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Pferdefleisch-Skandal: Politiker fordern strengere Strafen für Fleischbetrug

Pferdefleisch-Skandal

Politiker fordern strengere Strafen für Fleischbetrug

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    Mit Pferdefleisch können Medikamente wie Phenylbutazon in die Lasagne gelangen. Foto: Victoria Bonn-Meuser dpa
    Mit Pferdefleisch können Medikamente wie Phenylbutazon in die Lasagne gelangen. Foto: Victoria Bonn-Meuser dpa

    Pferdefleisch ist drin, steht aber nicht drauf: Im Pferdefleisch-Skandal hat die Diskussion über politische Konsequenzen begonnen. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte eine rasche Aufklärung. "Die Europäische Union hat ein strenges Lebensmittelrecht. Aber Vorschriften machen nur Sinn, wenn sie auch konsequent umgesetzt und überwacht werden", schreibt Aigner in einem Gastbeitrag für Bild am Sonntag. "Die Lieferketten müssen gründlich durchleuchtet werden. Wo es Verstöße und Versäumnisse gab, muss das auch offengelegt werden."

    Höhere Strafen für Fleischbetrug?

    Die Vorsitzende der Länder- Verbraucherministerkonferenz, Lucia Puttrich (CDU), hält schärfere Strafen bei einem Betrug wie dem Pferdefleisch-Skandal für notwendig. "

    Die Verbraucherminister von Bund und Ländern wollen an diesem Montag über Konsequenzen aus dem Pferdefleisch-Skandal beraten. Brandenburgs Verbraucherministerin Anita Tack (Linke) sagte an die Adresse Aigner, sie erwarte erste Vorschläge für eine Herkunftskennzeichnung von Fleisch auch in Fertiggerichten. "Diese sollte kurzfristig auf den Weg gebracht werden." Zuvor hatte bereits die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast, verlangt, dass verarbeitetes Fleisch gekennzeichnet und die Aufzucht- und Mastbetriebe benannt werden müssten.

    Europaweit Pferdefleisch in Fertigprodukten

    In den Pferdefleisch-Skandal sind europaweit mehr Unternehmen verwickelt als bislang bekannt. Schrittweise kommt Licht in das Netz aus Produzenten, Lieferanten und Händlern von Fertigprodukten, in denen möglicherweise nicht deklariertes Pferdefleisch verarbeitet wurde. Kontrolleure suchen weiterhin in Deutschland und anderen europäischen Ländern nach verdächtigen Lebensmitteln. Inzwischen hat der Pferdefleisch-Skandal auch Bayern erreicht. Die Supermarktketten Edeka, Real, Rewe und Kaiser's Tengelmann sowie der Tiefkühllieferservice Eismann Lasagneprodukte aus dem Handel. Lidl stoppte den Verkauf von Rindfleischtortelloni der Eigenmarke Combino. Aldi Süd nahm Ravioli Bolognese und Rindergulasch in der Dose aus dem Handel.

    Skandal um Pferdefleisch: Einsatz des BKA wegen grenzüberschreitender organisierter Kriminalität

    Hygiene-Mängel: So werden Lebensmittel überwacht

    Die staatliche Lebensmittelüberwachung soll sicherstellen, dass Lebensmittelhersteller die Vorgaben auch einhalten und Verstöße unterbinden.

    In Bayern überwachen die Landratsämter und Städte laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelüberwachung rund 200.000 Betriebe.

    Betriebskontrollen würden grundsätzlich ohne Vorankündigung durchgeführt.

    Wie oft und wie genau die Kontrolleure prüfen, hängt vom Risiko ab: Wer leicht verderbliche oder Babynahrung anbietet oder schon negativ aufgefallen ist, wird häufiger unter die Lupe genommen.

    Dazu kommen Überwachungsprogramme der EU und des Bundes, saisonal wechselnde Schwerpunkte und Kontrollen nach Verbraucherbeschwerden.

    Die Kontrolleure besichtigen Betriebe, nehmen Proben und prüfen die Unterlagen.

    Bei fahrlässigen Verstößen gibt es eine Verwarnung oder Geldbußen, bei schweren Fällen drohen Geldstrafen, Haft und Betriebsschließung.

    Das Unternehmen kann auch zum Rückruf eines Produkts und zur öffentlichen Warnung in den Medien verpflichtet werden.

    Von den 64 054 Lebensmittelproben, die das Landesamt im Jahr 2010 untersuchte, waren 7085 oder 11 Prozent beanstandet worden - davon 309 wegen gesundheitlicher Risiken.

    Dabei ging es in 217 Fällen um Fleisch.

    Nach Ansicht des CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach ist im Pferdefleisch-Skandal auch der Einsatz des Bundeskriminalamts notwendig. "Sollte es auch deutsche Unternehmen geben, die in diesem Skandal kriminelle Aktivitäten entfaltet haben, muss wegen der internationalen Dimension das BKA die Ermittlungen übernehmen", sagte Bosbach dem Nachrichtenmagazin Focus. Es sei wichtig, dass ausländische Ermittlungsbehörden einen zentralen Ansprechpartner hätten. "Wir haben es offensichtlich mit grenzüberschreitender organisierter Kriminalität zu tun, die strafrechtlich konsequent verfolgt werden muss", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses dem Magazin.

    "Die kriminalpolizeiliche Seite des Skandals ist ebenso wichtig wie die Debatte um schärfere Lebensmittelkontrollen. Die Gesellschaft braucht das Signal, dass der Staat bei solchen Vergehen alle Anstrengungen unternimmt, die Ganoven zu überführen." Zugleich müssten die Täter hart bestraft werden, um potenzielle Nachahmer abzuschrecken.

    Pragmatische Pferdebesitzer: Widerlich ist nur das Tricksen

    Pferdefleisch in Deutschland

    Pferdefleisch gilt in vielen Ländern Europas als Delikatesse. Besonders in Frankreich, Italien und Island ist der Verzehr nicht außergewöhnlich. Zum Teil werden besondere Schlachtfohlen gezüchtet.

    In Deutschland kommt Pferdefleisch eher selten auf den Teller.

    Im Jahr 2011 wurden in der Bundesrepublik nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 11 200 Pferde geschlachtet.

    Gegenüber dem Vorjahr war das zwar ein Anstieg von 16 Prozent, doch bleibt damit der Anteil von Pferden bei der Fleischerzeugung mit deutlich unter 0,3 Prozent verschwindend gering.

    In Deutschland bieten meist spezialisierte Rossschlachter Produkte aus dem Fleisch von Schlachtpferden an, seit einer Gesetzesänderung in den 90er Jahren sind aber auch andere Fleischereien dazu berechtigt.

    Hierzulande wird Pferdefleisch vor allem als Grillwurst, Gulasch oder Roulade konsumiert.

    Auch für den traditionellen Rheinischen Sauerbraten wird in der authentischen Zubereitung nicht Rindfleisch, sondern das deutlich zartere und fettärmere Pferdefleisch verwendet.

    Ernährungsexperten geben den Fettgehalt von magerem Pferdefleisch mit 3 Prozent gegenüber 6 Prozent beim Rind an. Bei fettem Fleisch sind es 16 zu 31 Prozent. 100 Gramm Pferdefleisch enthalten etwa 3,5 Milligramm Eisen, bei der gleichen Menge Rindfleisch sind es nur 1,9 Milligramm.

    Pferdebesitzer sehen den Pferdefleisch-Skandal pragmatisch. Was die Reiter viel mehr beschäftigt: Würden sie ihr eigenes Pferd einschläfern oder schlachten lassen? Nach Auskunft der Deutschen Reiterlichen Vereinigung im westfälischen Warendorf sterben die meisten alten oder kranken Pferde in Deutschland im heimischen Stall. So ließen im Jahr 2011 etwa 55 000 dieser Vierbeiner ihr Leben - nur jedes fünfte Tier wurde geschlachtet.

    EU-weit werden jährlich nach Auskunft des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn mehr als 600 000 Pferde geschlachtet. Die Organisation kritisiert Schlachtpferde-Transporte, bei denen Pferde oft tagelang unter schrecklichen Bedingungen quer durch Europa gekarrt würden. Die häufigsten Routen führten von Polen, Rumänien und Spanien nach Italien. Dort gelte Pferdefleisch als Delikatesse. 85 000 Pferde würden dort jährlich geschlachtet. AZ/dpa

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