Ein Billionenpaket für Infrastruktur und Verteidigung hat der Bundestag in dieser Woche auf den Weg gebracht. Aber reicht das Geld allein, um die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu katapultieren? Muss auch an Strukturen gearbeitet werden? An Bürokratie und Bildung? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten Schwäbischen Wirtschaftsgipfels der Augsburger Allgemeinen waren sich einig, dass die Arbeit nach dem Beschluss des Parlamentes erst beginnt.
Marc Lucassen, IHK Schwaben: „Wir brauchen jetzt eine richtige Zeitenwende und keine Klientelpolitik“

Was wir jetzt brauchen, ist eine wirkliche Zeitenwende. Und das heißt, dass wir alle damit leben müssen, den Gürtel enger zu schnellen. Das heißt aber auch, dass eine Klientelpolitik nicht in die Zeit passt. Was meine ich damit? Wenn die Parteien, die die neue Regierung stellen, jetzt so viele neue Schulden machen und dann überlegen, zum Beispiel die Subventionen für Agrardiesel wieder einzuführen oder – auf der anderen Seite – den Mindestlohn anzuheben, dann sind das Geldgeschenke für eine bestimmte Gruppe. Das passt nicht mehr in die Zeit. Wir müssen wirklich überlegen, wofür geben wir unser Geld aus? Warum bauen wir zum Beispiel für die Stromtrasse von Norden nach Süden Erdkabel, die um vieles teurer sind und weniger lange halten? Nur weil die Strommasten nicht in die Landschaft passen? All das sind Dinge, die passen nicht in die Zeit. Sie zeigen aber auch, dass es jetzt eine Chance gibt. Nämlich die Chance für richtige Reformen auf sehr vielen Ebenen.
Ulrich Wagner, HWK für Schwaben: „Wir brauchen Investitionen in die Mittelschulen“

Wir haben im Handwerk das Glück, dass wir von der Krise noch nicht so stark getroffen sind, wie zum Beispiel die Industrie. Etwa 80 Prozent der Handwerksbetriebe im Schwaben sind noch zufrieden. Aber wir sehen trotzdem Handlungsbedarf, und zwar wenn es um das Bildungssystem geht. Viel zu lange haben alle nur auf die Hochschulen geschaut und dabei andere Bereiche vernachlässigt. In die Schullandschaft ist viel zu wenig investiert worden. Wir brauchen dringend Investitionen in die Mittelschulen. Viele Jugendliche, die später als Azubis ins Handwerk gehen, sind zuvor an Mittelschulen. Die Lehrerinnen und Lehrer dort leisten sehr viel. Aber die Mittelschulen sind das Stiefkind der Bildungspolitik. Da muss etwas passieren. Eine andere Baustelle sind die zwei bis drei Millionen Jugendlichen, im Land, die gar keinen Abschluss haben und auch keine Ausbildung. Für sie tun wir zu wenig. Ja, wir brauchen Fachkräftezuwanderung, aber wir müssen auch die Potenziale heben, die wir schon haben.
Eva Weber, Oberbürgermeisterin von Augsburg: „Es ist an der Zeit, den Menschen zu sagen: Ihr könnt uns vertrauen“

Ich hoffe sehr, dass aus dem Sondervermögen für die Infrastruktur auch die Kommunen Mittel bekommen, um genau diese zu stärken. Wie könnte das gehen? Ich hoffe nicht, dass es nur Förderprogramme gibt, bei denen entweder hohe Hürden genommen werden müssen, um sie zu bekommen oder die Kommunen selbst viel Geld zuzahlen müssen. Ich hoffe, es läuft pragmatischer ab. Wir Kommunen stehen vor der Herausforderung, dass wir Schulen, Kitas, Brücken sanieren müssen. Wir haben in Augsburg alleine 70 Schulen mit 120 Schulgebäuden, für die die Stadt zuständig ist. Wenn wir die alle in Schuss bringen würden, würde das alleine zwei Milliarden Euro kosten. Deshalb hoffe ich sehr, dass sich mit dem neuen Sondervermögen etwas tut. Die Themen sind nicht neu, wir Kommunen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir Geld brauchen. Und da geht es um mehr als um funktionierende Schultoiletten. Das geht es viel mehr um die Frage: Vertrauen die Menschen noch auf den Staat? Schafft er es, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern? Wenn die Mittel bei den Kommunen ankämen und wir die Infrastruktur verbessern könnten, dann wäre das ein Signal. Denn es ist an der Zeit, den Menschen zu sagen: Ihr könnt uns vertrauen!

Ramona Meinzer, Geschäftsführerin von Aumüller Aumatic: „Wir müssen nicht alles zu 120 regulieren, 80 Prozent reichen doch!“

Ich komme aus dem Mittelstand. Der Mittelstand wird häufig unterschätzt, dabei ist er das Rückgrat unserer Wirtschaft. Er steht für rund 60 Prozent der Arbeitsplätze im Land. Wir gehen die Dinge sehr pragmatisch an. Drei Dinge müssen jetzt im Land geschehen. Erstens ein Bürokratieabbau. Warum trauen wir uns nicht, Dinge wegzulassen? Im Jahr 2010 gab es weniger Richtlinien, zum Beispiel noch keine Whistle-Blower-Richtlinie, die mit viel Aufwand umgesetzt werden muss. Trotzdem sind damals keine Dächer eingestürzt. Wir müssen nicht alles zu 120 Prozent regulieren, 80 Prozent reichen doch. Wir müssen uns auch trauen, Dinge wegzulassen. Zweitens müssen wir Arbeit flexibilisieren. Sehr viele Leute würden gerne an einem Tag mehr arbeiten, am anderen Tag dafür weniger. Es sind Erwachsene! Warum muss ich ihnen hinterherlaufen und sie nach 10 Stunden nach Hause schicken? Drittens brauchen wir Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Ich zahle gerne Steuern, wenn das Geld sinnvoll verwendet wird, für Dinge, die uns allen nutzen.
Ulrich Scheib, Vorstandsvorsitzender MT Aerospace: „Wir müssen mehr Freiräume für unsere schlauen Köpfe schaffen“

Unser Unternehmen ist ein großer Zulieferer für die Ariane 6-Rakete. Wir haben auch die Rocket Factory gegründet, ein Unternehmen, das kleine Raketen, sogenannte Micro Launcher baut. Wir haben uns gefragt: Wo gründen wir die Firma? In München? In Berlin? Wir haben es in Augsburg gemacht. Es gibt hier einen perfekten Mix aus einer attraktiven Umgebung, Kompetenz und einem sinnvollen Preis-Leistungs-Verhältnis. Damit haben wir Absolventinnen und Absolventen selbst von US-Eliteuniversitäten angelockt. Europa und Deutschland haben große Strahlkraft und eine tolle Lebensqualität. Was aber muss in den nächsten Jahren passieren? In der Sprache des Fußballs: Geld allein schießt keine Tore. Geld allein schafft keine Innovation. Wir brauchen ein Spielsystem, es müssen strategische Entscheidungen fallen. Unser Spielsystem ist derzeit viel zu verkopft. Wir müssen mehr Freiräume schaffen, damit unsere schlauen Köpfe ihre Innovationskraft aufs Tableau bringen können.
Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender, MAN Energy Solutions: „Warum rennen uns die großen Unternehmen weg?“

Rund 50 Prozent des Welthandels werden mit unseren Schiffsmotoren betrieben. Als wir 2019 in die Krise geschlittert sind, mussten wir Rudolf Diesel neu erfinden, das geht nur mit Innovation. Blickt man heute auf unser Portfolio, werden 80 Prozent unserer Motoren mit Erdgas oder umweltfreundlichen Treibstoffen wie Methanol oder Ammoniak betrieben, das können asiatische Hersteller nicht. Solange im Land aber der Bürokratismus nicht abgebaut wird, verharrt die Wirtschaft weiter im Stillstand. Ein Beispiel: MAN Energy Solutions stellt Anlagen zur CO2-Abscheidung vor, damit das Klimagas nicht in die Atmosphäre gelangt. In den USA brauchten wir für die Projektierung einer Anlage drei Monate. In Deutschland dagegen wäre das Projekt nicht möglich, weil wir die Technologie immer noch verbieten. Uns ging es im Land lange Zeit zu gut. Wir müssen in Zukunft zuerst überlegen: Was braucht die Wirtschaft? Warum rennen uns die großen Unternehmen weg?
Norbert Peer, Managing Director Premium AEROTEC (Geschäftsbereich der Airbus GmbH): „Den Mut haben, in Europa zu bleiben“

Man muss seine Herkunft kennen, um zu wissen, wo es hingehen soll. Es ist zu einem guten Teil dem früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zu verdanken, dass die Luftfahrtindustrie heute im Freistaat so stark ist. Er hatte eine Vision und den Mut, diese umzusetzen. So hat er sich stark für Airbus engagiert und das europäische Unternehmen vorangetrieben. Heute müssen wir neuen Mut haben! Wir haben den Mut, in Europa zu bleiben. Mit China erwächst ein starker Wettbewerber auch in der Luftfahrtindustrie. Deshalb müssen wir hierzulande noch stärker in Innovation und vor allem auch in Automatisierung gehen. Die Auftragsbücher von Airbus sind mit weit über 8000 Einheiten gut gefüllt. Damit ist unsere Produktion für rund zehn Jahre ausgelastet. Wir dürfen aber nicht selbstgefällig werden, denn auch ein chinesischer Flugzeughersteller hat inzwischen bereits für viele Jahre Aufträge. Wir stehen vor der Transformation zum klimaneutralen Fliegen. Wir müssen dort Innovationen einbringen, wo unsere Stärken liegen. Hier muss uns die Politik helfen. Es ist gut, dass inzwischen die strategische Relevanz der Luftfahrtindustrie erkannt wird, lange standen wir in Deutschland im Schatten der Autoindustrie.
Theo Waigel, früherer Bundesfinanzminister: „Man darf Verteidigung und Soziales nicht gegeneinander ausspielen“

Wir brauchen einen Policy-Mix, um das Land in Form zu bekommen. In den 90er Jahren haben wir zum Beispiel 4 bis 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die deutsche Einheit ausgegeben. Erst haben wir Einsparungen vorgenommen, dann Umschichtungen, dann Gebührenerhöhungen. Warum sollte man heute nicht eine Infrastrukturabgabe einführen? Die gescheiterte Autobahnmaut der Merkel-Regierung war zwar suboptimal aufgestellt worden. Ich bin aber überzeugt, dass 90 Prozent der Bürger eine Abgabe akzeptieren würden, die wirklich der Umwelt und der Infrastruktur zugutekommt.
Ich denke, man muss den Bürgern ehrlich sagen: Auf Euch kommen Opfer zu. In den 50er Jahren ist für den Aufbau der Bundeswehr ein Drittel des Bundeshaushalts aufgewendet worden, die sozialen Probleme waren damals sicher nicht geringer. Man darf Verteidigung und Soziales nicht gegeneinander ausspielen. Es gilt, Prioritäten zu setzen.
Ich bin 85, bald 86 - und heute noch aktiv im Arbeitsleben. Es komme mir niemand, der sagt, dass bei 120 Milliarden Euro Zuschuss aus dem Bundeshaushalt für die Rente keine Einsparung möglich wäre. Es komme mir niemand, der sagt, dass es nicht möglich ist, auf einen Feiertag zu verzichten.
Die Welt ist im Umbruch. Deshalb zwei Dinge, die getan werden sollten. Erstens: Vor 70 Jahren ist im französischen Parlament - in der Assemblée nationale - die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gescheitert. Es waren 70 Jahre vertane Zeit. Es wäre Zeit, eine EVG 2 zu etablieren, zumindest in der Beschaffung. Zweiten: Es ist höchste Zeit für eine wirkliche Kapitalmarktunion in Europa, um einen Kapitalmarkt zu schaffen, der es mit den USA aufnimmt.
Umso wichtiger ist es, die regionale Wirtschaft und das regionale Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Den 101-jährigen Autor Ernst Jünger hatte ich einmal gefragt, was er der jungen Generation auf den Weg geben würde. „Zuversicht“, sagt er. „Es ist besser, in Zuversicht als in Furcht zu leben.“

Die verlorene Zeit der letzten 25 Jahre ist nicht aufzuholen, denn es fehlen auch kompetente Fachleute, die Dinge Umsetzen und ein Unternehmer-Gen besitzen. Sehr viele haben das Land verlassen, denn die Bedingungen und die Geschäftsgrundlage wurde durch eine Unternehmer feindliche Politik zerstört. Frau Merkel setzte sich in das Deutschland-Auto ohne Führerschein, Scholz fuhr es im 1.Gang mit Fahrlehrer und Merz wird es mit Beifahrer gegen die Wand fahren und noch vor Ende der Legislaturperiode seinen Führerschein wegen Trunkenheit verlieren. Man muss leider feststellen, dass es mittlerweile schon 59 nach ZWÖLF ist und eine Aufholjagd gegenüber anderen Ländern sehr schwer sein wird. Mit Goldmedaillen für Deutschland kann in den nächsten 10-15 Jahren nicht gerechnet werden.
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