Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) hat die Sparpläne des Wolfsburger Autobauers VW kritisiert und die Bedeutung des Standortes Baunatal unterstrichen. Das VW-Werk Kassel gehöre zur Herzkammer der nordhessischen Automobilindustrie, sagte er vor einem Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern des Betriebsrates im VW-Werk Kassel in Baunatal. Zuvor waren Mitglieder der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag zu einer nicht-öffentlichen Fraktionssitzung in Baunatal zusammengekommen.
«Baunatal ist nicht nur das zweitgrößte VW-Werk in Deutschland, das größte Komponentenwerk der VW-Gruppe insgesamt, sondern aus unserer Sicht auch der zentrale Schlüssel für die erfolgreiche Elektrifizierung von Volkswagen», betonte Mansoori. «Deswegen ist hier in den letzten Jahren investiert worden. Deswegen gibt es hier eine klare Strategie.»
Betriebsrat: Zehntausende Arbeitsplätze bedroht
Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats will der VW-Vorstand in Deutschland mindestens drei Werke schließen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo hatte am Montag berichtet, der Konzern wolle in Deutschland mindestens drei seiner zehn Werke schließen und Zehntausende Arbeitsplätze abbauen. VW selbst wollte die Angaben zunächst nicht bestätigen. Inwieweit die zweitgrößte Produktionsstätte des VW-Konzerns in Baunatal von den Sparplänen betroffen sein wird, ist bislang unklar.
Man dürfe jetzt nicht Standorte gegeneinander ausspielen, sagte Mansoori. «Es geht hier um konkrete Schicksale. Die Menschen, die hier arbeiten, sind keine Schachfiguren, die einfach von links nach rechts verschoben werden können», unterstrich er. «Aber sehr selbstbewusst tragen wir natürlich mit den Kolleginnen und Kollegen in Baunatal vor, dass sehr viel Kompetenz am Standort ist, sehr viel investiert worden ist in den letzten Jahren und gerade mit Blick auf die Elektrifizierungsstrategie von Volkswagen Baunatal ein Schlüssel zum Erfolg ist.» Das seien auf jeden Fall gute Argumente, die in die Waagschale geworfen werden könnten.
Um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen
«Trotzdem macht uns das natürlich Sorge, wenn über Massenentlassung gesprochen wird.» Im Werk Kassel arbeiteten rund 15.500 Menschen. «Wenn wir die Dienstleistungen und die Zulieferer in der Region bedenken, reden wir über 40.000 bis 45.000 Arbeitsplätze insgesamt.» Deswegen gehe es nicht nur darum, pauschal gegen Standortschließungen vorzugehen, sondern für jeden einzelnen Arbeitsplatz einzutreten, den es in Baunatal gebe, «weil all diese Menschen dazu beitragen, dass diese Region wirtschaftlich erfolgreich ist. Und ich will auch, dass es so bleibt.»
Es brauche jetzt Verlässlichkeit und nicht immer wieder neue Ideen und Vorschläge. «Die Politik baut keine Autos, aber die Politik kann mit guten und verlässlichen Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass die hervorragenden Autos, die hier mit produziert werden, erfolgreich abgesetzt werden können», erklärte Mansoori.
Wettbewerbsfähigkeit steigern
Dazu gehöre, dass die Industrie wettbewerbsfähig produzieren könne. Gemeinsam mit den anderen Wirtschaftsministern an den VW-Standorten in Deutschland habe er daher vorgeschlagen, dass die Länder gemeinsam mit dem Bund für eine Senkung der Energiekosten sorgen müssten, erklärte Mansoori. «Das betrifft insbesondere die Senkung der Stromsteuer und Entlastung bei den Netzentgelten.» Zudem müssten gemeinsam alle Hebel für den zügigen Ausbau der Ladeinfrastruktur in Bewegung gesetzt werden, um Elektromobilität alltagstauglicher zu machen. Überdies solle gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium die Einführung von Kaufprämien geprüft werden.
«Wir haben klare Vorstellungen, wie wir gerade diesen zukunftsfähigen Standort Baunatal für die Zukunft nicht nur stark machen, sondern auch stark halten», sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Tobias Eckert. Auch Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels versprach Unterstützung. «Wir müssen Volkswagen, wir müssen die Beschäftigten, unterstützen. Die Weiterentwicklung von Volkswagen geht nur mit den Beschäftigten und niemals gegen sie», sagte der nordhessische Sozialdemokrat.
SPD fordert respektvollen Umgang mit Beschäftigten
Am Mittwoch kommen Konzern und die Gewerkschaft IG Metall zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde über den VW-Haustarif zusammen. Der Verhandlungsführer von VW habe dann die Chance, von den Androhungen von Massenentlassungen und Werkschließungen zurückzutreten, sagte der Betriebsratschef des VW-Werkes in Baunatal, Carsten Büchling. «Dann kommen wir in gute Gespräche.»
Im Anschluss an den Austausch mit den Arbeitnehmervertretern forderten die SPD-Fraktion und Wirtschaftsminister Mansoori die Konzernführung auf, zu einem respektvollen Umgang auf Augenhöhe mit den Beschäftigten, dem Betriebsrat und den Gewerkschaften zurückzukehren. «Für die Schwierigkeiten, in denen sich vor allem die Kernmarke Volkswagen aktuell befindet, sind nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich, sondern ehemalige und jetzige Vorstandsmitglieder, die strategische und produktionstechnische Fehlentscheidungen getroffen haben», sagte Eckert laut Mitteilung.
Mansoori: Wird kein leichter Weg
Es könne nicht sein, dass für die Folgen dieser Versäumnisse des Managements nun die Beschäftigten und deren Familien büßen sollten. «Die Beschäftigten dürfen wohl zu Recht erwarten, dass dem bestbezahlten Vorstand aller Dax-Unternehmen in einer herausfordernden Lage mehr einfällt als nur Werksschließungen und Kündigungen.» Wer Verantwortung für mehr als 120.000 Beschäftigte in Deutschland trage, der müsse imstande sein, kreative, konstruktive und konsensfähige Konzepte für die Transformation des Konzerns zu entwickeln. «Intellektuell eindimensionale Drohungen mit einem personellen Kahlschlag gehören sicherlich nicht dazu.»
Es sei jetzt vordringlich, dass sich die Geschäftsleitung mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft an einen Tisch setze, um einen Weg aus der Krise zu finden, erklärte Mansoori. «Das wird kein leichter Weg. Wir von Seiten der Politik sind solidarisch mit den hart arbeitenden Menschen und werden alles dafür tun, dass am Ende ein tragfähiges Zukunftskonzept auf dem Tisch liegt.»
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