Die Zeiten sind rau. Die Wirtschaft steckt im Tief und der Handel klagt über Verbraucher, die verunsichert sind und ihr Geld lieber zusammenhalten, als zu konsumieren. Das spürt auch die Spielwarenbranche, die sich in dieser Woche zu ihrer Leitmesse in Nürnberg trifft. Die meisten Händler und Hersteller müssen sich derzeit einiges einfallen lassen, damit Bausets, Puppen und Co. nicht in den Regalen bleiben.
Ein Trend, auf den viele setzen, heißt darum: die Zielgruppe vergrößern. Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmen Circana sind im Spielwarenmarkt für Jugendliche ab zwölf Jahren und Erwachsene in Europa mittlerweile 4,5 Milliarden Euro zu verteilen - 30 Prozent des gesamten Spielwarenmarkts. Zwei Drittel der Erwachsenen sind nach Umfragen bereit, pro Jahr zwei oder mehr Spielzeuge für sich zu kaufen.
Sehr oft greifen sie dann offenbar zu Klemmbaustein-Sets aus Dänemark. Lego ist einer der Pioniere des Trends und seit Jahren sehr erfolgreich darin, Bausets auch an Erwachsene zu verkaufen. Vor dem eigentlichen Messestand - rein dürfen nur Geschäftspartner - kann man sehen, wie der dänische Konzern sich fast schon als Lebensbegleiter inszeniert.
Lego feiert Erfolge mit Blumensets
Prominent platziert, neben vielen Sets für Kinder, ist ein rotes Motorrad, zusammengesetzt aus sehr vielen Teilen, sowie Sets mit Blumen zum Zusammenstecken. Ein „absoluter Hit“ seien diese vor wenigen Jahren eingeführten Bausätze, schwärmt Theresa Silbereisen, die Lego-Marketingleiterin für Europa, und kündigt weitere Neuerscheinungen für dieses Jahr an. Wer viele Stunden mit dem Zusammenbauen von Modellen verbringt, muss sich während dieser Zeit schon nicht mit den Zumutungen der Welt vor der eigenen Haustür auseinandersetzen.
Der Konzern gehört zu den großen Gewinnern auf dem Spielzeugmarkt und ist mit weitem Abstand Marktführer in Europa. Auf Platz zwei folgt der US-Konzern Mattel, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert. Unter anderem mit der Neuauflage von Spielzeugklassikern, mit denen sehr viele Erwachsene bereits als Kind gespielt haben, etwa ein Telefon mit Wählscheibe auf Rollen oder einen Stapelturm mit bunten Ringen unterschiedlicher Größe.
An einem Extra-Stand sind die Spielzeuge wie Exponate in einem Museum in beleuchteten Glasvitrinen präsentiert. Auch wenn Erwachsene damit eher nicht spielen dürften, verschenken sie als Eltern oder Großeltern wohl das meiste Spielzeug. Die Coronazeit hat den Markt für Spielwaren für Erwachsene enorm beflügelt, erklärt Zukunftsforscher Kai Gondlach bei einer Kurzpräsentation. „Emotionales Wohlbefinden“ sei einer der Gründe, für die Neuentdeckung des verschütteten Spieltriebs.
Unterschiede zwischen Generationen verschwimmen
Ähnlich klingt es bei Lego. Marketing-Frau Silbereisen spricht von „Resilienz“, „mentaler Gesundheit“ und „Achtsamkeit“, als sie die Vorzüge des Spielens mit Bausets erklärt. Spielen muss also zunehmend auch eine Funktion erfüllen, einfach nur eine gute Zeit zu haben, reicht offenbar nicht aus. Trendforscher Gondlach sieht in jedem Fall weiteres Potenzial. Es werden schlicht immer weniger Kinder geboren in Deutschland. Das macht die Erwachsenen automatisch zu einer interessanten Zielgruppe.
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Wo der Übergang vom Kind zum Erwachsenen verläuft, ist also immer weniger klar. Umso besser ist da aufgestellt, wer Produkte hat, mit denen alle zusammen spielen können. Traditionell gilt das für die Bausätze von Fischertechnik. Das Unternehmen aus dem Nordschwarzwald hat schon immer auf das spielerische Lernen naturwissenschaftlicher Zusammenhänge gesetzt. Jetzt wirbt man offensiv mit dem Vermitteln von „Future Skills“. Über 400 Schulen in Baden-Württemberg arbeiten von der fünften bis zur achten Klasse künftig auch mit den Bausätzen im Unterricht.
Spieleklassiker werden sanft weiterentwickelt
Und wenn die Kinder dann aus der Schule an die Universität oder in ein großes Unternehmen gewechselt sind, können sie etwa mit Fabriksimulationsanlagen der Firma Fertigungsprozesse simulieren. Da könnte es manchen Eltern künftig schwerfallen, die Kinder vom Spielen wegzurufen.
Nur um den Spaß am Spiel geht es bei anderen Spieleklassikern wie Elfer raus (Ravensburger) oder Catan (Kosmos), die auf der Messe ihren 100. beziehungsweise 30. Geburtstag feiern und mittlerweile mehrere Generationen von Spielern gewonnen haben. Sanfte Weiterentwicklungen und ein zeitgemäßes Design sollen helfen, diese Erfolgsgeschichten fortzuschreiben. Auch Uno, das beliebte Kartenspiel, das viele an Mau-Mau erinnert, kam bereits 1971 bei Mattel auf den Markt. Mittlerweile gibt es sogar eine Ausgabe mit Brailleschrift, damit auch Blinde mitspielen können.
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