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Schweinefleisch: Schweinefleisch-Krise spitzt sich zu: Staat hilft Landwirten

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Schweinefleisch-Krise spitzt sich zu: Staat hilft Landwirten

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    Die Landwirte Lena und Martin Zimmermann aus Gablingen bei Augsburg sind von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise nicht betroffen und erklären, warum.
    Die Landwirte Lena und Martin Zimmermann aus Gablingen bei Augsburg sind von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise nicht betroffen und erklären, warum. Foto: Oliver Wolff

    Lena Zimmermann und ihr Mann Martin können ruhig schlafen. Das junge Bauern-Ehepaar aus Gablingen bei Augsburg hält etwa 300 Tiere, davon etwa 130 Schweine. Vom extremen Verfall der Erzeugerpreise für Schweinefleisch merken die Zimmermanns auf ihrem Hof nichts. Das liegt daran, dass sie als Direktvermarkter ein anderes Geschäftsmodell haben als die meisten anderen Landwirte. „Wir sind total unabhängig von den Märkten und können unsere Preise zusammen mit unseren Partnern selbst bestimmen“, sagt die 25-jährige Landwirtin.

    Die Erzeugerpreise für Schweinefleisch sind seit Mitte März vergangen Jahres stetig gefallen. Das geht aus einer Statistik des Deutschen Bauernverbands hervor. Hat ein Landwirt im März 2020 für Mastschweine knapp über zwei Euro pro Kilo Schlachtgewicht bekommen, war der Preis für selbiges zuletzt nur noch bei unter 1,20 Euro. Ein Preisverfall von über 40 Prozent innerhalb nicht einmal eines Jahres.

    Erzeugerpreise für Schweinefleisch fallen stark - auch wegen Corona

    Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, erklärt, die extrem gesunkenen Erzeugerpreise haben mehrere Gründe. Die Deutschen essen derzeit weniger Schweinefleisch als noch vor der Corona-Krise. Zum einen gebe es eine allgemeine Verlagerung auf der Seite des Verbrauchers. „Kunden können nur noch in den Geschäften und Metzgereien Schweinefleisch kaufen.“ Auf der anderen Seite seien Gaststätten und Volksfest-Wirte wegen des Lockdowns als Abnehmer größerer Mengen ausgefallen, sagt Hämmerling.

    Die Corona-Krise ist auch eine Schweine-Krise. Die Erzeugerpreise sind binnen elf Monate extrem gefallen, die Landwirte finden keine Abnehmer. Die Schweine wachsen immer weiter, in den schon vorher vollen Ställen wird es zunehmend enger.
    Die Corona-Krise ist auch eine Schweine-Krise. Die Erzeugerpreise sind binnen elf Monate extrem gefallen, die Landwirte finden keine Abnehmer. Die Schweine wachsen immer weiter, in den schon vorher vollen Ställen wird es zunehmend enger. Foto: Sina Schuldt, dpa (Archiv)

    Aber nicht nur die Corona-Krise mit den beiden Lockdowns drückt den Preis: Im September 2020 ist zum ersten Mal die Afrikanische Schweinepest in Deutschland bei Wildschweinen nachgewiesen worden. China verhängte sofort einen Importstopp. Schweineohren oder Pfoten gelten in China als Delikatesse. Die ohnehin bereits niedrigen Erzeugerpreise für Schweinefleisch sind wegen des ausgefallenen Absatzmarktes sprunghaft um weitere 20 Cent gesunken. Zu diesem Zeitpunkt kostete das Kilo etwa noch 1,30 Euro.

    Etwa 600.000 Schweine stehen derzeit bundesweit auf der Warteliste der Schlachthöfe. Auch die Folgen der Corona-Ausbrüche in großen Schlachtbetrieben wie etwa bei der Tönnies-Gruppe sind immer noch zu spüren. Weil dort über Wochen kein Fleisch verarbeitet werden konnte, haben Bauern für ihre Mastschweine keinen Abnehmer gefunden, was wiederum für fallende Preise gesorgt hat. Der Stau hält weiter an. „Jeden Tag verlieren Landwirte Geld, weil sie ausgewachsene Schweine weiter füttern müssen“, sagt Hemmerling.

    Schweine werden immer größer und brauchen immer mehr Futter

    So wie Reinhard Herb aus Sielenbach im Landkreis Aichach-Friedberg. Er hält 1500 Schweine und sagt: „Der Platz in den Ställen reicht langsam nicht mehr aus.“ Die Schweine werden immer größer und brauchen immer mehr Futter. Aber auch der Nachwuchs komme weiterhin zur Welt. „Bei uns kann man nicht einfach wie in einer Fabrik den Schalter umlegen und alles ist abgestellt.“

    Um Landwirten wie Reinhard Herb zu helfen, hat die Bundesregierung kürzlich die dritte Corona-Überbrückungshilfe auch für landwirtschaftliche Nutztierhalter ermöglicht. Die finanzielle Unterstützung vom Staat gilt für Unternehmen, die zwischen November 2020 und Juni 2021 coronabedingt Umsatzeinbußen von mindestens 30 Prozent verzeichnen.

    Sie erhalten Zuschüsse für ihre Fixkosten zwischen 40 und 90 Prozent – je nachdem, wie hoch der Umsatzeinbruch ist. Futter- und Tierarztkosten zählen im Falle der Landwirte zu den Fixkosten. Aber bei den Bauern wie auch bei anderen Unternehmern gilt: Für die Höhe des staatlichen Zuschusses zählt als Referenz derselbe Monat im Jahr 2019. Hat ein Landwirt damals investiert und keinen oder nur wenig Umsatz gemacht, geht er bei der Überbrückungshilfe III wahrscheinlich leer aus.

    Kritik vom Bauernverband: Viele Landwirte gehen bei den Corona-Hilfen leer aus

    Hemmerling kritisiert die aus seiner Sicht teils nicht nachvollziehbaren Hürden für den Zuschuss. Es gebe zu viele Ausschlusskriterien. Aktuell können nur Bauern, die Nutztiere halten, Hilfe beantragen. „Wenn ein Landwirt Urlaub auf dem Bauernhof anbietet, dann kriegt er in der Regel keine Hilfe. Aber ein reiner Ferienbetrieb bekommt sie, das ist ungerecht.“

    Profitieren also nur die großen Agrar-Betriebe von der Überbrückungshilfe? Nein, sagt Hemmerling. Zum Beispiel erhalte ein kleiner Familienbetrieb mit 40 Hektar Fläche und reiner Sauenhaltung Hilfe und ein Großbetrieb, der im größeren Umfang Ackerbau betreibt, bekomme kein Geld.

    Die Zimmermanns aus Gablingen sind nicht zuschussberechtigt. Sie brauchen aber auch keine Hilfe, sagen sie. Die beiden Landwirte verkaufen ihre Erzeugnisse zum Großteil im eigenen Hofladen. Und das Geschäft läuft richtig gut. Lena Zimmermann sagt: „Unsere Kunden schätzen, dass sie vor Ort überprüfen können, wo das Fleisch herkommt und wie die Tiere gehalten werden.“

    Wenn Schweinefilet im Hofladen schon samstags um neun Uhr ausverkauft ist, nehmen ihr das die Kunden, die zu spät kommen, nicht krumm, sagt Zimmermann. Sie sehe den Trend hin zu mehr Regionalität und zu bewussterem Lebensmittelkonsum. Seit Beginn der Corona-Krise haben die Zimmermanns einen Kundenzuwachs zu verzeichnen – und das, obwohl sie mit Dumpingpreisen in Supermärkten und Discountern nicht konkurrieren können. „Bei uns kostet das Fleisch natürlich mehr, aber viele unserer Kunden sagen, dass sie dafür weniger Fleisch kaufen.“ Die Branche müsse sich langfristig umstellen.

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