, müsste das System erneut reformiert werden – dann aber richtig. "Bei der letzten Reform wurde eine vielversprechende Chance verpasst", sagt Dermann. So fordern er, Richter und Anbuhl eine inflationsbedingte und zukünftig regelmäßige Anpassung der Elternfreibeträge und der Bedarfssätze. Dermann und Richter gehen noch einen Schritt weiter und pochen auf eine Rückkehr der BAföG-Förderung von einem Teildarlehen zu einem Vollzuschuss, wie es ihn bereits in den 70er Jahren gab. Bei einem Vollzuschuss müsste das Geld nicht zurückgezahlt werden, aktuell wird grundsätzlich eine Hälfte des BAföG als zinsloses Darlehen ausgezahlt. Auch die daraus resultierende Verschuldungsangst spiele bei vielen Studierenden eine Rolle, stellen die Experten fest. Insgesamt seien grundlegende Reformen notwendig, um BAföG mehr Studierenden zugänglich zu machen und das Armutsrisiko zu senken.

    Denn auch von den anderen Hilfen profitierten bisher nur wenige. So wurden die Heizkostenzuschüsse nur an jene ausgezahlt, die BAföG beziehen und nicht mehr bei ihren Eltern wohnen. Und auf die im September 2022 angekündigte Energiepreispauschale in Höhe von 200 Euro warten alle Studierenden sehnlichst. Immerhin: Ab dem 15. März können sie den Antrag auf die Pauschale auf der Plattform einmalzahlung200.de stellen. Damit hält sich das Bundesbildungsministerium an sein Versprechen, das Geld "noch in diesem Winter" auszuzahlen. Der kalendarische Winter endet am 20. März.

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