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Startup: Oldtimer-Sharing-Plattform: Fahren, so schön wie früher

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Oldtimer-Sharing-Plattform: Fahren, so schön wie früher

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    Haben Nostalgie im Portfolio: Harald Piendl (links) und Dirk Salomon betreiben OttoChrom, eine Sharing-Plattform für Old- und Youngtimer. Die beiden Jugendfreunde kommen ursprünglich aus Augsburg. OttoChrom hat den Sitz in Berlin-Moabit, die Autos können aber bundesweit ge- und vermietet werden. Der chinesische Faltenhund Shar Pei, den die beiden in die Mitte genommen haben, heißt Amy.
    Haben Nostalgie im Portfolio: Harald Piendl (links) und Dirk Salomon betreiben OttoChrom, eine Sharing-Plattform für Old- und Youngtimer. Die beiden Jugendfreunde kommen ursprünglich aus Augsburg. OttoChrom hat den Sitz in Berlin-Moabit, die Autos können aber bundesweit ge- und vermietet werden. Der chinesische Faltenhund Shar Pei, den die beiden in die Mitte genommen haben, heißt Amy. Foto: OttoChrom

    Zum Beispiel der DeLorean DMC-12. Dieser Sportwagen, mit dem sich Dr. Emmett L. Brown auf den Weg „Zurück in die Zukunft“ macht. Mit dem mal fahren und schauen, wie das so ist, wie der sich fährt, sich einmal wie der Doc und Marty McFly fühlen. Es muss ja nicht gleich der Blitz einschlagen, aber für einen Tag, so zum Cruisen, warum denn nicht?

    Das geht. Für 440 Euro pro Tag. Buchbar bei OttoChrom.de. Die Sharing-Plattform für Old- und Youngtimer ist seit Juli vergangenen Jahres im Netz, wurde in Berlin von den Augsburger Jugendfreunden Dirk Salomon und Harald Piendl aufgebaut, und ihr Geschäftsmotto könnte auch „Zurück in die Vergangenheit“ lauten. Denn was sie letztlich verkaufen, ist Nostalgie.

    Der Weg war frei für OttoChrom

    Die Idee für die Plattform war Dirk Salomon, Baujahr 1966, schon länger gekommen, nur bis sie geschäftsfähig war, dauerte es seine Zeit. Salomon, der in Aystetten groß wurde, hatte schon früh ein Faible für alte Schönheiten entwickelt. Sein erstes Auto allerdings – vom Opa zum Führerschein geschenkt – war ein Opel C-Kadett, der bei einer „dummen Drift-Aktion“ sein Ende an einem Baum fand. Der zweite Wagen war ein Kübelwagen von der Bundeswehr. „Schöne Form“, sagt Salomon. Gleiches galt für Auto Nummer drei, einen alten Heckflossen-Leichenwagen von Mercedes- Benz. Als er den noch fuhr, bat ihn seine Mutter allerdings regelmäßig, ihn nicht vor der Haustüre zu parken. Gerüchte entstehen bekanntlich schnell und verschwinden langsam. Die Jahre vergingen, Salomon zog 1994 aus dem Augsburger Land nach Berlin, er „musste mal raus“.

    Als er dort, inzwischen fuhr er eine ältere Mercedes-Limousine, in Kreuzberg nach einem Appartement suchte, fand er einen Zettel hinter seinen Scheibenwischer geklemmt. Eine Produktionsfirma wollte das Auto für einen Baader-Meinhof-Film mieten. So verdiente er sein erstes Geld damit, dass er anderen seinen Wagen zur Verfügung stellte. Das machte er schließlich für rund 20 Jahre und bekam dabei immer wieder auch Anfragen von anderen Oldtimer-Besitzern, die ihre Schätze sorgfältigen Kunden gerne tageweise überlassen hätten. Das Problem daran war: Keine Versicherung springt ein, wenn etwas schiefläuft. Ging also nicht.

    Das Problem löste Salomon schließlich mit seinem alten Kumpel Harry, Baujahr 67. Piendl, mit dem gemeinsam er das Augsburger Peutinger-Gymnasium besucht hatte, ist eher ein „Zahlenmensch“. Der frühere Red-Bull-Manager fuchste sich in die Versicherungs-Materie ein – und letztlich, nachdem sie viele Klinken hatten putzen müssen, bekamen sie die Zusage von der Allianz. Der Weg war frei für OttoChrom.

    Die Herausforderung: Oldtimer-Besitzer überzeugen

    Die Herausforderung war und ist: Man muss Oldtimer-Besitzer davon überzeugen, ihre liebevoll gepflegten Karossen herzugeben. Das geht nur über Vertrauen. „Wir haben am Anfang Stunden mit den ersten Interessenten am Telefon verbracht. Das war brutale Kärrnerarbeit“, erzählt Piendl. Inzwischen können sie deutschlandweit 370 alte Autos anbieten. Das Geschäftsmodell geht so: OttoChrom bekommt 15 Prozent Service-Pauschale, der Rest geht an Vermieter und Versicherung.

    Die Allianz versichert die Oldtimer-Mieter (Vollkasko, 1000 Euro Selbstbeteiligung), sobald die Fahrt beginnt und löst in dem Augenblick – und bis zum Ende der Fahrt – die eigene dann ruhende Versicherung des Vermieters ab. Der Oldtimer-Besitzer und der OttoChrom-Kunde machen individuell einen Übergabetermin aus und der Vermieter weist den Mieter in die Besonderheiten des Wagens ein. Ein paar Einschränkungen gibt es außerdem (mindestens 23 Jahre, fünf Jahre Fahrpraxis, unfallfrei), die Vermieter auch verschärfen können. Die Mieter sollen zudem angeben, welche Tour sie vorhaben, wie viele Leute mitfahren. Autobahnen sind verboten. Salomon und Piendl haben sich für ihr Online-Geschäftsmodell von Airbnb inspirieren lassen, erklärt Piendl. Zwei Programmierer haben sie in Vollzeit beschäftigt, die Homepage wird gerade überarbeitet, um alles so leicht und unkompliziert wie möglich zu machen. Wenn die Community wächst, werden nicht mehr alle in langen Telefonaten persönlich betreut werden können.

    OttoChrom-Geschäftsführer: "Wer Oldtimer fährt, ist einer von den Guten"

    Bis der Laden so richtig Fahrt aufnimmt, wird dieses Corona-Jahr noch vergehen müssen, sagt Piendl. Aber obwohl die Oldtimer-Saison noch gar nicht richtig begonnen habe, hätten sie dieses Jahr schon 200 Anfragen registriert. Salomon ist sich sicher: „Die Leute wollen gerade einfach raus. Reisen ist auch schwierig. Und wer zum dritten Mal den Garten umgegraben hat, möchte irgendwann mal was anderes sehen.“

    Warum also nicht einen Pontiac Ventura für einen Tag ausführen? Oder einen Dodge Dart? Nicht alle Tagessätze sind so hoch wie für die Zurück-in-die-Zukunft-Karre. Das Wichtigste sei, betonen Salomon und Piendl unisono, dass die Vermieter ihre Kunden gut einweisen. Diese seien in aller Regel zwar vorsichtig, denn mit einem schönen alten Auto gingen per se alle zunächst mal respektvoll um. Salomon weiß aber aus jahrelanger Erfahrung: „Nur wer gut erklärt bekommen hat, auf was er achten muss, entspannt sich nach zwei, drei Minuten am Steuer, dann macht er das Radio an und kann schließlich schon mitwippen.“

    Wer einen Käfer fährt, bekommt oft den Daumen nach oben gezeigt

    Die schönen Erlebnisse unterwegs lägen in der Ausfahrt an sich, dem bewussten Rauskommen, aber schon auch in der Wahrnehmung der anderen. „Wer in Berlin mit einem alten Käfer an der Ampel Grün verpasst, wird nicht wie sonst sofort angehupt. Die Leute haben Verständnis. Wer Oldtimer fährt, ist einer von den Guten.“ Salomon ist auch überzeugt, dass nicht wenige Kunden, wenn sie mit den schnieken Wagen unterwegs sind, sich tatsächlich als deren Besitzer fühlten und sich auch als solche ausgeben. Zumindest für einen Tag. „Einen Oldtimer erkennt man sofort. Wer mit einem Käfer unterwegs ist, bekommt oft den Daumen nach oben gezeigt.“

    Auch viele junge Leute melden sich bei OttoChrom, versichern die beiden. Die wollten zwar oft kein eigenes Auto mehr besitzen, aber durchaus in einem besonderen Auto unterwegs sein. Dass die alten Wagen viel Sprit verbrauchen, störe dabei die wenigsten. Man fährt ja nicht lange und nicht weit. Es geht um ein Retro-Erlebnis, das umso besonderer wird, je autonomer die E-Autos der Zukunft unterwegs sind.

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