Fast jeder Deutsche hat schon Gerichte aus Profigargeräten der Landsberger Firma Rational gegessen. Das Unternehmen gilt als Vorbild weit über seine Branche hinaus.
Die feinen Kohlrabi-Stäbchen sind perfekt mit leichtem Biss auf den Punkt gegart, der Putenbraten präsentiert sich wie auf einem Kochbuchfoto, ebenso die knusprigen Herzoginkartoffeln. Und auf dem Teller der vegetarischen Gemüsepfanne leuchten die Böhnchen in frischem Grün, als hätte sie ein Meisterkoch gekonnt im Eiswasser abgeschreckt, damit ihre Farbe nicht verblasst. Hier im hauseigenen Betriebsrestaurant für die Belegschaft von Rational gilt es, bei den zwei Tagesmenüs als Ehrensache zu beweisen, welche Qualität die hier in Landsberg hergestellten Kombidampfgaröfen des Weltmarktführers liefern können.
Rational-Vorstandschef Peter Stadelmann erzählt beim Essen stolz, dass das Küchenteam 2018 die Wahl zur besten Mitarbeiterkantine Deutschlands in der Kategorie bis 1500 Essen gewonnen hat. Dass die Preisträger in den anderen Kategorien Audi und Google hießen, freute den 58-jährigen Schweizer Manager, denn beide Unternehmen kochen ebenfalls mit Rational. Und auch vom Anspruch haben die Unternehmen manches gemein: Die von Rational gebauten „iCombi“-Garer sind längst digital vernetze Hightechgeräte. Rational gilt mit beständiger Innovation und konsequenter Kundenausrichtung weit über Branchengrenzen als Vorbild für langfristigen Unternehmenserfolg.
Garautomaten können automatisch Servicetechniker rufen
Wenn Vorstandschef Stadelmann sein Handy aus der Hosentasche holt und das Rational-Programm „Connected Cooking“ öffnet, denkt man an modernste E-Auto-Apps. „Ich kann hier jeden unserer firmeninternen iCombi überwachen und auch steuern, wenn ich will.“ Der Manager muss ein bisschen scrollen, bis sich unter den vielen in Miniaturbildern abgebildeten Geräten eines findet, das aktuell in Betrieb rot das laufende Garprogramm anzeigt. „Den könnte ich jetzt stoppen, das will ich natürlich nicht.“
Nach Feierabend können Gastronomen auf der App sehen, ob das vollautomatische Reinigungsprogramm der Öfen läuft oder über Nacht bei Niedertemperatur schonend Gerichte garen. „Je langsamer große Braten garen, desto weniger Flüssigkeit verlieren sie und desto saftiger sind sie für die Gäste“, erklärt Stadelmann. Die Garautomaten erhalten über Wlan regelmäßig Software-Updates, so wie es Tesla für die Autobranche vorgemacht hat. Rational geht noch weiter: Wenn der Kunde möchte, meldet der „iCombiPro“ automatisch Fehlermeldungen an den Service, sodass ein Techniker rechtzeitig etwa eine Dichtung austauschen kann.
Combi-Dämpfer übernehmen weltweit in hunderttausenden Gastroküchen eine Hauptrolle bei der gesamten Speisezubereitung. Das Zusammenspiel von Heißluft, Dampf und geregelter Luftfeuchtigkeit kann in der Profi-Gastronomie Kochtöpfe, Bratpfannen, Backöfen, Grills und damit viel Personal ersetzen. Es dürfte kaum einen erwachsenen Deutschen geben, der in einem Restaurant, einer Kantine, einem Krankenhaus, Hotel, Kreuzfahrtschiff oder Imbiss nicht schon im Rational zubereitete Mahlzeiten gegessen hat. Seit Jahrzehnten gehören auch Sterneköche zu Stammkunden des Landsberger Unternehmens. Sie schätzen die verlässliche Präzision stets identischer Garergebnisse.
Rational beschäftigt inzwischen rund 100 Softwarespezialisten
Mit einem in das Gargut gesteckten Messfühler, der an sechs Punkten Temperatur und Garprozess überwacht, übernimmt die intelligente Technik dynamisch die bestmögliche Steuerung von Hitze und Feuchtigkeit. Auf den Einschubebenen können verschiedene Produkte gleichzeitig zubereitet werden. Durch permanenten Luftaustausch sollen auch Fisch oder gegrillte Bacon-Scheiben ihren Geruch nicht als Geschmack an andere mitgegarte Lebensmittel abgeben. Das Personal muss nur zu unterschiedlichen Zeiten die Bleche aus dem Gerät holen, wenn Signale ertönen und blinkende Ofenlichter die entsprechende Ebene anzeigen.
Nach zehn Jahren Entwicklung präsentiert Rational nun eine neue Modellreihe: Der „iHexagon“ setzt zusätzlich zu Heißluft und Dampf vollautomatisch Mikrowellen ein, um Garprozesse zu beschleunigen, ohne die Essensqualität negativ zu beeinflussen. „Durch die neue Energieart mussten wir vor allem unsere Garintelligenz-Software neu entwickeln“, sagt Stadelmann. All das geschehe am Standort Landsberg, wo der allergrößte Teil der rund 100 Softwarespezialisten des Unternehmens arbeitet. „Heute bestimmt die Software deutlich mehr die Entwicklungszeiten unserer Produkte als die Hardware.“
Einige Combi-Dämpfer auf Stadelmanns Handy-App laufen im streng gehüteten Entwicklungszentrum im alten Werk 1. Dort arbeiten nicht nur Softwareexperten, sondern auch viele Köchinnen und Köche. „Wir verbrauchen im Jahr rund 30 Tonnen Lebensmittel in unserem Entwicklungszentrum, die wir dann größtenteils an gemeinnützige Tafeln liefern“, sagt Stadelmann. Lebensmittelwissenschaftler steuern Grundlagen für die Garprozesse bei, Ingenieure optimieren die komplexe Luftströmung, damit jedes Teil unabhängig von der Position auf dem Blech exakt gleich gart.
In der Betriebswirtschaft gilt der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Umsatz als wichtiges Kriterium, um Innovationskraft und Zukunftsaussichten eines Unternehmens zu messen. Mit einer Quote von fünf Prozent übertrifft Rational sogar viele Automobilkonzerne. „Für uns sind Forschung und Entwicklung extrem wichtig“, sagt Stadelmann. „Obwohl unser Umsatz in den vergangenen zehn Jahren deutlich auf über eine Milliarde Euro gestiegen ist, haben wir die Quote sogar noch erhöht.“
Das Unternehmen nennt seine Mitarbeiter U.i.U
Der Vorstandschef folgt mit seinem Innovationskurs ganz der Philosophie des 2017 verstorbenen Rational-Gründers Siegfried Meister. Der ehemalige Technikchef der Wienerwald-Kette entwickelte im Auftrag des legendären Großgastronomen Friedrich Jahn einen neuen Ofen, um die Brathendl schneller zu garen. Doch das Ergebnis gefiel dem „Hendl-Jahn“ nicht: „Da riecht und sieht man ja gar nichts“, soll er gesagt haben und hielt an seiner Drehspießbraterei fest.
Meister machte sich selbstständig. 1974 erregte er mit der Erfindung einer Heißluftfritteuse Aufsehen, zwei Jahre später brachte er den ersten Combi-Dämpfer auf den Markt. Als in den Neunzigern immer mehr Wettbewerber mit ähnlichen Modellen auf den Markt drängten und wichtige Patente abzulaufen drohten, setzte Meister zum Innovationssprung an: Das 2004 eingeführte und mithilfe vieler Forschungsköche entwickelte „SelfCookingCenter“ führte erstmals die intelligenten Garprogramme ein. Bis heute behauptet Rational seinen Weltmarktanteil von rund 50 Prozent. Den zersplitterten Rest teilen sich Dutzende andere Hersteller auf.
Zu seinen Erfolgsfaktoren zählt Rational die Konzentration auf die Hauptprodukte Combi-Dämpfer und die 2005 eingeführte offene Kochstation „VarioCookingCenter“: „Es liegt absolut in der DNA von Rational, dass wir als Spezialist fokussiert bleiben“, betont Stadelmann. „Wir bekommen immer wieder Hersteller anderer Gastroproduktlinien zum Kauf angeboten und sagen nein danke, weil unser Erfolg in der Konzentration liegt.“ Auch Produkte für Privathaushalte seien deshalb für Rational ausgeschlossen.
Zur konsequenten Kundenorientierung gehört, dass Rational kostenlos Seminare für Köche bis hin zur Ausbildung von Küchenpersonal in Tagesschulungen anbietet. Der einstige Rational-Club sei heute mit 100.000 Mitgliedern wohl das größte internationale soziale Netzwerk für Profiköche mit einer weltweiten Rezeptbibliothek.
Seine Mitarbeiter nennt Rational in der Tradition des Firmengründers bis heute „U.i.Us“: Unternehmer im Unternehmen. „Jeder soll in seinem Bereich wie ein selbstständiger Unternehmer verantwortlich denken und handeln und das Unternehmen damit besser machen“, sagt Stadelmann. „Diese Denkweise von Herrn Meister ist bis heute das größte Vermögen, das Rational besitzt.“
Zur Serie: In unserer Reihe "Bayerns Mutmacher" stellen wir innovative Unternehmen aus unserer Region vor. Hier gelangen Sie zu allen Firmen, die wir schon besucht haben.