Dass die Angestellten im Öffentlichen Dienst ernst machen, wird seit Beginn dieser Woche deutlich. Am Montag hat die Streikwoche begonnen. Bislang waren unter anderem Kitas, Krankenhäuser, Stadtverwaltungen und der öffentliche Nahverkehr betroffen, jetzt wird der Streik auf Flughäfen ausgeweitet. Am Freitag müssen sich zehntausende Flugpassagiere nach dem IT-Ausfall bei der Lufthansa am Mittwoch wieder auf Ausfälle und Verspätungen gefasst machen. Die Flughäfen Frankfurt, München, Stuttgart und Hamburg gaben bekannt, nach der Streikankündigung am Freitag den regulären Passagierbetrieb einzustellen.
In der Nacht auf Freitag hat der geplante ganztägige Warnstreik am Flughafen Hannover begonnen. Der Flughafenbetrieb in Hannover, der als einziger der sieben bestreikten Flughäfen kein Nachtflugverbot hat, laufe sehr eingeschränkt, sagte ein Verdi-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am späten Donnerstagabend. In Frankfurt, München, Stuttgart, Bremen, Hamburg und Dortmund soll ebenfalls möglichst kein Flugzeug mehr starten oder landen. Auch an nicht bestreikten Flughäfen wie etwa Berlin kam es in Folge der Warnstreiks teilweise zu Einschränkungen. Die Lufthansa will den Verdi-Warnstreik möglichst schnell hinter sich lassen. "Wir starten am Samstag sofort wieder in den Regelbetrieb", sagte ein Sprecher.
Streik beginnt am Freitagmorgen und endet in der Nacht auf Samstag
Tatsächlich werden reihenweise Flüge ausfallen: Der Warnstreik werde im innerdeutschen und internationalen Flugverkehr zu gut 2340 Flugausfällen führen, teilte der Flughafenverband ADV mit. "Über 295.000 Passagiere werden zum Spielball der Verdi-Streiktaktik", kritisierte der ADV und sprach von einer "beispiellosen Eskalation".
Allein in Frankfurt waren für Freitag 1005 Flugbewegungen geplant gewesen, teilte eine Sprecherin des Betreibers Fraport mit. Es seien 137.000 Passagiere betroffen. Die Betreibergesellschaft Fraport rief Fluggäste dazu auf, erst gar nicht zum Flughafen zu kommen und sich bei ihrer Airline zu informieren. "Fluggäste, die ihre Reise in Frankfurt beginnen möchten, können ihren Flug nicht erreichen." Auch Umsteigeverkehre seien betroffen. Die Lufthansa muss alleine in Frankfurt und München am Freitag etwa 1200 Flüge streichen, wie ein Sprecher sagte. Die Zahl mit Stand Mittwochabend werde sich noch erhöhen.
In Stuttgart sind laut Flughafen 162 Flüge und rund 20.000 Passagiere vom Warnstreik betroffen. Der Flughafen München sprach von mehr als 700 betroffenen Starts und Landungen, in Hamburg trifft es einer Flughafensprecherin zufolge rund 32.000 Passagiere. Die Lufthansa streicht Stand Mittwochabend rund 1200 Flüge an den Flughäfen Frankfurt und München, wie ein Lufthansa-Sprecher sagte. Die Zahl werde sich noch erhöhen, da nicht nur diese beiden Airports von dem Warnstreik betroffen sind. Kunden würden informiert.
Sie sollen sich direkt bei den Airlines über den Status ihres Fluges informieren und nicht zum Flughafen kommen. Lediglich Sicherheitslandungen, medizinische Flüge, humanitäre Hilfsflüge und militärische Verkehre seien möglich. In München sind auch Flüge für die am Freitag beginnende Münchner Sicherheitskonferenz ausgenommen.
Streik an Flughäfen: Verspätungen und Ausfälle am Freitag
Die Beschäftigten der Betreibergesellschaften werden häufig nach den Tarifverträgen der Kommunen bezahlt. Der Warnstreik soll am frühen Freitagmorgen beginnen und in der Nacht auf Samstag enden. Hilfslieferungen zu den Erdbebenopfern in die Türkei und nach Syrien sollen vom Streik ausgenommen sein. Ebenso Notflüge sowie Sonderflüge.
"Lösungen müssen am Verhandlungstisch gefunden werden und nicht auf dem Rücken der Passagiere", sagte Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des ADV. Verdi setze den deutschen Luftverkehr wenige Tage vor der zweiten Runde der Tarifverhandlungen einer beispiellosen Eskalation aus, sagte er. Wenn am Freitag sieben der größten zehn deutschen Flughäfen ganztägig bestreikt würden, habe dies nichts mehr mit einem Warnstreik zu tun. "In unzumutbarer Weise soll ein ganzes Land vom internationalen Luftverkehr abgeschnitten werden."
Bereits im Januar hatte Verdi in zwei anderen Tarifkonflikten die Flughäfen in Berlin und Düsseldorf bestreikt. In der NRW-Hauptstadt ging es um einen neuen Abschluss beim Bodenabfertiger Aviapartner, in Berlin streikten die Beschäftigten der Betreibergesellschaft, der Bodenverkehrsdienste sowie die Luftsicherheitskontrolleure. In Berlin wurde nach dem Warnstreik eine Einigung erzielt.
Wegen zersplitterter Dienstleister ist der Luftverkehr extrem streikanfällig, weil viele kleine, sicherheitsrelevante Gruppen streikmächtig genug sind, den Betrieb lahmzulegen. Es reicht im Grunde der Streik der Flughafenfeuerwehr, um den gesamten Betrieb stillzulegen.
Streik an Flughäfen: Verdi will Forderungen im Tarifstreit Nachdruck verleihen
In der Vergangenheit haben beispielsweise die Kräfte an der Passagierkontrolle, die Piloten, Techniker, Flugbegleiter, Vorfeldlotsen oder das Bodenpersonal gestreikt. Sie werden teilweise von Spartengewerkschaften vertreten. Verdi hat unter anderem über den hier im Streit stehenden Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, nach dem viele Beschäftigte der Flughafengesellschaften bezahlt werden, Zugriff auf die Fluginfrastruktur.
Mit den Streiks an Flughäfen wollen die Beschäftigten ihren Forderungen im laufenden Tarifstreit des Öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen Nachdruck verleihen. Die zweite Runde der Tarifverhandlungen findet am 22. und 23. Februar statt. Bis dahin sind weitere Warnstreiks unter anderem in Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen angekündigt.
Verdi und der Beamtenbund dbb fordern in den laufenden Tarifverhandlungen 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll zwölf Monate betragen. Bislang haben die Arbeitgeber die Forderungen zurückgewiesen.
Letzter großer Warnstreik im Öffentlichen Dienst war 2018
Laut der stellvertretenden Verdi-Vorsitzenden Christine Behle herrsche bei den Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste nach wie vor ein katastrophaler Arbeitskräftemangel. Um das zu ändern, sei eine attraktive Lohnerhöhung erforderlich. Die Beschäftigten der Luftsicherheit hätten Anspruch auf eine Erhöhung der Zuschläge in den Manteltarifverträgen. Im Handelsblatt (Mittwoch) warnte sie: "Wir brauchen dringend bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Luftverkehr, sonst droht der nächste Chaossommer."
"Inflation, hohe Energie- und Lebensmittelpreise treiben die meisten Beschäftigten in eine unsichere Situation", sagte Behle laut Verdi-Mitteilung und fügte hinzu: "Viele wissen nicht mehr, wie sie ihre Mieten bezahlen und den Kühlschrank füllen sollen. Sie brauchen deutlich mehr Geld, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten." Das müssten die Arbeitgeber einsehen und dementsprechend reagieren.
Der bisher letzte große Warnstreik im Öffentlichen Dienst fand im April 2018 statt. Auch damals mussten deutschlandweit hunderte Flüge annulliert werden, weil die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Kommunen und des Bundes nicht vorankamen. Bei einem Warnstreik legten zehntausende Beschäftigte in acht Bundesländern die Arbeit nieder. Vielerorts waren neben Flughäfen auch der städtische Nahverkehr, Kitas, Kliniken, Verwaltungen und Hallenbäder betroffen. (mit dpa)