Gewinnt die Rocket Factory Augsburg das Rennen in den Orbit?
Das Augsburger Start-up baut Kleinraketen und ist eines der innovativsten Unternehmen in der Region. Aber die Konkurrenz von Isar Aerospace in Ottobrunn schläft nicht.
Im August also. Schottland. Auf Unst, nördlichste Spitze der Shetlandinseln. Auf dem SaxaVord Spaceport steht die allererste RFA ONE. Nicht weit von hier donnert die Brandung der Nordsee gegen die Steilküste. Ein Countdown wird zu hören sein. Wenn er runtergezählt ist, könnte sich das erste Erzeugnis der Rocket Factory auf den Weg Richtung Orbit machen. Und wenn alles klappt, hätte das Augsburger Unternehmen das über Jahre ausgetragene bayerische Start-up-Rennen vielleicht für sich entschieden und die Konkurrenten von Isar Aerospace abgehängt. Auch das Ottobrunner Unternehmen möchte so schnell wie möglich den ersten Testflug zu starten, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Das soll noch in diesem Jahr sein. Liegt die Rocket Factory also vorn? Könnte sein. Wenn alles klappt.
Vorstand und Mitgründer Jörn Spurmann ist zuversichtlich und beschreibt den Fahrplan bis zum geplanten Erstflug im August: "Wir haben mit der Oberstufe zuletzt 23 Testkampagnen gemacht, die waren alle gut. Und nun testen wir bis zum Sommer – mit den anderen Stufen – weiter und weiter." Das Team in Schottland wächst, heißt es seitens des Unternehmens, und natürlich verschiebe sich die Aufmerksamkeit dorthin, aber weiterhin würden rund 250 Leute in Augsburg sitzen und entwickeln, testen, verbessern, bauen und alles dafür tun, dass der erste Testflug ein Erfolg werde.
In den Hallen auf dem alten Osram-Gelände wird konzentriert gearbeitet
Wer vor Ort in diesen Tagen wieder einmal vorbeischaut, sieht in den Hallen auf dem alten Osram-Gelände RFA-Mitarbeitende konzentriert auf den Tag X hinarbeiten. Vor den Bildschirmen – und ein paar Etagen tiefer an dem sogenannten Microlauncher selbst, wie das Produkt heißt. Es gibt gute Gründe, für Schub zu sorgen, denn der Weltraummarkt wächst gewaltig. Die New-Space-Firmen wie die Rocket Factory wollen mit ihren Kleinraketen – die Satelliten transportieren – die Raumfahrt kommerzialisieren. Die Start-ups wollen schneller und billiger sein als der Rest. Die erste Stufe der RFA ONE passt quasi auf einen Lastwagen. Aber natürlich gehört noch einiges dazu. Wenn es so weit ist, wird die RFA ONE teilweise wieder auseinandergeschraubt und in rund 20 Industrie-Container verladen. Die kommen auf ein Schiff, das die wertvolle Fracht bis zum Startplatz an die nördlichste Spitze von Großbritannien bringt.
Die Rocket Factory Augsburg wurde 2018 von den Ingenieuren Spurmann und Stefan Brieschenk gegründet, seither ist das Team stetig gewachsen. Die Firma will nach eigenen Angaben "datengenerierende Geschäftsmodelle im Weltraum ermöglichen, um unseren Planeten Erde besser zu überwachen, zu schützen und zu vernetzen". Beteiligt ist mit über 50 Prozent das Bremer Luft- und Raumfahrtunternehmen OHB. Die Rocket Factory will mit den Raketen Satelliten in den Orbit befördern. Der Bedarf daran steigt und steigt. Für das Internet der Dinge, die Industrie 4.0, um Landwirtschaftsrobotern auf dem Feld den Weg zu weisen, oder um Klimaschäden, Waldbrände und Überflutungen, zu dokumentieren.
Getestet wird von der Rocket Factory auch in Nordschweden
Getestet werden Triebwerke und Oberstufe in Nordschweden, beim Esrange Space Center, wo jüngst auch Ministerpräsident Markus Söder mit einer Delegation zu Besuch war. Für den Erstflug ist Schottland vorgesehen, für die weiteren Starts erwägt man aber auch andere potenzielle Startplätze wie Kourou in Französisch-Guayana, Southern Launch in Australien oder vielleicht die GOSA-Plattform in der Nordsee (German Offshore Spaceport Alliance). Man will flexibel für alle Orbits bleiben und die Logistikrouten so kurz wie möglich halten.
Spannend, und immer wieder nachgefragt, ist der Starttermin. Warum? Ende 2020 hatte es noch geheißen: Die erste Rakete soll 2022 starten. Anfang 2023 lautete die Sprachregelung "Ende 2023" könnte der erste Countdown zu hören sein. Nun ist der August das Ziel. Der zweite Start, sagt Spurmann, sei im Dezember geplant. "Bis dahin ist unserer Finanzierung gesichert." Aber die Kalkulation geht natürlich darüber hinaus. Spurmann rechnet vor: "Wir haben Kaufabsichtserklärungen im Wert von über eine Milliarde Euro in der Pipeline. Für die meisten Kunden ist ein erfolgreicher Flug der zentrale Meilenstein." Im nächsten Jahr sollen dann nochmals vier Flüge folgen. "Und in den Folgejahren wollen wir uns auf zwölf Starts pro Jahr steigern. Nach dreieinhalb Jahren schauen wir mal, wie sich der Markt weiterentwickelt hat. Denkbar könnten dann auch wöchentliche Starts sein."
Ob es so kommt? Oder ob nicht am Ende doch Isar Aerospace vorn liegt? Mehr dazu Ende August.
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit Rocket-Factory-Chef Stefan Brieschenk über Raketen, Klimakrise und den Weltraum von Mai 2022 an.
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