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Spieleklassiker Monopoly: Kapitalismus als Spiel? Die Monopoly-Erfinderin hatte anderes vor

Spieleklassiker Monopoly

Kapitalismus als Spiel? Die Monopoly-Erfinderin hatte anderes vor

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    Ein Haus- oder Wohnungskauf ist oft die größte Anschaffung im Leben. Bei Monopoly ist es erst der Anfang.
    Ein Haus- oder Wohnungskauf ist oft die größte Anschaffung im Leben. Bei Monopoly ist es erst der Anfang. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa

    Vielleicht ist es eine wolkenkratzermäßig steile These, aber ohne Monopoly, so muss es doch sein, wären die Mietpreise in München nicht so, wie sie in

    Das ist natürlich ein schöner Unfug. Wer wollte schon von einem Brettspiel und Würfelglück aufs wahre Leben schließen? Andererseits: Muss man das nicht sogar? Denn, so wirbt der Spielehersteller Hasbro doch, über eine Milliarde Menschen haben den Klassiker schon gespielt. Haben also verinnerlicht: Wer die meisten Hotels und Häuser besitzt, kassiert am meisten. Konkurrenten werden zu Pleitiers. Der Reichste gewinnt. The winner takes it all. Damit sind ein paar prägende Lektionen gelernt, oder nicht? Gehe nicht über "Los", ziehe nicht4000 DMein.

    Der Mietspiegel in München ist um 21 Prozent gestiegen – liegt's an Monopoly?

    Dabei könnten die viele doch exzellent gebrauchen. Nur ein Beispiel: In der Landeshauptstadt ist gerade erst der neue Mietspiegel veröffentlicht worden. Die durchschnittliche ortsübliche Nettomiete (ohne Heiz- und Nebenkosten) liegt aktuell bei 14,58 Euro pro Quadratmeter. 21 Prozent mehr im Vergleich zu vor zwei Jahren. Das ist die höchste Steigerung in der Geschichte des Mietspiegels der Stadt. Kaufen gar, wer nicht erbt oder schon besitzt? Schwierig. Inflation, gestiegene Zinslast. Nur im Besitz der Bad- und Turmstraße. Zu selten über "Los" gekommen. 

    Wäre die (Immobilien-)Welt eine andere, wenn sich die ursprüngliche Version von "Monopoly" durchgesetzt hätte? Denn, und das ist eine durchaus bittere Ironie der Geschichte, die Erfinderin Lizzie Magie Phillips hatte damit ganz anderes im Sinn. Die US-Amerikanerin aus Virginia, eine Quäkerin, war eine Anhängerin der Ideen des Ökonomen Henry George. Der war der Ansicht, dass auf Landbesitz eine Einheitssteuer erhoben werden sollte. Für die Georgisten war die Ursache sozialer Missstände die ungleiche Verteilung von Grund und Boden. George, der 1897 in New York starb, war kein Marxist, seine Gedanken basierten auf einem marktwirtschaftlichen System, aber er wollte die Ungerechtigkeiten seiner Zeit beseitigt sehen. 

    Kapitalismus für Anfänger? Monopoly-Erfinderin Phillips hatte anderes im Sinn

    Die religiöse Magie wollte das auch und daher die Gedanken der Georgisten bekannter machen. So kam die Idee, für Kinder "The Landlord's Game" zu erfinden, den Vorgänger des heutigen Monopoly-Spiels. Magies Biographin, die US-Journalistin Mary Pilon, zitiert sie im New-York-Times-Bestseller "The Monopolists" mit den Worten: "Sie lernen, dass der schnellste Weg zur Anhäufung von Reichtum und zur Erlangung von Macht darin besteht, so viel Land wie möglich in den besten Gegenden zu erwerben und es zu behalten. Lasst die Kinder einmal deutlich die grobe Ungerechtigkeit unseres derzeitigen Bodensystems erkennen. Und wenn sie heranwachsen, wird das Übel bald behoben sein, wenn man sie sich natürlich entwickeln lässt." 

    Es gab wohl in der Anfangszeit zwei Varianten, wie Pilon weiter schreibt. Von Anfang an habe das "Landlord's Game" darauf abgezielt, den natürlichen menschlichen Konkurrenz-Instinkt auszunutzen. Es habe aber zwei Regelwerke gegeben. Eines, bei dem alle belohnt wurden, wenn Reichtum geschaffen wurde. Und eines, bei dem das Ziel darin bestand, Monopole zu schaffen und den Gegner zu vernichten. Patentiert wurde das Spiel 1904. Welche Variante sich durchgesetzt hat, ist bekannt. 

    Ein Quadratmeter Baugrund für Einfamlienhäuser liegt bei 1140 Euro

    Ein gutes Jahrhundert später, im Herbst 2022, lag in den Großstädten des immerschönen bayerischen Freistaats der Baugrundpreis für allein stehende Einfamilienhäuser pro Quadratmeter bei quasi läppischen 1140 Euro. Zehn Jahre früher hatte er den weiteren Angaben der Gesellschaft für Immobilienmarktforschung und Berufsbildung (IVD) zufolge noch bei 500 Euro pro Quadratmeter gelegen. Zwar sind die Immobilienumsätze nach Rekordjahren in Bayern um 8,7 Prozent zurückgegangen. Aber man fragt sich, was Lizzie Magie zu all den Umtrieben im außer Rand und Band geratenen Markt sagen würde? In London, anderes hochpreisiges Beispiel, steht gerade die teuerste Villa der Stadt zum Verkauf. Die britische Hauptstadt ist global ohnehin eines der teuersten Pflaster. Aufgerufen sind für das Herrenhaus im Regent's Park (40 Schlafzimmer) laut Handelsblatt schlappe 280 Millionen Euro. 

    Das Monopoly-Spiel selbst hat auch eine rekordmäßige Entwicklung gehabt. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es weit über 300 verschiedene reguläre Monopoly-Editionen. Wie Hasbro durchaus stolz mitteilt, gibt es auch zwei weltraumtaugliche Sonderanfertigungen für die Nasa mit Aluminium-Häusern und nicht entflammbarem Papier. Es gibt eine Eiskönigin-Variante, eine Star-Wars-Edition, eine zu Nintendos Mario Kart. Seit Parker Brothers, die zu Hasbro gehören, 1935 die Rechte kaufte, hat das Unternehmen sicher deutlich mehr verdient als die 20.580 Monopoly-Dollar, die jede Spielebox heute (die Währungen wechselten im Laufe der Jahre) enthält. 

    Kulturhistoriker Strouhal: Monopoly beruht auf Faszinosum der Aufstiegserzählung

    Wer sich sehr gut mit Gesellschaftsspielen auskennt, ist Ernst Strouhal, Kulturhistoriker an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Spricht man mit ihm über Monopoly und die gegenseitige Beeinflussung von Spiel und Leben, schickt er vorweg, dass es auch eine Version mit massiven goldenen Spielsteinen gebe. Preislich bei etwa 25.000 Dollar. Und er sagt dann mit leichtem

    Strouhal, der im Standard eine Schach-Kolumne hat, sagt, dass es die Funktion von Spielen ist, "die unübersichtliche Welt zu vereinfachen". In dem Vorgang der Vereinfachung aber stecke "Politik und Ideologie". Und in der Monopoly-Variante, die sich dann am Markt durchgesetzt habe, werde "das menschliche Individuum auf ein Konkurrenz-Subjekt reduziert und enorm jedes Gemeinschaftssinnes amputiert". Strouhal erläutert ferner: "Wenn jemand so lebt wie in Monopoly, dann, würde ich sagen, sollte man tunlichst mit ihm nichts zu tun haben. Denn das wäre dann eine starke machiavellistische odernarzisstische Persönlichkeit, die man vielleicht besser meiden sollte."

    Serien-Sieger in Monopoly werden nicht zwingend zu Bankdirektoren

    Der Erfolg von Monopoly und sein Faszinosum beruht auf einer Aufstiegserzählung. Im Spiel könnten ja gewisse Dinge, die im Alltag vom "Über-Ich" noch gebändigt würden, ausgelebt werden. "Das hat die entlastende Wirkung von Spielen." Niemand, so Strouhal, schreibe ja auf seinen Grabstein, dass er zwei Villen, sieben Wohnungen besessen und mehrere Kreuzfahrten im Leben gemacht habe, sondern die meisten würden da doch lieber über sich lesen, sie seien ein netter Kerl und irgendwie auch großzügig gewesen. In agonalen – sprich auf den Wettkampf ausgerichteten – Spielen aber muss man nicht der nette Kerl sein. Strouhal sagt es so: "Jedes agonale Spiel funktioniert mit einem gewissen, von Spielregeln gebändigten Maß an Grausamkeit, die man – aus gutem Grund – im Leben vermeidet. Das Leben wäre schrecklich, wenn es wie ein Spiel funktioniert. Aber wenn wir miteinander Schach spielen und Sie sagen, Sie wollen mich nicht mattsetzen, dann sind Sie entweder unglaubwürdig oder unhöflich. Sie müssen so höflich sein und gewinnen wollen." Beziehungsweise, alle pleitegehen sehen wollen.

    Vom Spiel-Charakter auf die monetären Manieren im Leben zu schließen, ist jedenfalls nicht zwingend. Dass der große Bruder zwar früher immer gewann, deshalb später aber die kleine Schwester doch gerne anpumpt, wenn Ebbe im Portemonnaie droht, ist in vielen Familien längst Legende. Bankdirektoren unter den Monopoly-Serien-Siegern gibt es jedenfalls wenige im direkten Umfeld. Bei der FDP ist auch niemand. Andererseits: Repräsentativ ist das natürlich nicht. 

    Monopoly wurde erfolgreich, doch Lizzie Magie Phillips wurde nicht reich

    Jedenfalls aber hat die kindliche Wirklichkeit ihre ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten. Denn, und das sind schöne Erinnerungen an lange durchregnete Ferientage, ist das beste am Monopoly doch die kollektive Regel-Überschreitung. Wenn nach ewigen turbokapitalistischen Runden einfach kollektiv entschieden wurde, dass das Geld in der Bank schlicht zu vermehren sei. 50 neue Scheine sind schnell gebastelt, damit alle noch ein bisschen länger durchhalten. Außerdem konnte man so bei Aufsichtsberechtigten mindestens noch eine Tüte Chips heraushandeln – um den übrigen Großgrundbesitzern dann das frische Geld auch noch abzuzweigen. Umgekehrt soll es auch schon vorgekommen sein, dass ganze Straßenzüge (Hotels inklusive) verschenkt wurden. Nur damit das Spiel noch länger dauert. 

    Lizzie Magie Phillips, wie die Stenotypistin nach ihrer Hochzeit hieß, war jedenfalls kein Glück mit dem Spiel beschieden. Reich wurden andere damit. Es ist alles etwas komplizierter in dieser Frühphase. In aller Kürze war da jedenfalls ein gewisser Charles Darrow, Heizkörper-Vertreter, der das noch nicht durchdesignte und nach heutigen Maßstäben fertig vermarktete Spiel eines Abends in Atlantic City kennenlernte. Er ließ sich die Regeln sagen, erfand die Gestaltung, wie sie heute vielen vertraut ist, und verkaufte schließlich alles an den Spielehersteller Parker Brothers. Das Patent von Phillips wurde damals auch gleich mit aufgekauft. 

    Sie bekam angeblich rund 500 Dollar. Kriegt man hierzulande heute kaum noch einen Quadratmeter für. 

    Wer mehr zu Monopoly lesen möchte dem sei empfohlen:

    • Ernst Strouhal, Manfred Zollinger, Brigitte Felderer (Hrsg.): Spiele der Stadt. Glück, Gewinn und Zeitvertreib. Wien/New York 2012
    • Ernst Strouhal (Hrsg): Agon und Ares. Campus Verlag. Frankfurt/M. 2016
    • Mary Pilon: The Monopolists, Bloomsbury, 2015
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