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Strauchelnde Banken: Bankenexperte: "Es genügt ein kleiner Auslöser und alle geraten in Panik"

Strauchelnde Banken

Bankenexperte: "Es genügt ein kleiner Auslöser und alle geraten in Panik"

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    Die Schweizer Banken haben die Finanzwelt verunsichert.
    Die Schweizer Banken haben die Finanzwelt verunsichert. Foto: Michael Buholzer, dpa

    Herr Professor Wullweber, warum kommt es im Finanzsystem immer wieder zu gefährlichen Krisen?
    JOSCHA WULLWEBER: Es liegt eindeutig an der Struktur des Systems und dem dahinter stehenden Glauben. Dieser geht davon aus, dass die Marktkräfte sich im freien Spiel entfalten müssen, um das Kapital optimal zu verteilen. Leider ist dieses freie Spiel extrem emotional getrieben. In krisenhaften Zeiten wie jetzt genügt ein kleiner Auslöser und alle geraten Panik. Gleichzeitig war durch Abbau von Regulierungen in den USA eine systemrelevante Bank, wie die Silicon Valley Bank, in der Lage, riskante Geschäftspraktiken zu betreiben. Zu dem freien Spiel müsste eigentlich auch gehören, dass Banken pleitegehen können. Sie sind aber der blinde Fleck des Systems, weil Pleiten von Großbanken die gesamte Wirtschaft mit nach unten reißen. 

    Joscha Wullweber ist Heisenberg-Professor für Politische Ökonomie an der Universität Witten/Herdecke und Autor des bei Suhrkamp erschienen Buches „Zentralbankkapitalismus“.
    Joscha Wullweber ist Heisenberg-Professor für Politische Ökonomie an der Universität Witten/Herdecke und Autor des bei Suhrkamp erschienen Buches „Zentralbankkapitalismus“. Foto: Wullweber

    Nach der Weltfinanzkrise haben die Regierungen den Banken doch höhere Eigenkapitalvorgaben aufgezwungen, die Liquiditätspuffer angehoben und die Aufsicht gestärkt. Warum ist es dennoch nicht stabil?
    WULLWEBER: Derzeit sieht es so aus, dass es nicht zu einer globalen Krise kommt, insofern würde ich erst einmal sagen, dass das System etwas stabiler ist. Aber in der Tat ist es insgesamt hochkrisenanfällig und nur die Zentralbanken halten es davon ab, zusammenzubrechen. Diese haben nach 2008 angefangen, eine Sicherheitsstruktur aufzubauen, indem sie viel Geld in das System gepumpt und die Zinsen niedrig gehalten haben. Nun steigen die Leitzinsen aber und die Sicherheitsstruktur wackelt. Insbesondere haben sich einige Banken, wie die Silicon Valley Bank, mit Staatsanleihen eingedeckt, die nun an Wert verlieren. Man hatte schlicht das Zinsrisiko ignoriert, um kurzfristig Profit zu erwirtschaften. Als dann die Bank ins Gerede kam und die Kunden ihr Geld verlangten, hatte die Bank diese Geldmittel schlicht nicht zur Verfügung.

    Warum verlieren Staatsanleihen bei steigenden Zinsen an Wert?
    WULLWEBER: Kurse von Anleihen entwickeln sich umgekehrt zu den Zinssätzen, das heißt, wenn die Zinssätze fallen, steigt der Kurs der Anleihen. Das ist ein banaler Mechanismus an den Finanzmärkten, den eigentlich jeder kennt. Dennoch kamen jetzt Banken in den USA und die Credit Suisse ins Rutschen. Auf der Makroebene ist das System eben nicht stabil. Und da reden wir vom Teil des Finanzsystems, der reguliert ist.

    Was ist mit dem anderen Teil?
    WULLWEBER: Das sind die sogenannten Schattenbanken. Dazu zählen zum Beispiel Investmentfonds, Geldmarktfonds und Wertpapierhändler. Sie machen etwa 50 Prozent des Systems aus. Das muss man sich einmal vorstellen. Für die Hälfte des Finanzsystems gibt es fast keine Vorschriften, die Krisen verhindern.

    Was müsste sich im Bankensystem ändern, damit die Krisenanfälligkeit abnimmt? 
    WULLWEBER: Zunächst einmal muss die De-Regulierung, die in den USA unter Präsident Trump mit Notenbankchef Powell eingesetzt hat, aufhören. Die Weltfinanzkrise war seinerzeit erst zehn Jahre her und man hat schon wieder angefangen, die Zügel zu lockern. Wir müssen im Gegenteil viel strengere Regeln machen. Der Glaube an die segensreiche Wirkung des freien Markts ist im Finanzsystem einfach falsch. Ein Vorschlag wäre, dass die Liquidität stets vollständig durch Zentralbankreserven gedeckt sein muss und nicht nur ein kleiner Teil. 

    Ich höre schon den Aufschrei der Bankmanager …
    WULLWEBER: Banken genießen das Privileg, dass sie wie Zentralbanken Geld schöpfen können. Wenn Sie einen Kredit vergeben, entsteht neues Geld. Nur ein Bruchteil davon ist durch Sicherheiten gedeckt. Warum sagen wir nicht, dass jede Bank bei der Zentralbank anklopfen muss, wenn sie einen Kredit vergibt? Das System wäre dann deutlich stabiler und die Spekulation stark unterbunden. Banken sollten dafür da sein, die reale Wirtschaft mit Geld zu versorgen und nicht, um um sich selbst zu kreisen.

    Zur Person

    Joscha Wullweber ist Heisenberg-Professor für Politische Ökonomie an der Universität Witten/Herdecke und Autor des bei Suhrkamp erschienenen Buches „Zentralbankkapitalismus“. Darin zeigt er, dass die wichtigen Notenbanken mittlerweile zum Rückgrat des Finanzsystems geworden sind und wie sie dafür ihre Geldpolitik revolutioniert haben. 

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