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Prozess: Früherer Audi-Chef Stadler könnte ohne Gefängnis davonkommen

Prozess

Früherer Audi-Chef Stadler könnte ohne Gefängnis davonkommen

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    Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler vor Gericht in München.
    Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler vor Gericht in München. Foto: Christof Stache, AFP

    Das ist der 161. Prozess-Tag. Viele weitere sind bis zum Sommeranfang am 21. Juni im Münchner Audi-Prozess eingeplant. Quälend langsam schleppt sich das Verfahren seit dem Auftakt am 30. September 2020 nun schon rund zweieinhalb Jahre dahin. Zeitweise schien es, als könnte das Gericht erst nach drei Jahren ein Urteil fällen, eine enorme Belastung für alle Beteiligten des Prozesses um die Verantwortung für den Abgasbetrug bei Audi. Der Diesel-Skandal hat dem Ruf des Unternehmens erheblichen Schaden zugefügt. Richter Stefan Weickert, ein Mann, der es mit großer Geduld genau wissen will, ist über die Jahre zwar etwas grauer, aber auch schlauer geworden, was die Motoren- und Abgastechnologie betrifft. Souverän jongliert er sich durch eine von technischen Abkürzungen geprägte sonderbare Welt, die komplex zu nennen eine sträfliche Untertreibung wäre. 

    Der Jurist ist auf der Suche nach dem Kern der Manipulationen der Abgaswerte in der einstigen Audi- und Volkswagen-Welt. Er versucht zu ergründen, welche Manager die Tricksereien angeordnet haben. Das ist ein zähes Unterfangen. Seit Monaten wird spekuliert, wie sich das Endlos-Verfahren abkürzen lässt. So verdichtet sich, dass am Dienstag etwas Interessantes in dem Gerichtssaal unter dem Münchner Gefängnis Stadelheim passieren könnte. Von einer wegweisenden Erklärung des Gerichts ist die Rede.

    Ex-Audi-Chef Stadler ist kein gebrochener Mann

    Vor dem Beginn der Verhandlung wirkt der frühere Audi-Chef Rupert Stadler, einer von vier Angeklagten, entspannt. Er sieht nach all den juristischen Strapazen gut aus und tritt aufgeräumt auf. Aus seinem Umfeld ist zu erfahren, Stadler gehe professionell mit dem Prozess um, sei gefasst und akzeptiere seine Lage, auch wenn ihn die vielen Tage vor Gericht einschränkten. 

    Der am 17. März 60 Jahre gewordene Manager erfährt Rückhalt durch seine Familie. Stadler, heißt es von Vertrauten, sei nach dem tiefen Fall kein gebrochener Mann wie andere Manager, die sich plötzlich schweren Anschuldigungen ausgesetzt sehen. Für die These spricht, dass er junge Technologie-Unternehmen berät, also nach wie vor beruflich aktiv ist. Vor Gericht dreht sich Stadler auf der Anklagebank um, nickt und lächelt Journalisten zu. In den ersten Monaten des Prozesses war das noch anders. Der Manager wirkte bedrückt und war nervös.

    Für Stadler tut sich eine interessante Option auf

    Nun tut sich für ihn nach dem langen dunklen Tunnel eine interessante Option auf. Das leicht flackernde Licht der Hoffnung für Stadler und die Mitangeklagten ist zunächst schwer auszumachen. Denn Richter Weickert sagt ohne jede Emotion: „So jetzt kommt der Hinweis.“ Seine hinweisenden Ausführungen beginnt er mit dem Aufzählen immer neuer Buchstaben- und Zahlenkolonnen, die einem Ingenieur alle Ehre einlegen würden. Es geht um die Audi-Modelle Q7 und A4. Die Bezeichnungen beginnen mit den Reihungen „QDABK6“ und „BAADM6“. 

    Der im Audi-Verfahren beinahe zum Techniker gereifte Jurist trägt die Abkürzungen zwar unfallfrei, aber derart schnell vor, dass alle Versuche mitzuschreiben, einer Tortur gleichen. Weickert meint nun: „Jetzt folgt Text.“ Doch der ist gespickt mit Fachausdrücken aus der Welt der Motorenentwickler und Abgas-Manipulateure. Von „Roh-Emissionsminderung", „Einspritzmengen", „oberen und unteren Umschaltschwellen“, „unzulässigen Abschalteinrichtungen“ oder „Eingrenzung von Betriebsarten“ ist die Rede. Worauf spielt Weickert an? Wie lassen sich seine Hinweise an die Angeklagten Stadler, den früheren Audi-Motoren-Chef Wolfgang Hatz sowie die einstigen Ingenieure Giovanni P. und Henning L. deuten?

    Audi-Prozess: Richter fordert vollumfängliche Geständnisse

    Es dauert, ehe deutlich wird, worauf der Jurist mit seinen Feststellungen zu dem „vorläufigen Beweisergebnis“ hinauswill. Die Anwälte von Stadler deuten mit wissenden Blicken auf den Bildschirm des Laptops, der vor dem Ex-Audi-Chef steht. Nun gibt Weickert konkretere Hinweise, ja ebnet den Weg für eine mögliche spektakuläre Wende des Verfahrens, die auf ein Prozessende deutlich vor Sommeranfang hinauslaufen würde. 

    Da Juristen zur Vorsicht neigen, beträufelt Weickert sein Angebot an die Angeklagten mit einer Mixtur aus Konjunktiven und dehnt die Sätze mit allerlei Verschachtelungen ins Uferlose aus. Das gelingt ihm bei weitem nicht so gut, wie es Lang-Satz-Könner vom Format eines Thomas Mann oder Thomas Bernhard vermochten. Doch die Juristerei dient der Absicherung und ist keine Literatur. Am Ende und allerlei „könnte“ und „hätte“ wird Weickert plötzlich erfrischend konkret und hält auch wegen der Länge des Verfahrens und einer Zusammenschrumpfung der Vorwürfe eine Einstellung des Verfahrens gegen den geständigen Henning L. für möglich. Giovanni P., Hatz und Stadler versucht der Richter mit einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, zu locken. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die drei Angeklagten „vollumfänglich“ gestehen.

    Ob Stadler und Hatz gestehen wollen, bleibt am Dienstag offen

    Stadler und Hatz weisen bisher beständig alle Vorwürfe gegen sich zurück. Sie müssten also, um einer möglichen Gefängnisstrafe wegen Betrugs zu entgehen, eine 180-Grad-Wendung hinlegen und mit Interna über den Abgasbetrug herausrücken. Ob sie dazu Lust und Laune verspüren, bleibt am Dienstag offen. Auf alle Fälle ist das Gericht mit den bisherigen Geständnis-Bemühungen von Giovanni P. noch nicht zufrieden und wünscht sich seinerseits deutlichere Hinweise für die eigene Verantwortung. Dann könnte auch der einstige Audi-Ingenieur mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.

    Weickert genießt seinen überraschenden Auftritt. Er schaut kurz nach oben, lächelt und sagt: „Das müssen alle erst einmal verdauen.“ Walter Lechner, Anwalt von Giovanni P, teilt unserer Redaktion auf Anfrage die ersten Ergebnisse seiner Verdauungsbemühungen mit: „Der Hinweis an unseren Mandanten ist bei mir positiv angekommen.“ Das könne zu einer Abkürzung des Verfahrens führen. Lechner verspricht „in Kürze“ eine Stellungnahme. Er gibt auch einen Hinweis darauf, dass „in Kürze“ nicht einige Wochen, sondern einige Tage bedeute. 

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