Aus Krisen kann man lernen. Das zeigt sich in diesen Zeiten einmal mehr. Der Krieg in der Ukraine hat für grundlegende Veränderungen gesorgt. Aus deutscher Sicht kann und muss man vor allem lernen, dass starke Abhängigkeiten zukünftig vermieden werden sollten. Die Diversifizierung ist vor allem rund um die Energie von großer Bedeutung. In diesem Zuge treten am heutigen Montag, 5. Dezember 2022, zwei weitreichende Änderungen in Kraft: das Ölembargo und der Ölpreisdeckel.
Ölembargo gegen Russland: Erklärung und Bedeutung
Russisches Öl soll vom europäischen Markt verbannt werden. Zumindest zu großen Teilen. So kann man das Ölembargo gegen Russland grob zusammenfassen. Die Europäische Union hatte russische Gaslieferungen in EU-Staaten bereits vor einem halben Jahr mit Sanktionen belegt. Die Regelungen, die zum 5. Dezember 2022 in Kraft traten, stellen nun den nächsten Schritt dar. Die EU-Mitglieder hatten sich bereits im Mai 2022 darauf geeinigt, dass die Ölindustrie als bedeutender Zweig der russischen Energieindustrie sanktioniert werden soll. Aus diesem Wunsch ist das Ölembargo entstanden, welches nun zumindest zu einem Teil gilt. Die beiden wichtigsten Eckpunkte:
- Seit dem 5. Dezember 2022 dürfen EU-Mitglieder kein Rohöl mehr importieren.
- Ab dem 5. Februar 2023 dürfen Ölprodukte aus Russland von EU-Staaten nicht mehr importiert werden.
Wichtig ist hierbei, dass es um den Import per Schiff geht. Nach Angaben der Europäischen Union betrifft das Ölembargo rund zwei Drittel der russischen Öllieferungen an europäische Staaten. Europa folgt mit den Regelungen dem Beispiel von Großbritannien und den USA. Beide Länder stoppten die Ölimporte aus Russland bereits im März 2022.
Was ist der Ölpreisdeckel?
Das Ölembargo sorgt dafür, dass kein russisches Schiff mehr mit Öl an europäischen Hafen anlanden kann. Gleichzeitig will die EU dafür sorgen, dass auch kein russisches Öl mehr auf europäischen Schiffen transportiert wird. Um das zu erreichen, hat sie sich in den letzten Tagen auf einen Ölpreisdeckel geeinigt.
Er sieht einen Höchstpreis vor, welcher international vereinbart wird. Der Ölpreisdeckel wurde auf 60 Dollar pro Barrel festgelegt. Das ist in etwa der Preis der letzten Wochen. Am 5. Dezember legten die Ölpreise leicht zu. Mehr als 60 Dollar werden die EU-Staaten und die G7-Mitglieder Russland nicht mehr für ein Barrel bezahlen. Der Ölpreisdeckel ist aber nicht in Stein gemeißelt, sondern kann angepasst werden.
Was soll das Ölembargo bringen?
Mit dem Ölembargo und dem Ölpreisdeckel soll Russlands Wirtschaft hart getroffen werden. Das machte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutlich. Sie glaubt außerdem, dass der Ölpreis durch den Deckel dauerhaft stabilisiert werden kann. Davon würden auch Schwellenländer profitieren, die Öl günstiger einkaufen könnten.
Wie genau sich das Ölembargo auswirken wird, ist unklar. Einen derartigen Eingriff auf den Ölmarkt ist einzigartig. Die österreichische Zeitung Die Presse nennt es"einem Experiment, das es in dieser Form und in dieser Dimension noch nie gegeben hat".
Was bedeutet das Ölembargo für Russland?
Russland ist von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft abhängig. Das ist ein Fakt. Auch die Finanzierung des Krieges in der Ukraine dürfte zu großen Teilen nur durch die Ölindustrie möglich sein. Nach den USA und Saudi-Arabien stellt Russland den drittgrößten Ölproduzenten der Welt dar. Das Land förderte im Jahr 2021 insgesamt 524 Millionen Tonnen Öl. Das entspricht 10,5 Millionen Barrel am Tag. Ein Barrel entspricht wiederum 159 Litern.
Im Oktober importierte die EU laut der Internationalen Energieagentur (IEA) jeden Tag 1,5 Millionen Barrel Rohöl. Öl, das nun wegfällt, da sich Europa weitgehend aus dem russischen Ölgeschäft zurückzieht. Nach Einschätzungen der IEA könnte die Ölförderung in Russland daher zeitnah einbrechen. Demnach könnte die Fördermenge im kommenden Jahr unter die Marke von zehn Millionen Barrel am Tag sinken. Laut den IEA-Experten könnte sie dann rund zwei Millionen Barrel unter dem Vorkriegsniveau liegen.
Tschechien, die Slowakei und Ungarn wollen Öl aus Russland weiterhin beziehen. Dieses wird nicht per Schiff transportiert, sondern fließt durch die Druschba-Pipeline. Auch Deutschland bezieht nicht Öl aus Russland. Im Vergleich mit anderen europäischen Staaten stellt die Bundesrepublik den größten Importeur von russischem Erdöl dar.
Die Verluste, die durch den gestoppten Export in die USA und nach Großbritannien entstanden sind, konnte Russland kompensieren. Das gelang durch Öllieferungen nach Indien, China und in die Türkei. Die dortigen Märkte sind allerdings nicht gewachsen, weswegen die IEA davon ausgeht, dass die Staaten womöglich nicht mehr Öl aus Russland exportieren können oder wollen. Die nun wegbrechenden Lieferungen an westliche Industrienationen kann Russland daher wohl kaum kompeniseren. Der Staat könnte täglich auf rund zwei Millionen Barrel Öl sitzen bleiben. Ein gewaltiges Problem für Moskau und den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Allerdings: Jeromin Zettelmeyer, Chef des ökonomischen Thinktanks Bruegel in Brüssel, glaubt, dass Russland nur durch einen niedrigeren Preisdeckel große Probleme bekommen würde. Der Ökonom wird in seiner Meinung von den baltischen Staaten, Polen und der Ukraine unterstützt.
Was bedeutet das Russland-Ölembargo für die EU, Europa und den Weltmarkt?
Die Frage aller Fragen ist, was Ölembargo und Ölpreisdeckel mit dem weltweiten Ölpreis machen. Laut der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) herrscht derzeit ein Überangebot an Öl auf dem Weltmarkt. Es wird also kein Engpass erwartet. Die Commerzbank erklärte in einem Bericht jedoch, dass es "Anfang 2023 zu einer spürbaren Anspannung am Ölmarkt" kommen könnte. Im Zuge des Krieges in der Ukraine waren die Ölpreise stark angestiegen.
Die IEA kritisierte das europäische Ölembargo. Demnach würde dieses für knappere Ressourcen und letztlich einen Preisanstieg bei Rohöl und Ölprodukten führen. Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) rechnet mit Preissteigerungen in diesem Bereich. Von diesen könnte auch die Lebensmittelbranche betroffen sein. "Wenn Russland kontert und weniger liefert, wird es zu einer Erhöhung der Preise kommen - ansonsten werden die Preise gleich bleiben oder sogar sinken", analysiert Zettelmeyer.
Was bedeutet das Ölembargo für Deutschland?
Weitereichende Folgen vom Ölembargo werden in Deutschland zunächst nicht erwartet. Aber: Deutschland ist nicht unabhängig vom russischen Öl. Im Jahr 2020 stammten 30 Prozent der deutschen Ölimporte aus Russland. Ein Anteil, der mit dem von Estland und Tschechien vergleichbar ist. In der Corona-Pandemie brach der Anteil zunächst ein, nahm dann aber wieder zu. Laut einer Analyse der IEA lagen die deutschen Ölimporte aus Russland im September 2022 um 7,1 Prozent unter dem Niveau, welches vor der Pandemie herrschte.
Bis zum Jahresende will Deutschland alle Ölimporte aus Russland einstellen. Die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt ist besonders von dem Embargo betroffen. Sie könnte zum neuen Jahr nur noch zur Hälfte ausgelastet sein. Das dürfte sich auf die Ölpreise in Ostdeutschland auswirken. Die Raffinerie in Schwedt, die auch Westpolen versorgt, wird künftig aus Polen beliefert. Bezüglich genauer Liefermengen gibt es aber noch keinen Vertrag.