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Sexuelle Gewalt: MeToo erreicht Chinas Wirtschaft

Sexuelle Gewalt

MeToo erreicht Chinas Wirtschaft

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    Eine ehemalige Mitarbeiterin von Alibaba erhebt schwere Vorwürfe gegen einen Manager.
    Eine ehemalige Mitarbeiterin von Alibaba erhebt schwere Vorwürfe gegen einen Manager. Foto: Andy Wong, dpa

    Im Sommer sorgte ein #MeToo-Fall beim Internetriesen Alibaba für eine längst überfällige Debatte über sexuelle Übergriffe in chinesischen Firmen. Nun landet die Causa erneut in den Schlagzeilen: Das mutmaßliche Opfer wurde von ihrem Arbeitgeber entlassen.

    Ein Rückblick: Die Frau, in den Gerichtsakten nur mit ihrem Nachnamen Zhou identifiziert wird, soll laut eigener Aussage während einer Geschäftsreise Ende Juli von ihren Vorgesetzten und Geschäftspartnern zu exzessivem Alkoholkonsum bis zur Bewusstlosigkeit gedrängt worden sein. Ihre Erinnerungen an die folgende Nacht sind nur schemenhaft, doch legen ein schweres Verbrechen nahe: Als die Chinesin in ihrem Hotelbett in der Stadt Jinan aufwachte, soll sich ihr Chef über sie gedrängt haben. Am nächsten Morgen waren ihre Kleidungsstücke wild im Raum verteilt, nur ihre Unterwäsche nicht mehr auffindbar.

    Tennisspielerin Peng Shuai hatte Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht.
    Tennisspielerin Peng Shuai hatte Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Foto: Mark Schiefelbein, AP/dpa

    MeToo in China: Alibaba-Vorstand kündigte restlose Aufklärung an

    Doch vor allem, was nach der eigentlichen Tat passierte, löste unter vielen Chinesinnen eine Welle der Solidarität aus: Mehrmals versuchte das mutmaßliche Opfer, die Anschuldigungen auf internem Wege innerhalb des Unternehmens vorzubringen, doch wurde stets abgewiesen. Schlussendlich entschloss sich die Frau, ihre Erlebnisse auf dem firmeneigenen Intranet für tausende Mitarbeiter sichtbar zu posten. Im patriarchalen China ist dies ein bis dahin einmaliger Schritt.

    Über 6000 Angestellte von Alibaba unterzeichneten innerhalb weniger Tage eine Petition, in der sie unter anderem restlose Aufklärung forderten. Eine rasche Antwort der Firmenleitung folgte prompt: Alibaba-Vorstand Daniel Zhang zeigte sich in einem offenen Brief „wütend, schockiert und beschämt“, kündigte restlose Aufklärung an und feuerte den mutmaßlichen Vergewaltiger. Umso mehr überrascht nun, dass die Klägerin selbst ebenfalls gekündigt wurde.

    Vorwurf der Vergewaltigung als Schaden für das Unternehmen

    In einer Stellungnahme von Alibaba wird sie der Falschaussage und Rufschädigung bezichtigt. Das Unternehmen bezieht sich dabei vor allem auf den Vorwurf der Vergewaltigung. Weiter heißt es: „Der Schaden, der dem Unternehmen (…) zugefügt wurde, ist unkalkulierbar.“ Fakt ist: Der angeklagte Vorgesetzte wurde vom Gericht freigesprochen, da ihm aus rechtlicher Sicht keine Vergewaltigung nachgewiesen werden konnte. Gleichzeitig jedoch hielt die Polizei fest, dass Frau Zhou sehr wohl sexuell belästigt wurde. Nach jetzigem Wissensstand bleibt die Causa höchst ambivalent.

    Wenig überraschend hat der Fall nun wiederholt eine heftige Kontroverse im Internet ausgelöst. „Ich finde es äußerst beängstigend, die eigene Position als Frau zu nutzen, um nach Belieben falsche Geschichten zu erfinden und anderen eine Falle zu stellen“, schreibt ein Nutzer auf der Online-Plattform Weibo. Doch gleichzeitig halten ebenfalls viele Chinesen weiterhin zu der Anklägerin: „Wie kann so ein Verhalten eines Vorgesetzten nicht ausreichen, um ein Verbrechen darzustellen? Was ist das für eine Welt?“.

    MeToo in China: Zensoren dulden die Debatte

    Frau Zhou selbst hat in einem schriftlichen Interview mit der Zeitung Dahe Daily erklärt, dass sie der Fall psychisch stark mitgenommen habe. Sie schreibt von Depressionen und Suizidversuchen. Sie werde laut eigener Aussage ihre Kündigung nicht hinnehmen und rechtlich dagegen vorgehen: „Die Firma hat kein Recht mich zu feuern“.

    Bemerkenswert ist die Debatte vor allem deshalb, weil sie von den Zensoren des Landes weitestgehend geduldet wird. Entsprechende Hashtags haben auf den sozialen Medien des Landes hunderte Millionen Klicks generiert. Als erst vor wenigen Wochen die Tennisspielerin Peng Shuai dem ehemaligen Vize-Premier Zhang Gaoli der Vergewaltigung bezichtigte, verhängte das Propagandaministerium einen Maulkorb rund um den Fall. Bis heute sind sämtliche Spuren über die Anschuldigungen der Athletin aus dem Internet gelöscht, die allermeisten Chinesen haben nichts darüber mitbekommen.

    Dass erstmals ein hochrangiger Politiker öffentlich von einem Missbrauchsopfer angeklagt wird, will die Regierung mit allen Anstrengungen unter den Teppich kehren. Zu brisant sind die Anschuldigungen für die Führung der Kommunistischen Partei.

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