Natürlich Gerhard Schröder. Wenn es um die Gasröhre Nord Stream 2 unter der Ostsee geht, ist der Altkanzler nicht weit. Auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum, dem Davos des Ostens, erfüllt sein kehliges Lachen am Freitagmorgen den Raum. Schröder ist der Star unter den Gästen aus Deutschland, wird geherzt, getätschelt und geehrt, obwohl er vor anderthalb Jahrzehnten in Politikrente ging. Der 75-Jährige hat sich der Pipeline zwischen Deutschland und Russland verschrieben und wird dafür fürstlich entlohnt.
Sein Einsatz für das umstrittene Projekt wird derzeit schwer gebraucht. Denn auf ihren letzten Metern könnte die Leitung noch scheitern. Eigentlich könnte alles gut sein. Trotz erheblichen Widerstands der USA, vieler europäischer Partnerländer und der Ukraine sind über 1000 Kilometer der zwei Stränge von jeweils 1200 Kilometer Länge verlegt. Können die Arbeiter auf den Verlegeschiffen das Tempo halten, sind sie Ende des Jahres fertig. Zwei Entwicklungen torpedieren den Strang aus Stahl.
US-Präsident Trump will den Europäern Flüssiggas verkaufen
Dänemark hat als einziges von fünf betroffenen Ostsee-Ländern noch keine Baugenehmigung erteilt. „Das hat zu tun mit politischem Druck aus den USA“, beklagte Schröder beim „Nord-Stream-Frühstück“ auf dem Wirtschaftskongress. Die USA lehnen Nord Stream 2 ab und bearbeiten das kleine skandinavische Land nach Kräften. US-Präsident Donald Trump will gleichzeitig Russland schwächen und den Europäern eigenes verflüssigtes Erdgas (LNG) verkaufen. Wie sich die neue Regierung nach den Wahlen in Dänemark zur Röhre verhalten wird, ist völlig offen.
Ungemach droht auch aus der Ukraine. Die Ukrainer haben vor kurzem ebenfalls gewählt und den alten Präsidenten aus dem Amt befördert. Davon wird das deutsche Nord-Stream-Konzept massiv in Frage gestellt. Kanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) haben Kiew zugesagt, dass das Land weiter russisches Gas über seine Leitungen nach Westen leisten wird. Damit wollten sie die internationale Abneigung gegen Nord Stream 2 lindern. Die Ukraine verdient an den Transitgebühren und kann die Einnahmen gut gebrauchen.
Eigentlich wollte Moskau den ehemaligen Sowjet-Bruder abklemmen und das Gas über Nord Stream2 an Europa liefern. Ende des Jahres läuft der Liefervertrag zwischen Russland und dem klammen Nachbarn aus. Binnen sechs Monaten muss eine Einigung zwischen den verfeindeten Regierungen gefunden werden.
Polen und die baltischen Staaten fürchten die russische Dominanz
Die Aufgabe wird nicht leichter, weil Präsident Wolodymyr Selenskj ganz frisch im Amt ist und sich die politische Klasse erst nach den Parlamentswahlen im Sommer sortieren wird. „Es sind komplizierte Fragen damit verbunden. Die Zeit wird langsam knapp“, räumte Wirtschaftsminister Altmaier in Petersburg ein. Bis zur Sommerpause will er irgendwie die Grundlinien für einen Kompromiss herausschälen. Wegen der Annexion der Krim und dem von Russland ausgelösten Krieg in der Ostukraine fehlt den Ukrainern jegliches Vertrauen.
Durch die Abschaltung von Kohlekraftwerken und den Atomausstieg wird Deutschland mehr Gas zur Stromerzeugung brauchen. Weil die Gasförderung der Niederlande und Großbritanniens nachlässt, muss mehr Brennstoff aus anderen Ländern eingekauft werden. Für Deutschland ist der Kreml der bevorzugte Partner. Für ihn wiederum ist der Absatz von Gas und Öl die wichtigste Einnahmequelle. Der Rohstoff aus den Weiten Russlands hat den Vorteil, dass er derzeit deutlich billiger ist als der Verflüssigte aus den USA.
Trump pocht aber darauf, dass die Europäer sein LNG kaufen müssen. Selbst wenn die Hürden in Dänemark und der Ukraine überwunden werden, könnten die USA dem zehn Milliarden Euro schweren Projekt durch Sanktionen den K.O.-Schlag verpassen. Die Vereinigten Staaten könnten beispielsweise die hochspezialisierten Rohrverlege-Firmen mit Strafmaßnahmen belegen, sollten sie ihre Arbeit in der Ostsee fortsetzen. In Osteuropa wäre die Freude darüber groß, sollte er der Pipeline den Garaus machen. Polen und die baltischen Staaten fürchten eine zu hohe Abhängigkeit und russische Dominanz.
Schröder gab sich trotzdem überzeugt, dass im nächsten Jahr allen Widrigkeiten zum Trotz Gas durch die Leitung geschickt werden wird. „Dann gibt es vielleicht nicht nur Kaffee oder Wasser, sondern etwas Richtiges zu trinken“, sagte „Gas-Gerd“ am Ende seiner Rede im Kreise der Röhrenfreunde.
Deutschland und Russland vereinbaren Wirtschaftszusammenarbeit
Deutschland und Russland haben zudem erstmals seit Inkrafttreten der Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts auf Regierungsebene eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart. Es gebe erhebliches Potenzial, um die Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen, sagte Altmaier in St. Petersburg. Er und sein russischer Amtskollege Maxim Oreschkin unterzeichneten eine Absichtserklärung für eine Effizienzpartnerschaft. Gemeint ist, dass deutsche Technologien helfen sollen, die oft noch rückständige russische Wirtschaft flott für die Zukunft zu machen. (mit dpa)
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier