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Wirecard-Skandal: Verteidiger weisen alle Vorwürfe gegen Ex-Wirecard-Chef zurück

Wirecard-Skandal

Verteidiger weisen alle Vorwürfe gegen Ex-Wirecard-Chef zurück

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    Markus Braun sitzt in Augsburg-Gablingen in U-Haft.
    Markus Braun sitzt in Augsburg-Gablingen in U-Haft. Foto: Fabrizio Bensch, dpa

    Die Expertinnen und Experten der Staatsanwaltschaft München I machen zunächst einmal deutlich, in welch hohem Maße sie schon bisher der Wirecard-Skandal gefordert hat. Im Vergleich zu früheren Wirtschafts-Großverfahren seien die Ermittlungen um den einstigen Online-Zahlungsdienstabwickler aus Aschheim bei München „außerordentlich schwierig und umfangreich“ gewesen. Schließlich beziehen sich die Vorwürfe um das insolvente Unternehmen auf viele Jahre und spielen überwiegend im Ausland.

    Wo ist Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek?

    Für die Ermittlungen wurde beim Polizei-Präsidium München die Sonderkommission „Treuhänder“ eingerichtet, die aus bis zu 16 in Wirtschaftsstrafverfahren erfahrenen Spezialistinnen und Spezialisten bestand. Hinzu kamen weitere Beamtinnen und Beamte, die sich auf Finanzermittlungen konzentrierten und Zielfahnder, die bisher vergeblich versucht haben, mit Jan Marsalek die einst rechte Hand von Markus Braun aufzuspüren. Bis heute ist unklar, wo der am Dienstag 42 Jahre alt werdende einst umtriebige Vorstand der Wirecard AG steckt. Ist Marsalek in Russland, in Dubai oder gar tot? Er gilt als Schlüsselfigur in dem Skandal, in dem Wirecard selbst einräumen musste, dass ein vom Unternehmen vorgegaukeltes Guthaben von über 1,9 Milliarden Euro „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht existiert“.

    Etwa ein Viertel der Bilanzsumme wäre damit eine reine Luftnummer. Die Staatsanwaltschaft München I wirft daher Braun und zwei weiteren Männern die Manipulation des Wirecard-Börsenkurses, Veruntreuung von Konzernvermögen, Bilanzfälschung und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Dabei dauert die Fahndung gegen „das Bandenmitglied M.“, also Marsalek an. Der geflüchtete Manager gehört nicht zu den bislang drei in München angeklagten früheren Wirecard-Verantwortlichen. Das ist ein Umstand, der für die Verteidigung von Braun wesentlich ist.

    In einem Statement der juristischen Fürsprecher des früheren Wirecard-Chefs, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Die Staatsanwaltschaft hat sich ganz offensichtlich, nachdem sich Marsalek der Justiz durch Flucht entzogen hat, bei ihren Ermittlungen und auch in ihren öffentlichen Verlautbarungen viel zu früh auf die Täterschaft von Dr. Markus Braun festgelegt und damit den öffentlichen Eindruck zu erwecken versucht, der Fall sei quasi gelöst.“ Dabei erhebt die Verteidigung weitere schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörde: „Die Anklage geht von einem falschen Tatbild aus und leidet unter gravierenden Mängeln.“ So weisen die juristischen Beistände Brauns die gegen ihn erworbenen Vorwürfe „vollumfänglich“ zurück. Was dabei die Verteidigung des 53-Jährigen besonders stört, ist das Festhalten der Staatsanwaltschaft an „einer Bande unter Führung von Braun, die Wirecard mit Scheingeschäften am Kapitalmarkt finanzkräftiger und für Investoren, Banken und Kunden attraktiver erscheinen lassen wollte“.

    "Dr. Braun war nie Teil einer Bande"

    Im weiteren Verfahren wird sich aus Sicht der Verteidigung indes erweisen, dass „Dr. Braun nie Teil einer Bande war, die Millionensummen hinter seinem Rücken veruntreut hat“. Er habe nichts von den Machenschaften der Bande gewusst und nicht von dieser profitiert. So behauptet Brauns Umfeld standhaft: „Von der Existenz dieser Schattenstruktur hat er erst aus den Akten erfahren.“ Braun wäre nach der Lesart also ein Geschädigter des Wirecard-Skandals, zumal er einst größter Einzelaktionär des vorübergehend im Dax notierten Konzerns gewesen ist. Denkt man die Interpretation zu Ende, könnte er als Firmenchef von Marsalek und seinen Mannen hinters Licht geführt worden sein.

    Kommt es zu einem Prozess und der flüchtige Ex-Vorstand ist immer noch nicht festgenommen, wird es interessant. Dann könnte, sagen mit dem Fall vertraute Personen, Braun versuchen, alle Verantwortung für das Wirecard-Debakel auf seinen einstigen Wegbegleiter Marsalek abzuschieben. Kenner des Wirtschaftskrimis gehen einen Schritt weiter und sprechen von einer „Arbeitsteilung zwischen Marsalek und Braun“. Demnach dürfe der Geflüchtete, solange ein Prozess dauert, partout nicht auftauchen. Das hätte den Charme, dass Braun vor Gericht Marsalek schwer beschuldigen könnte, ohne dass dieser in der Lage ist, sich zu wehren.

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