BASF-Chef Martin Brudermüller spricht bevorzugt aus, was er denkt. Geht es um die Windenergie-Branche, nimmt der Chemie-Manager nicht Luft aus dem heißen Thema raus, sondern schaltet seine Kritik-Gebläse an. Zu Zeiten, als Siemens Energy wegen eines verheerenden Zustands der Windenergie-Sparte einen Rekord-Verlust von rund 4,6 Milliarden Euro einfährt und sich Milliarden-Bürgschaften des Staates sichern musste, meldet sich der 62-Jährige zu Wort. Unpatriotisch hält er in Richtung des deutschen Windkraftanlagen-Bauers Siemens Energy fest: „Die Chinesen sind technisch besser als wir, und sie sind auch kostengünstiger als wir.“ BASF, führte er gnadenlos aus, könne das solide einschätzen, baue der Konzern doch nicht nur Windparks in Europa mit europäischen Turbinen, sondern auch in China mit Produkten des Landes. Dann bezieht Brudermüller Stellung zur Debatte, ob Europa nach der Solar- auch die Windkraftindustrie abhandenkommen könne. Sein ernüchternder Befund lautet nach Darstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Ich würde tendenziell sagen: Die ist schon weg.“
Es lässt sich in etwa erahnen, was für Gedanken nach Lektüre der Brudermüller-Betrachtungen durch die Köpfe von Siemens-Energy-Chef Christian Bruch und dessen Aufsichtsrats-Vorsitzenden, dem früheren Siemens-Boss Joe Kaeser, geschwirrt sind. Bruch versucht am Mittwoch in München bei der Vorlage der tiefroten Bilanz seines Hauses, an dem Siemens noch mit 25 Prozent beteiligt ist, Ruhe zu bewahren und sich nicht von dem „sehr kompetenten Kollegen Brudermüller“ zu einem Sturm der Entrüstung verleiten zu lassen. Der Siemens-Energy-Mann, Jahrgang 1970, wählt bei der Veranstaltung in der Münchner Gaszählerwerkstatt, einer sogenannten Event-Location, angemessene Worte für das Mega-Minus-Event: „Das Ergebnis ist eine massive Enttäuschung.“ Wollte er eigentlich schon im Geschäftsjahr 2024 mit dem Windkraft-Geschäft die Schwelle zum Gewinn anstupsen, wird das Ziel zwei weitere Jahre in die Zukunft verfrachtet. Das sei für ihn „extrem schmerzhaft“, räumt Bruch ein. Das alles tut ihm umso mehr weh, weil das rund 70 Prozent des gesamten Umsatzes ausmachende Nicht-Windenergie-Geschäft, darunter auch der Gas-Bereich, gut läuft.
Siemens Energy verbucht so viele Aufträge wie nie zuvor
Warum schafft es das Unternehmen trotz so vieler Aufträge wie noch nie, eben 112 Milliarden Euro, nicht, das dicke Polster in fette Gewinne zu übersetzen, obwohl Windkraft-Anlagen als Eck-Pfeiler der Energiewende gefragt sind? Was läuft derart gründlich schief? Die Windkraft-Sparte von Siemens Energy gleicht einem bunten Problem-Wimmel-Bild: Die Qualität von Anlagen, die an Land installiert wurden, entsprachen zum Teil nicht den Versprechungen, was auch an mangelhaften Zulieferteilen lag. Das Windkraft-Geschäft auf hoher See kämpft nach wie vor mit gestiegenen Produktionskosten und Anlaufschwierigkeiten. Auch die lange hohe Inflation und die in der Folge gestiegenen Zinsen belasteten das Geschäft. Die Branche zahlt in Europa den Tribut für rasantes und von der Politik gefordertes Wachstum in den vergangenen Jahren. Bruch spricht von „Wachstumsschmerzen“. Es seien viel zu schnell neue Produkte eingeführt worden. In der Folge hätten Zulieferer nicht entsprechend mithalten können.
Windkraft als Eck-Pfeiler der Energiewende gefragt
Besonders setzen dem Wirtschaftszweig die „dramatisch eingebrochenen Preise“ und die von ihrem asiatischen Heimatland offensiv unterstützen chinesischen Wettbewerber zu. Nach dem anfänglichen Windkraft-Boom in Europa trat plötzlich eine Flaute ein. Fabriken sind nicht mehr ausgelastet. Daher wünscht sich die Industrie mehr Planbarkeit und schaut mit großen Augen auf die Politik, ob in Brüssel oder in den Heimatländern. Die EU ist gewillt, die Windenergie-Unternehmen zu unterstützen, denn ohne erneuerbaren Strom funktioniert der „Grüne Deal“, erster klimaneutraler Kontinent zu werden und bis 2050 netto keine Treibhausgase mehr auszustoßen, nicht. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz und sein grüner Wirtschaftsminister und Industrie-Versteher Robert Habeck überlassen Siemens Energy derweil nicht dem freien Spiel der Märkte, die sich zu einem Sturm aufblasen können. Sie sichern das deutsche Energiewende-Unternehmen mit einer Bürgschaft von 7,5 Milliarden Euro erst einmal ab. Bruch wirkt erleichtert: „Ich möchte mich ausdrücklich bei der Bundesregierung bedanken. Das ist eine gute Einigung.“ Die Steuerzahler würden durch die Bürgschaften, die nach der Definition der EU keine Subventionen seien, nicht belastet. Diese Feststellung ist Bruch nach den aufgeregten Diskussionen in den vergangenen Tagen wichtig. In Richtung Scholz und Habeck versichert der Siemens-Energy-Manager noch: „Wir glauben an die Windkraft.“ Und er beteuert: „Wir müssen unsere Probleme lösen.“ Das allerdings könnte noch länger dauern, wie auch Bruch einräumt.