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Premium Aerotec: Bei Premium Aerotec rollt die Streikwalze und der Airbus-Chef ist enttäuscht

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Bei Premium Aerotec rollt die Streikwalze und der Airbus-Chef ist enttäuscht

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    Bei Airbus beginnen erneut Warnstreiks der IG Metall – ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht.
    Bei Airbus beginnen erneut Warnstreiks der IG Metall – ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Foto: Markus Scholz, dpa

    Zwei Männer, zwei Gefühlszustände: Der Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek wirkt am Donnerstagmorgen euphorisiert, hat der Warnstreikaufruf für die Beschäftigten des Augsburger Luftfahrtwerkes von Premium Aerotec doch voll gefruchtet. Um 9.30 Uhr, nachdem die Protestaktion schon dreieinhalb Stunden andauert, sagt er: „Bis auf Pförtner und Sicherheitspersonal sind die Beschäftigten des Werkes IV zu Hause geblieben.“ Nur zwei Mitarbeiter hätten vorbeigeschaut, um die Vertreterinnen und Vertreter der IG Metall vor dem Werksteil, in dem rund 2200 von etwa 2800 Menschen arbeiten, zu begrüßen. Dann hätten die Männer wieder das Weite gesucht. „Das ist ein voller Erfolg für uns“, sagt Leppek.

    Ein anderer Mann zeigt sich bitter enttäuscht, ja fast beleidigt über das Vorgehen des Betriebsrats und der Gewerkschaft: Airbus-Chef Guillaume Faury versteht die Deutschen nicht mehr. In einem internen Brief an die Belegschaft, der unserer Redaktion vorliegt, gibt der Franzose ungewohnte Einblicke in seinen derzeitigen Gefühlshaushalt, der anders temperiert ist als der von Leppek. Dabei verweist der Manager auf die enormen Herausforderungen für das Unternehmen in den vergangenen 20 Monaten, also in der Corona-Zeit. Hier hätten „Mitarbeiter*innen“ – Faury gendert mit Sternchen – ein unglaubliches Engagement und eine bemerkenswerte Solidarität an den Tag gelegt, „um Airbus durch eine beispiellose Krise zu tragen“.

    Die Streikaktionen wühlen den Airbus-Chef auf

    In dem Schreiben wird deutlich, weshalb den Konzern-Chef die Warnstreik-Aktionen derart aufwühlen: „Dass diese enorme Gemeinschaftsleistung nun in Frage gestellt wird, indem Aktivitäten blockiert werden, finden wir unangemessen und respektlos gegenüber all jenen, die Tag für Tag so viel für Airbus geben.“

    Am Donnerstag, dem ersten Tag des bis Samstag um 15 Uhr in Augsburg angesetzten Warnstreiks, spricht die immens hohe Beteiligung der Beschäftigten eine eigene Sprache. Die Pläne des Unternehmens, die in der Stadt angesiedelte Airbus-Zuliefertochter Premium Aerotec zu zerschlagen und einen großen Teil überwiegend an einen Investor zu verkaufen, lassen Beschäftigte um ihre Jobs zittern und protestieren. Denn allein in

    Der Airbus-Chef versucht die Belegschaft zu beruhigen

    Faury versucht in seinem Brief auf die Sorgen einzugehen und schreibt: „Außerdem gibt es bis dato keinen gravierenden Grund, der diesen Aufruf zum Streik rechtfertigen würde.“ Denn die Unternehmens-Spitze habe einen offenen Dialog mit den Sozialpartnern aufgebaut und „viele Garantien in Bezug auf Sicherheit, Arbeitsbedingungen und Investitionen in die Zukunft gegeben“. Damit spielt der Manager darauf an, dass Airbus beschlossen hat, den Flugzeugrumpf zum Kerngeschäft des deutsch-französisch-spanischen Konzerns zu erklären. Hier will das Unternehmen die notwendigen Baugruppen selbst herstellen.

    Die Strategie wird von der Belegschaftsseite begrüßt, geht es doch um eine neue Flugzeuggeneration, die Arbeitsplätze in Deutschland sichern kann. Die Maschinen der Zukunft werden wahrscheinlich mit Wasserstoff angetrieben. Dabei wandern die Tanks – so viel ist klar – von den Flügeln in den Rumpf.

    Faury warnt: „Für uns gibt es überhaupt keinen Sinn, sich dieser Transformation in den Weg zu stellen.“ Doch Betriebsrat und Gewerkschaft wollen den Umbruch-Prozess mit den gegenwärtigen Warnstreiks nicht blockieren. Sie wenden sich vielmehr dagegen, dass das Einzelteilegeschäft und damit ein großer Teil von Premium Aerotec von Airbus abgestoßen wird. In Augsburg wäre davon auch der Bau des Rumpfhecks, also der Sektion 19 für die A320-Familie, betroffen. Das verstehen viele Beschäftigte nicht, schließlich handelt es sich um eine große Baugruppe und nicht um ein Einzelteil. Sie machen hier einen Widerspruch aus: Schließlich hat Airbus den Rumpf zum Kerngeschäft bestimmt.

    Gewerkschaft: Airbus hat ausgestreckte Hand bisher nicht ergriffen

    Doch Faury argumentiert mit „ernstzunehmenden Wettbewerbsproblemen“ im Bereich der Einzelteilefertigung. Der führende Airbus-Manager Michael Schöllhorn hatte dazu unserer Redaktion gesagt: „Seit zwölf Jahren ist Premium Aerotec nicht richtig aufgestellt. Das Unternehmen häuft seit zwölf Jahren Verluste an.“ Betriebsrat und Gewerkschaft zeigen sich jedoch bereit, das Geschäft zu sanieren, wenn es bei Airbus bleibt und nicht verstoßen wird. Die Arbeitnehmerseite nimmt für sich in Anspruch, die Hand Richtung Airbus ausgestreckt zu haben. Doch diese Hand habe der Konzern bisher nicht ergriffen, beklagt etwa Jürgen Kerner, der innerhalb des IG-Metall-Vorstands für Luftfahrtthemen zuständig ist. Nach dem Plan des Betriebsrats würden einfachere Arbeiten an Zulieferer im Ausland vergeben, wenn im Gegenzug zusätzliche höherwertige und Jobs sichernde Arbeitspakete an Standorten wie Augsburg landen. Auf den Kompromiss lässt sich die Airbus-Spitze bisher nicht ein. Das ist der Kern der zunehmend eskalierenden Lage bei dem Flugzeugbauer.

    Airbus-Chef erhebt Vorwürfe an die Gewerkschaft

    Faury hat hier seine eigene Sicht: „Das Verhalten, jeden Lösungsvorschlag – egal ob von intern oder extern - zu blockieren, wird das Problem nur verschlimmern, nicht lösen.“ Dann fährt der Franzose ein argumentativ scharfes Geschütz auf: „Den Rest des Unternehmens als Geisel zu nehmen, um diese Entwicklung zu verhindern, wird die Tradition des sozialen Dialogs, den wir bei Airbus pflegen, nicht gerecht.“ Der Manager hält die Warnstreiks schlicht für „nicht gerechtfertigt“. Die Argumente der Gegenseite seien nicht nachtvollziehbar.

    Alle Bemühungen des Unternehmens, die aufgebrachten Beschäftigten zu beruhigen, sind bislang vergeblich. So versucht Airbus damit zu punkten, dass „strenge Kriterien“ bei der Wahl eines Investors angelegt würden. Und der Konzern wolle weiter mit 25,1 Prozent an dem dann neuen Unternehmen für Einzelteile beteiligt bleiben. Dabei sollten die sozialen Standards des Airbus-Konzerns unter neuer Regie erhalten bleiben. Letztlich lockt Faury damit, dass der Flugzeugbauer an die Standorte des neuen Partners „zusätzliche Arbeitslast zuweisen könnte“. Das empfinden Betriebsrätinnen und Betriebsräte allerdings als Provokation. Sie fragen sich, warum das Airbus nicht schon heute tut und die ausgestreckte Hand der Belegschaft ergreift.

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