Referendum

Wie hart ein Brexit die deutsche Industrie treffen würde

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    Die deutsche Industrie wird den Ausgang des Brexit-Referendums genau beobachten. Für sie steht viel auf dem Spiel angesichts der engen Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien.
    Die deutsche Industrie wird den Ausgang des Brexit-Referendums genau beobachten. Für sie steht viel auf dem Spiel angesichts der engen Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien. Foto: Andy Rain (dpa)

    Deutsche Unternehmenschefs dürften dieser Tage den Taschenrechner zücken und einmal durchrechnen, was sie ein Brexit kosten würde. Die Ergebnisse dürften nicht wenigen die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Die Versicherungsagentur Euler Hermes kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass die deutschen Exporteure im Falle eines "harten Ausstiegs" Großbritanniens aus der EU zwischen 2017 und 2019 bis zu 7 Milliarden Euro an Geschäft einbüßen würden. Selbst mit Freihandelsabkommen lägen die Einbußen demnach noch bei 5 Milliarden Euro. Ein Blick auf die einzelnen Branchen.

    AUTOMOBILINDUSTRIE: Von strengeren Handelsbestimmungen sei die deutsche Automobilindustrie besonders betroffen, sagt Ron van het Hof, Euler-Hermes-Chef in Deutschland. Sie sei stärker als andere Industriezweige in die bilaterale Wertschöpfungskette eingebunden und würde bis 2019 rund 2 Milliarden Euro Einbußen durch fehlende Ausfuhren erleiden.

    Dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zufolge haben Autos deutscher Konzernmarken in Großbritannien einen Marktanteil von gut 50 Prozent, 810 000 Pkw seien dort vergangenes Jahr verkauft worden. So gehe jedes fünfte in Deutschland produzierte Auto ins Vereinigte Königreich, in kein anderes Land würden mehr deutsche Fahrzeuge exportiert. "Umso wichtiger ist es, dass Großbritannien Mitglied der EU bleibt", sagte VDA-Chef Matthias Wissmann der "Automobilwoche". 

    MASCHINENBAU: Bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU fürchten auch Deutschlands Maschinenbauer um einen ihrer wichtigsten Exportmärkte. "Der Handel mit Großbritannien würde im Brexit-Fall wohl spürbar erschwert - für eine exportstarke und mittelständisch geprägte Industrie wie den Maschinenbau wäre dies eine deutliche Belastung", sagt Ulrich Ackermann, Außenwirtschaftsexperte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

    Im vergangenen Jahr lieferten deutsche Hersteller Maschinen im Volumen von 7,2 Milliarden Euro nach Großbritannien. Das Vereinigte Königreich landete auf Rang vier der wichtigsten Ausfuhrländer für Maschinen "Made in Germany". Deutschland ist dem VDMA zufolge der wichtigste Maschinenlieferant der Briten, 2015 kamen 20,6 Prozent der importieren Maschinen aus der Bundesrepublik. Ron van het Hof von Euler Hermes zufolge hätten die Maschinenbauer im Fall eines Brexit bis 2019 mit rund 1 Milliarde Euro Exporteinbußen zu kämpfen.

    ELEKTROINDUSTRIE: Auch die deutsche Elektrobranche wäre merklich von einem Brexit betroffen. Laut Euler-Hermes-Studie hätte sie bis 2019 Ausfuhreinbußen von knapp 1 Milliarde Euro hinzunehmen. Dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) zufolge haben deutsche Hersteller im vergangenen Jahr Elektroprodukte im Wert von 9,9 Milliarden Euro nach Großbritannien geliefert. Dies entspreche einem Anteil von 5,7 Prozent an den gesamten deutschen Elektroausfuhren. Das Vereinigte Königreich ist der viertwichtigste Abnehmer für deutsche Elektroexporte weltweit und der drittgrößte Investitionsstandort für deutsche Elektrounternehmen im Ausland.

    CHEMIEINDUSTRIE: Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) rechnet bei einem Austritt Großbritanniens mit rückläufigen Investitionen über die Grenzen hinweg und weniger Handel. Im vergangenen Jahr habe die Chemiebranche Produkte im Wert von 12,9 Milliarden Euro nach Großbritannien exportiert, vor allem Spezialchemikalien und Pharmazeutika. Das seien 7,3 Prozent aller Exporte gewesen. Gleichzeitig hätten deutsche Chemiefirmen Waren für 5,6 Milliarden Euro von der Insel bezogen, vor allem pharmazeutische Vorprodukte und Petrochemikalien. "Gerade jetzt, wo sich die Konjunktur in Europa zaghaft erholt, wäre ein Austritt ein schlechtes Signal für die weitere wirtschaftliche Entwicklung", erklärte VCI-Präsident Marijn Dekkers. Julia Stier, dpa

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