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Schuldenkrise: Wege aus der Euro-Defensive

Schuldenkrise

Wege aus der Euro-Defensive

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    Im Leben kommt es oft auf die richtige Taktik an. Was die europäische Schuldenkrise betrifft, fehlt es noch an einer wirkungsvollen Strategie. Vielleicht kann man Anleihen aus der Welt des Sports nehmen. Unser Fußball-Experte versucht es.
    Im Leben kommt es oft auf die richtige Taktik an. Was die europäische Schuldenkrise betrifft, fehlt es noch an einer wirkungsvollen Strategie. Vielleicht kann man Anleihen aus der Welt des Sports nehmen. Unser Fußball-Experte versucht es. Foto: Foto: Fotolia

    Augsburg Die Euro-Welt ist kompliziert. Mit reiner Ökonomie kommt man dem Chaos nicht mehr bei. Viele verstehen nicht, warum ein unbelehrbares Schuldenland wie Griechenland nicht aus dem Euro ausgeschlossen werden und zu der alten Währung Drachme zurückkehren kann.

    Eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel bringt das ganze Schlamassel auf den Punkt: „Der Lissabon-Vertrag sieht ohne ein Ausscheiden aus der Europäischen Union kein Ausscheiden aus der Euro-Zone vor.“ Oder ganz direkt formuliert: Die Griechen steigen nur aus der Euro-Liga ab, wenn sie das auch wollen. Angesichts dieser fast aussichtslos erscheinenden Lage ist auch die Wirtschaftsredaktion erst einmal mit ihrem Latein am Ende. Wir geben jedoch so schnell nicht auf und spielen den Ball an unsere Sportredaktion weiter.

    Der Fußball ist ein Spiegelbild des Lebens Was draußen stattfindet, gibt es auch hier. Ein bisschen kleiner, ein wenig übersichtlicher. Was für die Idee des Spiels zutrifft, gilt noch mehr für die Bundesliga. Jenes Modell, das Vorbild für viele andere Ligen ist und auch beispielgebend für das Zusammenspiel der 17 Euro-Staaten sein könnte.

    Dabei sein ist alles Jeder will rein. Trotzdem spielen nur 18 Vereine in der Bundesliga. Eine Zahl, die sich bewährt hat. Die Engländer operieren mit 20 Klubs. Je größer die Anzahl, umso stärker das Gefälle zwischen Arm und Reich. Es ist nicht für alle in gleichem Umfang Kuchen da, obwohl es sich angesichts der zuverlässig niedergehenden Millionen aus TV-Geldern gut leben lässt.

    Keine Sportart wird vom Fernsehen so verwöhnt wie der Fußball. Im Übrigen aber ist die Bundesliga ein Wirtschaftsraum, geprägt von knallharter Konkurrenz, in dem jeder gerne der Größte sein will und doch auch auf die Kleinen angewiesen ist. Deshalb hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) bei der Verteilung der Fernsehgelder einen Solidaritätsausgleich eingebaut, der zumindest ein wenig an die Hilfen für schwächere Euro-Länder erinnert.

    So würde es in der Fußballwelt selbst dem FC Bayern nicht gefallen, stünde er schon vor jedem Spiel als Sieger fest. Die Langeweile wäre nicht zu ertragen. Eine Zeit lang dachte die Bundesliga daran, nur noch 16 Klubs aufzunehmen, um den Wettbewerb zu verschärfen.

    In der EU ging die Diskussion immer in die andere Richtung. Dort spielen in der Europäischen Union 27 Teams, davon gehören 17 der Euro-Liga an. Eine Zahl, gegen die politisch nichts zu sagen ist, die sich im Augenblick wirtschaftlich aber nicht bewährt. Zu viele, die sich in die eigenen Taschen lügen oder nicht rechnen wollen. Aber auch hier will jeder dabei sein. Unter den Auserwählten zu sein, verspricht Chancen auf Handel und Wachstum. Nicht alle bringen aber dafür die Voraussetzungen mit.

    Nicht jeder, der mitspielen will, darf das auch. Wer in die Bundesliga strebt, muss sich sportlich qualifizieren. Es genügt nicht, wenn der Interessent gute Beziehungen zu anderen Präsidenten pflegt. In der EU sind gute Beziehungen alles. Dazu kommen politische Großwetterlagen und alte Völkerfreundschaften – schon ist man EU-Mitglied. Die Bundesliga schaut genau hin. Wer in die Bundesliga will, muss seine Bücher offenlegen.

    Lizenzierungsverfahren Von den einen geschätzt, von anderen gefürchtet. Das Lizenzierungsverfahren im deutschen Fußball läuft im Frühjahr und gilt als eines der besten der Welt. „Der wichtigste Ansatz lautet“, erklärt der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, Christian Seifert, „nicht mehr auszugeben, als man hat.“ Auf dem Hintergrund der europäischen Schuldenkrise bekommt dieser Satz einen besonderen Klang.

    Die Vereine Sie sollen nachweisen, dass sie die jeweils bevorstehende Saison überstehen. Gelingt das nicht, droht der Ausschluss. Vereinen, die ihre Lizenz nur unter Auflagen erhalten haben, müssen im Herbst noch einmal die Hosen herunterlassen. Es drohen weitere Auflagen bis zu Punktabzügen für die laufende Saison. Die belasten nicht das Konto, machen aber Beine.

    Die Resultate Noch nie musste ein Bundesliga-Klub während der Saison aufgeben. Einzig Dynamo Dresden wurde die Lizenz für die folgende Saison verweigert. Das Prinzip der Euro-Gemeinschaft lautet dagegen: Wer einmal drin ist, bleibt drin. Als Auserwählter kann er so ziemlich tun und lassen, was er will. Verstöße gegen die Euro-Kriterien bleiben ohne Konsequenzen. Erstens, weil viele, selbst wir Deutschen, schon mal dagegen verstoßen haben, und zweitens: Was soll man auch tun. Den Sünder rauswerfen? Wäre eine Möglichkeit. Nur, wer traut sich das?

    Finanzielle Schlupflöcher Sind in den EU-Staaten fraglos größer als in der Bundesliga. Gefährden aber auf beiden Feldern das System. Im Fußball dürfen Vereine der ersten und zweiten Liga künftige Erlöse bereits in der Gegenwart verprassen. Das Geld, das sie nächstes Jahr für die Stadionbeleuchtung brauchen, ist dieses Jahr schon in eine neue Schuhwärmeanlage investiert worden. Bleibt nur noch, die Schuhwärmer auf die Lichtmasten zu hängen. Ansonsten ein Eigentor.

    Den TSV 1860 München, 1982 bereits einmal Zwangsabsteiger aus der zweiten Liga in die Bayernliga, hätte diese Strategie jüngst beinahe wieder an den Abgrund geführt. Doch die Millionen eines Scheichs haben die Löwen gerettet. Was die EU betrifft, kommt der Scheich im Wesentlichen aus Deutschland. Auf Dauer retten kann er aber niemanden. Die Sünder müssen sich selbst aus dem Sumpf ziehen. Das Wichtigste am Rettungsschirm ist deshalb der Griff.

    Finanzielles Fair Play In Fußball-Europa herrscht ein Ungleichgewicht des Geldes wie in der Europäischen Union. Es gibt Vereine, wie den FC Chelsea, Real Madrid oder den FC Barcelona, die außerhalb wirtschaftlicher Regeln spielen. Egal, wie hoch ihre Schulden sind, es gibt immer einen Baulöwen oder Ölmagnaten, der sie begleicht. In der EU sind das die Steuerzahler. Ab 2013 dürfen die Milliardäre nicht mehr mitspielen. So hat es der europäische Fußball-Verband UEFA beschlossen.

    Wer dann als Verein mehr ausgibt als er einnimmt, dem droht der Ausschluss aus den europäischen Wettbewerben. Zugegeben, Fußball ist einfacher als die verworrene europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik, aber genau darin könnte ein Schlüssel liegen.

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