Netflix gibt es nun seit einem Vierteljahrhundert. Anfangs hatte das Unternehmen noch wenig mit dem Streaming-Dienst zu tun, der es inzwischen ist. Was sich durch Netflix auch gewandelt hat: Serien und wie wir sie ansehen. Unsere Autoren geben Tipps, welche von ihnen man gesehen haben sollte.
„House of Cards“ ist die ultimative Einstiegsdroge
Wer mit deutschen 80er-Jahre-Serien aufgewachsen ist, mit „Das Erbe der Guldenburgs“ oder „Die Schwarzwaldklinik“, der – so muss man das sagen – durfte in den vergangenen Jahren zwei Erweckungserlebnisse haben: dank „The Wire“ (ab 2002 auf HBO) und dank „House of Cards“ (ab 2013 auf Netflix). Serien wie Romane, horizontal erzählt, keine Sekunde lang betulich, kreativ, innovativ, superlativ! In „House of Cards“ über einen bösartigen Politiker (Trump war noch nicht Präsident) stirbt eine Hauptfigur gleich zu Beginn der zweiten Staffel völlig unerwartet den Serientod. Wow! Das hätte man sich mit Dr. Brinkmann nicht getraut! Daniel Wirsching
„The Kominsky Method“ ist in der Länge gerade richtig.
Das Problem an so vielen Netflix-Serien, sie hören nie auf! Man arbeitet sich beispielsweise schon etwas cliffhangermüde durch Staffel fünf, hofft auf finale Klärung, aber dann... tatata, blabla, mehr in Staffel sechs, meist nicht mehr die beste. Von „The Kominsky Method“ mit Michael Douglas als alternder Schauspiellehrer wird es keine vierte Staffel mehr geben. Sehr gut. Alles wichtige erzählt, keine abstrusen Wendungen, Alan Arkin als bissigen Agenten lieben gelernt, Gags, Gags, Gags, und dann plötzlich großes Kino, mit Michael Douglas geweint. Grandios, aber selbst da, Staffel drei ohne Arkin hätte es nicht unbedingt gebraucht. Stefanie Wirsching
„The Americans“ und „Berlin Station“ sind aktueller denn je
Seit über 150 Jahren üben Spionagethriller geheimnisvolle Faszination aus – längst auch als Streaming-Serien. Im Netflix-Überfluss finden sich Geheimtipps: In „The Americans“ verschmilzt die Welt von KGB-Spionen mit dem Achtzigerjahre-Amerika Ronald-Reagans zu einer gefeierten düsteren Familienserie. Und niemand zeichnet ein realistischeres Berlin-Bild als die US-Serie „Berlin Station“. Ihr Schöpfer, der US-Bestsellerautor Ole Steinhauer, gilt als moderner John le Carré mit Vorliebe für James-Bond-Action. Seine Politthrillerserie über die Berliner CIA–Niederlassung wirkt aktueller und brisanter als der Spiegel von nächster Woche.Michael Pohl
In „After Life“ brilliert Comedian Ricky Gervais
Eine Serie über einen Mann, der nach dem Tod seiner Frau die Lebenslust verliert und zu einem zynischen Ekel mutiert – kann man schon machen. Das Ganze aber im Bereich Comedy anzusiedeln und es tatsächlich zu schaffen, dass einem beim Zusehen öfter zum Lachen als zum Weinen zumute ist – das ist ein starkes Stück. Und man darf zweifeln, ob das in der Arbeitsumgebung des linearen Fernsehens auch möglich gewesen wäre. Die Rede ist von „After Life“, bei dem der brillante Comedian Ricky Gervais Regie, Drehbuch und Hauptrolle übernommen hat und es damit zu einem der verschrobenen Goldstücke auf der Plattform gemacht hat. Florian Eisele
„Lupin“ ist ein meisterlicher „Coup“
Als Putzmann in den Louvre, als Millionär wieder raus – das ist natürlich erst der Anfang. Wer Paris liebt und Omar Sy in sein Herz geschlossen hat, wer das Meisterdieb-Genre schätzt, weil es auf Charme, nicht auf Gewalt setzt, der bleibt hier ganz unbedingt dran. Gut, zwischendrin – äußerst widerwillig – mal kurz auf Stop drücken, schauen, ob nicht irgendwo ein kleines Haribo-Eimerchen herumsteht, dazu vielleicht drei bis fünf Packungen NicNacs, dann aber schnell zurück. Lupin ist – so oder so – immer einen Schritt voraus. Bisher sind zwei Staffeln erschienen. Um die an einem Tag zu erledigen, besser auch an der Eistruhe vorbei!Stefan Küpper