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Schulden: Online-Shopping auf Pump: Auf die Einkaufsfreude folgt der Frust

Schulden

Online-Shopping auf Pump: Auf die Einkaufsfreude folgt der Frust

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    Beim Einkaufen im Internet muss man oft nicht mehr direkt bezahlen. Das führt dazu, dass Menschen sich häufiger verschulden.
    Beim Einkaufen im Internet muss man oft nicht mehr direkt bezahlen. Das führt dazu, dass Menschen sich häufiger verschulden. Foto: Silvio Wyszengrad

    "Kaufe jetzt. Später bezahlen. Keine Gebühren." So wirbt ein großer Zahlungsdienstleister um Kunden. Noch nie war es so einfach, einzukaufen – selbst, wenn im Moment kein Geld da ist. Beratungsstellen in ganz Deutschland beobachten, dass durch die verführerischen Online-Shopping-Optionen zunehmend mehr Menschen in eine Schuldenfalle geraten. Sie fordern, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher besser geschützt werden. Denn treffen kann es jeden, wie eine Umfrage unter den 1400 gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland zeigt, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. 

    Die jüngsten Krisen spielen bei der Entwicklung eine große Rolle: durch Pandemie, Inflation und die Folgen des Ukraine-Krieges kämpfen vermehrt Menschen etwa mit Energie- und Mietschulden. Unter den Betroffenen sind traditionell Menschen in prekären Einkommenssituationen, Selbstständige und Rentner. Es suchen im Vergleich zum Frühjahr 2023 aber immer mehr Menschen Hilfe, die früher kaum zur Klientel der Beratungsstellen gehörten: "Leute mit einem sicheren Job, Selbstständige oder auch Menschen mit Wohneigentum", erläuterte Roman Schlag, Schuldnerberatungsreferent der Caritas Aachen und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsstellen der Verbände.

    Bei "Buy now, pay later"-Angeboten verlieren viele den Überblick

    Auffällig ist für die Beratungsstellen in diesem Zusammenhang die Zunahme von "Buy now, pay later"- Angeboten. "Das Risiko, den Überblick zu verlieren, ist groß", erklärte Schlag. Die Offerten seien oft undurchsichtig, die Möglichkeit zur direkten Zahlung gut versteckt. Viele Verbraucher seien überfordert, die Bezahlungen durch den Weg über Drittanbieter oft schwer nachvollziehbar. "Der Weg in die Schuldenfalle ist vorgezeichnet", sagte Schlag. Auffällig sei auch, dass immer mehr junge Menschen in den Beratungsstellen auflaufen.

    Marco Rauter kann diese Beobachtungen bestätigen. Er arbeitet als Insolvenzberater in einer Beratungsstelle in Berlin-Neukölln. "In Berlin sind die Anfragen an unsere Leistungen gestiegen", sagte er. Die Leute wüssten bei Zahlungseinzügen, die Monate später kämen, oft nicht mehr, worum es sich handle. Gleichzeitig seien die Ressourcen zumeist sehr knapp. "Selbst Kleinstraten können die Menschen kaum bezahlen", erklärte er.

    Die Verbände wollen mehr auf Transparenz und Prävention setzen

    Die Verbände fordern daher ein Recht auf Schuldnerberatung und einen besseren Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher – im Einklang mit einer neuen EU-Richtlinie, die in den Mitgliedsstaaten verbraucherfreundlichere Regelungen vorschreibt. Wiebke Rockhoff, Referentin der Diakonie Deutschland, betonte, dass es zunächst mehr Transparenz beim Kauf geben müsse. Zudem brauche es mehr finanzielle Allgemeinbildung, vor allem auch für junge Menschen.

    "Wir alle haben die Verantwortung, ihnen diese Orientierung zu bieten und sie nicht dem Markt zu überlassen", sagte die Expertin. Die Beratungsstellen würden hier gerne ihre Kompetenzen einbringen, seien aber auf Unterstützung vom Bund angewiesen: "Das lässt sich nicht nach Feierabend mal kurz von Kollegen noch mitmachen." Insgesamt brauche es besser ausgebaute Beratungsstrukturen in Deutschland und mehr Präventionsarbeit. Es sei definitiv günstiger für eine Gesellschaft, eine gute Beratung zu finanzieren, als dauerhaft Menschen zu unterstützen, die in finanzielle Schieflagen geraten, zu unterstützen, sagte Rockhoff. 

    Marco Rauter formuliert es so: Seine Kollegen seien Profis darin, das in den Brunnen gefallene Kind wieder herauszuholen. "Aber am liebsten würden wir eigentlich vor dem Brunnen stehen und dafür Sorge tragen, dass keiner hineinfällt."

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