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Porträt: Das Benko-Drama: Der Schwabe und der Milliardär

Porträt

Das Benko-Drama: Der Schwabe und der Milliardär

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    Der Signa-Gründer René Benko (links) zieht sich aus der Holding zurück. Arndt Geiwitz (rechts) ist einer der bekanntesten Insolvenzexperten Deutschlands.
    Der Signa-Gründer René Benko (links) zieht sich aus der Holding zurück. Arndt Geiwitz (rechts) ist einer der bekanntesten Insolvenzexperten Deutschlands. Foto: Georg Hochmuth, APA/dpa und Marijan Murat, dpa

    Der Begriff „Wunderwuzzi“ hat es in den Duden geschafft. Die Sprachkundigen gestehen dem durch und durch österreichischen Wortgeschöpf einen spaßigen Genitiv zu. Es heißt natürlich „des Wunderwuzzis“. In der Alpen-Republik wird so ein Alleskönner, ein strahlender Tausendsassa verbal gehätschelt. In unserem Nachbarland existiert von jeher ein großes Bedürfnis nach Wunderwuzzis, Aufsteigern, die es allen zeigen und für das Land international Ehre einlegen, eben „champagnisieren“, es auf höchstem Niveau krachen lassen. Die Wunderwuzzi-Fallhöhe ist hoch, wie sich am Leben des früheren österreichischen Ober-ÖVP-Wunderwuzzis, dem Ex-Kanzler und Jung-Weltpolitiker Sebastian Kurz ablesen lässt. Dessen Schicksal hätte seinem ihm bestens vertrauten Landsmann, dem Groß-Immobilien-Spekulanten René Benko, Warnung genug sein müssen. Denn der inzwischen 37-jährige Kurz stürzte unter anderem über Korruptionsvorwürfe jäh ab. 

    Benko, der mit 46 einige Jahre älter ist, sah sich 2012 selbst einem Korruptionsverfahren ausgesetzt und wurde zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Das schmälerte nicht seinen internationalen Aufstieg als Immobilienunternehmer. Der einst als „Tiroler des Jahres“ gepriesene Mann hatte lange einen Riecher für unterbewertete Immobilien. Mit Charme, Sachkenntnis und Zähigkeit verstand er es, fette Millionen-Beträge einzusammeln und Gebäude so zu entwickeln, dass sie deutlich höhere Mieten abwarfen. Mit einer zünftigen Verzinsung hielt er seine Geldgeber bei der Stange. Das Benko-System lief prächtig, auch weil der Erfinder der Geldmaschine beste Drähte in Politik und Wirtschaft hat. Viele vertrauten dem pfiffigen, trickreichen Schlawiner oder auch "Schla-Wiener", wie Österreicher selbstironisch texten, viel Geld an.

    René Benko und die Tücken der Immobilien-Branche

    Doch der Immobilien-Branche wohnen Tücken inne, die regelmäß zum Vorschein kommen: So geriet das Benko-Reich mit der Pandemie, der Energiekrise, nach oben schnellender Inflation und steigenden Zinsen in die Krise. Irgendwann lassen sich Mieten nicht mehr erhöhen. Der Bedarf an Bürofläche geht zurück. Menschen haben sich ans Homeoffice gewöhnt. Nun wankt das Benko-Lebenswerk. In solch kritischen Phasen eines Unternehmens haben andere Charaktere Konjunktur. Sie werden wie Notärzte zur Hilfe gerufen. Einer der erfahrensten Unternehmens-Retter Deutschlands ist Arndt Geiwitz. Er hat sich unter anderem erfolgreich für den Fortbestand des Augsburger Unternehmens Weltbild eingesetzt. Der aus der Region Ulm stammende Schwabe kennt Benko aus der Zeit, als sich beide bemühten, Galeria Karstadt Kaufhof zu erhalten. Die Galeria-Insolvenz ist für das „Team Geiwitz“ abgeschlossen. Das Unternehmen agiert inzwischen wieder selbstständig.

    Jetzt sind die Sanierungs-Künste des Schwaben bei Benko selbst gefragt. Der 54-jährige Geiwitz geht mit seiner großen Mannschaft schnell und strukturiert vor. Der Wirtschaftsprüfer fiel bei vergangenen Restrukturierungsfällen auch mit menschlichen Qualitäten auf. Als Insolvenzverwalter der Drogeriemarkt-Kette Schlecker attestierte ihm der einstige Betriebsratsvorsitzende: „Herr Geiwitz ist ein Mensch mit einer sehr hohen sozialen und moralischen Verantwortung, so wie man es heutzutage nicht mehr häufig antrifft.“ Zwar gelang es dem Experten nicht, das inländische Schlecker-Geschäft zu retten, er kämpfte aber hart und ließ Einblicke in sein Inneres zu. Unserer Redaktion sagte Geiwitz einmal: „Meine Mannschaft und ich haben Tag und Nacht für eine erfolgreiche Sanierung gearbeitet. Ich hätte gerne eine Erfolgsstory präsentiert.“ Das sei leider nicht gelungen. Er sprach auch, was für Insolvenzverwalter unüblich ist, über seine damaligen Ängste: „Ich bin froh, dass mich die Medien nicht zerrissen haben. Journalisten haben mich fair behandelt.“ Seit dem Fall „Schlecker“ änderte Geiwitz seine Meinung gegenüber der Presse. Er versteckt sich nicht mehr wie früher und redet offen auch über Misserfolge. 

    Sanierungs-Experte Arndt Geiwitz ist ein Realist

    In den Tagen des Benko-Notarzteinsatzes findet Gewitz noch keine Zeit für ein weiteres, in die Tiefe gehendes Gespräch, wohl auch deswegen, weil der Konzern des Österreichers arg verschachtelt ist. Dem Deutschen eilt aber der Ruf eines Profi-Entwirrers voraus. Er hat früh gelernt, was Unternehmertum bedeutet. Nach der Zeit in der Internatsschule Schloss Salem und dem Betriebswirtschaftsstudium in Passau ist er in den elterlichen Betrieb, ein Schuhhandels-Unternehmen in Ulm, eingestiegen. Geiwitz erkannte bald, dass die Firma auf Dauer zu klein und damit nicht wettbewerbsfähig ist. Als Insolvenzverwalter sollte er später viele problematische Gespräche führen, das mit seinem Vater war nach eigenem Bekunden sein schwerstes. Denn Geiwitz erklärte ihm „Die Großen der Branche werden uns verdrängen, weil sie für 1-A-Lagen deutlich mehr Miete zahlen können.“ Schon damals war er ein Realist, so gar kein Wunderwuzzi. Der Vater war natürlich zunächst enttäuscht, dass sein Sohn das Unternehmen nicht weiterführen wollte und es für ihn verkauft hat. Später bedankte er sich bei ihm, schließlich gab es noch gutes Geld für die Firma.

    Bis heute hat sich Geiwitz die Bodenständigkeit eines Einzelhändlers, wie es sein Vater war, bewahrt. Dem Entschluss, das Familien-Unternehmen zu verkaufen, hat er seine Ulmer Karriere zu verdanken. Denn ein Freund des Hauses, der Wirtschaftsprüfer Werner Schneider, beriet ihn beim Verkauf des Schuhhandels-Unternehmens. Die Männer müssen sich schätzen gelernt haben. Denn Geiwitz stieg in die Neu-Ulmer Firma des Sanierungs-Spezialisten ein und wurde dort 2004 Partner. Heute arbeiten 330 Beschäftigte für das Unternehmen. Geiwitz wird nachgesagt, gut mit Patriarchen, älteren wie Anton Schlecker, aber auch jüngeren wie Benko umgehen zu können. Dem gescheiterten Schlecker brachte er Respekt entgegen. Er würdigte seine Lebensleistung und sagt noch heute: „Er hat es verdient, dass man ihn fair behandelt.“ Das gilt sicher auch für Benko, der sich vom Schulabbrecher zum Milliardär hochgearbeitet hat.

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