Software-Unternehmer Reed Hastings und Marketingprofi Marc Randolph hatten vor 25 Jahren eine neue Geschäftsidee: Warum nicht DVDs per Post verleihen? Gesagt, getan und am 29. August 1997 – heute vor 25 Jahren – gründeten sie die Online-Videothek Netflix. Doch erst zehn Jahre später, als das Streamen von Filmen via Internet auf breiter Front möglich wurde, nahm das Geschäft rasant Fahrt auf.
Hastings hatte kurz zuvor seine Softwarefirma Pure Atria für 700 Millionen Dollar verkauft. Mit einem Startkapital von 2,5 Millionen Dollar und 30 Mitarbeitern begannen Hastings und Randolph ihr Geschäft im kalifornischen Scotts Valley. Im Sortiment hatten sie lediglich 925 Filme. Heute klingt das wenig, damals war es fast der gesamte DVD-Katalog. Das neue Speichermedium gab es erst seit wenigen Monaten. VHS-Bänder galten als zu teuer für den Lagerbestand und zu empfindlich für den Versand.
Am Anfang verschickte Netflix noch per Post
Auf der Firmenwebseite konnten Interessierte Filme auswählen, die dann per Post verschickt wurden. Nach dem Anschauen kamen sie auf demselben Weg zurück, und im Unterschied zu konventionellen Videotheken berechnete Netflix auch bei verspäteter Rückgabe keine zusätzlichen Kosten.
Angeblich hatte der Ärger darüber Hastings zum Start von Netflix motiviert, da er in seiner Videothek nach verspäteter Rückgabe des Films „Apollo 13“ fast 40 Dollar Strafe zahlen sollte. Auf dem Weg ins Fitnessstudio ging Hastings ein Licht auf: Für 40 Dollar im Monat kann man dort so viel trainieren, wie man will. Damit stand die Idee für das Abo-Modell von Netflix: Für eine monatliche Gebühr konnte man sich so viele DVDs per Post kommen lassen, wie man im Monat schaffte. Hat sich die Geschichte wirklich so zugetragen oder war sie nur ein Marketing-Gag? Der Name des Portals setzt jedenfalls setzt sich aus der Abkürzung für das Internet (Net) und dem im Englischen umgangssprachlichen Ausdruck für Filme (Flicks) zusammen.
2007 änderte Netflix das Konzept grundlegend
Im Jahr 2000 schrieb Netflix trotz seiner knapp 300.000 Abonnenten dann immer noch rote Zahlen. Ein Drittel der inzwischen 120 Mitarbeiter musste entlassen werden. Doch ab 2002 wurden DVD-Player in den USA immer günstiger, die Abozahlen von Netflix stiegen rasant. Täglich verschickte die Firma nun rund 190.000 DVDs und das Unternehmen ging an die Börse. 2003 wurde erstmals ein Geschäftsjahr mit einem Gewinn (6,5 Millionen Dollar) abgeschlossen. Im Jahr darauf verließ Randolph das Unternehmen. Hastings ist bis heute CEO.
2007 schließlich wandelte sich das Geschäftskonzept von Netflix grundlegend. Erst seit Mitte der 2000er Jahre waren die Datenübertragungsraten und die Internetkosten für Downloads von Filmen für den Massenkonsum annehmbar. Das Unternehmen stieg ins Video-on-Demand-Geschäft ein und machte Filme und Serien per Streaming für Abonnenten zugänglich. Die ursprüngliche Idee einer eigenen Hardware namens „Netflix-Box“ wurde schnell verworfen. Die Kundenzufriedenheit stieg auch durch das eigene Empfehlungssystem „Cinematch“, das auch Independent-Filme kleinerer Studios einem größeren Publikum in den USA zugänglich machte.
Die internationale Expansion von Netflix begann 2010
Die internationale Expansion begann 2010, als sich Netflix für rund eine Milliarde Dollar die Rechte am Online-Filmvertrieb von Paramount Pictures, Lions Gate Entertainment und Metro-Goldwyn-Mayer sicherte. Zudem kündigte der Dienst an, neben Wiederholungen anderer Fernsehserien auch Eigenproduktionen anzubieten. Im Februar 2013 startete David Finchers Politdrama „House of Cards“ mit Oscar-Preisträger Kevin Spacey in der Hauptrolle, der später allerdings nicht mehr Teil der Serie war. Mit zwei Golden Globes sowie drei Emmys wurde der Politthriller ausgezeichnet. Eine weitere Produktion, die viel mediale Aufmerksamkeit erregte, war die Dramaserie „Orange Is the New Black“.
Seit 2014 ist Netflix auch in Deutschland. Der Anbieter entwickelte sich zu einem großen Produktionsstudio und etablierte sich auch für Filmemacher als neue Methode der Distribution und Vorführung. Im Jahr 2016 veröffentlichte Netflix rund 125 eigens produzierte Serien und Filme. Gemessen an den Nutzerzahlen hatte der Streamingdienst damit in den USA bereits mehr Zuschauer als jeder einzelne herkömmliche Fernsehsender. Auch hierzulande wandern vor allem immer mehr junge Zuschauerinnen und Zuschauer von klassischen Fernsehsendern zu Streaming-Anbietern ab.
Mit "Dark" startete 2017 erstmalig eine deutsche Serie
Mit „Dark“ startete 2017 erstmalig auch eine deutsche Serie. Danach begann Netflix auch mit der Produktion eigener Filme, 2019 war „Roma“ für einen Oscar im Bereich „Bester Film“ nominiert. Im vergangenen Jahr wurden 35 Netflix-Produktionen vorgeschlagen und räumten in verschiedenen Kategorien sieben Oscars ab. 2022 gewann die Regisseurin Jane Campion für das Filmdrama „The Power of the Dog“ die begehrte Auszeichnung.
Nach dem geschäftlichen Höhepunkt 2021, als die Netflix-Aktie im November auf über 600 Dollar gestiegen war und der Börsenwert des Unternehmens mit knapp 195 Milliarden Dollar erstmals sogar den der Walt Disney Company überstieg, brach der Aktienkurs zunächst ein. Mit Erfolgen wie „Stranger Things“ konnte Netflix den Trend jedoch stoppen.
Konkurrenz ist da: Neben Netflix gibt in Deutschland über 40 Streaming-Anbieter
Dennoch bleibt die Konkurrenz hellwach. Neben Netflix gibt es mittlerweile in Deutschland über 40 Streaming-Anbieter, dazu gehören Big Player wie Disney und Amazon Prime Video ebenso wie beispielsweise DAZN und Sky Go im Sportbereich. Obwohl Netflix bis Ende März 2022 insgesamt 221,64 Millionen bezahlte Abonnements abgeschlossen hat, konnte der US-Unterhaltungsriese Disney im zweiten Quartal mit seinen Streamingdiensten Disney+, Hulu und ESPN+ zum Marktführer aufschließen und ebenfalls rund 221,1 Millionen Kundinnen und Kunden gewinnen. „Wir hatten ein exzellentes Quartal“, verkündet Disney-CEO Bob Chapek. Mit der „Star Wars“-Serie „Obi-Wan Kenobi“ und Marvels „Ms. Marvel“ landete der Konzern zwei große Hits.
Die starke Nachfrage nutzen Netflix und Disney nun für deutliche Preiserhöhungen. Noch in diesem Jahr wollen beide ihre Preise für werbefreie Standard-Abos in den USA um drei Dollar auf 10,99 Dollar pro Monat erhöhen. Eine jeweilige Variante mit Werbeeinblendungen soll dann 7,99 Dollar kosten. In Deutschland sind ähnliche Kosten zu erwarten. Einige Konkurrenten sind aber deutlich günstiger als Netflix. Amazon will in Deutschland noch bis Ende 2022 ein kostenfreies werbefinanziertes Angebot starten.
Amazon hatte schon 1998 ein Übernahmeangebot gemacht
Im letzten Monat ist Netflix eine Werbepartnerschaft mit Microsoft eingegangen. Beide Unternehmen könnten sich im Bereich des geistigen Eigentums ergänzen: Aus Netflix-Serien würden etwa Xbox-Spiele entstehen, aus Spielen Netflix-Serien werden.
Wie erst 2019 bekannt wurde, versuchte Amazon bereits im Sommer 1998 Netflix zu kaufen. „Amazon-Chef Jeff Bezos machte uns ein Angebot irgendwo im niedrigen achtstelligen Bereich“, schreibt Randolph in seinen Memoiren. Für ein junges Unternehmen, das noch nie richtiges Geld verdient hatte und erst kurze Zeit am Markt war, eine durchaus verlockende Offerte. „Doch wir wussten, dass wir an der Schwelle von etwas Großem standen. Es schien einfach nicht der richtige Moment für solch einen Schritt.“ Die Entscheidung zahlte sich aus.
Heute gehört Netflix zu den weltweit größten Internet-Unternehmen, 2021 machte es bei einem Umsatz von 29,7 Milliarden Dollar einen Gewinn von 5,1 Milliarden Dollar. (mit dpa)