Der Weg zur Arbeit kann eine Qual sein. Wer Radio hört, kennt die Durchsagen: „Auf der A8 ist Stau, da braucht ihr 20 Minuten länger bis in den Feierabend“ ist nur eine der Durchhalteparolen, die jeden Tag aus deutschen Autoradios schallen. Pendeln gehört für viele zum Alltag und in Schwaben sind es offenbar besonders viele, die nicht dort arbeiten, wo sie wohnen. Laut dem IHK-Pendleratlas hat Schwaben ein Pendlerdefizit. Das heißt, es pendeln mehr Menschen hinaus, als andere zum Arbeiten herkommen. Dieses Defizit umfasst in Schwaben knapp 50.000 Beschäftigte. Das entspricht der Einwohnerzahl von Memmingen.
Betrachtet man den aktuellen IHK-Pendleratlas, dann ist Schwaben tiefrot. Alle Gemeinden, aus denen mehr Menschen zum Arbeiten heraus- als hineinpendeln, sind darin so eingefärbt, die anderen grün. Und grün sind nur wenige Flecken auf der Karte. Darunter sind – und das ist wenig überraschend – die städtischen Regionen Augsburg, Kaufbeuren, Kempten, Memmingen und Donauwörth. Auch die A8 ist umschlossen von einem grünen Pendlergürtel.
München hat eine große Sogwirkung auf Beschäftigte
Die IHK hat mithilfe von Pendlerdaten der Agentur für Arbeit nachvollzogen, wo es die meisten Beschäftigten in Schwaben hinzieht. Die größte Sogwirkung hat demnach die Stadt München. Dorthin pendeln viele aus den Gegenden um Augsburg, aber auch aus Augsburg selbst. Zwischen 2015 und 2020 ist die Zahl der Augsburger, die nach München pendeln, um 23 Prozent gewachsen. Das entspricht einer Gesamtzahl von 13.700 Menschen, die regelmäßig von Augsburg nach München fahren. Andersherum ist die Zahl der Münchner, die in Augsburg arbeiten, nur um ein Prozent gestiegen.
Aus ganz Schwaben arbeiten 45.000 Menschen in der Landeshauptstadt und deren Großraum. Auch an der Grenze zu Baden-Württemberg gibt es bedeutende Pendlerströme. Aus dem Raum Dillingen etwa in Richtung Heidenheim oder aus dem Raum Neu-Ulm nach Biberach.
Das Donau-Ries hat eine positive Pendlerbilanz
Innerhalb von Schwaben führen die Pendlerströme hauptsächlich in die größeren Städte oder Regionen, die verkehrstechnisch gut erschlossen sind. Eine positive Pendlerbilanz hat laut IHK-Erhebung auf Kreisebene nur das Donau-Ries. Das auf Gemeindeebene größte Pendlerdefizit haben die Orte Königsbrunn, Mering und Senden. Hier gibt es besonders große Auspendlerzahlen.
Nicht jeder findet an seinem Wohnort den passenden Arbeitsplatz. Vor allem bei Hochqualifizierten ist das so, sagt Niklas Gouverneur von der IHK. Auf diese Fachkräfte hätten vor allen Dingen Städte wie München eine große Anziehungskraft. Die IHK-Analyse zeigt: Hochqualifizierte, also Menschen mit Hochschulstudium, aber auch Fachkräfte, zieht es aus den ländlich geprägten Landkreisen vor allen Dingen in die kreisfreien Städte.
IHK: Verkehrsachsen müssen ausgebaut werden
Die Folgerung der IHK: Der Fachkräftemangel in der Region wäre deutlich geringer, würden alle Pendler auch in der Nähe ihres Wohnortes arbeiten. Diese Betrachtung bleibt natürlich rein rechnerisch, denn nicht jeder Pendler und jede Pendlerin findet das passende Unternehmen gleich vor der Haustür. Wenn es so wäre, würde wohl für viele die Entscheidung für das Arbeiten vor der Haustür eine leichte sein.
Doch für die IHK lässt sich daraus eine andere Forderung ableiten: Es müsse mehr getan werden für die schwäbische Infrastruktur. „Aufgabe der Politik ist es, dafür zu sorgen, dass man seinen Arbeitsplatz in Schwaben genauso schnell erreicht, wie wenn man nach München fährt“, sagt Gouverneur. Denn an Verkehrsachsen siedeln sich Unternehmen bevorzugt an und mit ihnen kommen die Arbeitsplätze.
68 Prozent der Deutschen pendeln mit dem Auto
Die Bedeutung solcher Mobilitätsachsen werde beispielsweise bei der „Technologieachse Süd“ deutlich. Dieser Wirtschaftsraum liegt entlang der Bahntrasse Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München und schließt auch den niederbayerischen Raum um Passau mit ein. Dort werden nach IHK-Erhebungen knapp 25 Prozent der gesamtdeutschen Wertschöpfung generiert und 48 Prozent aller deutschen Patentanmeldungen eingereicht.
Deshalb sei es wichtig, die Infrastruktur – vor allem auch auf der Schiene und im ländlichen Raum mit Busverbindungen – zu verbessern. Bus und Bahn spielen, betrachtet man ganz Deutschland, im Pendleralltag vieler noch eine untergeordnete Rolle. 68 Prozent nutzen für die Fahrt zur Arbeit das Auto, nur insgesamt 14 Prozent nutzen U-Bahnen, Straßenbahnen, Bus- und Zugverbindungen.
Nach zwei Jahren Pandemie stellt sich jedoch die Frage, wie sich die neuen Homeoffice-Möglichkeiten auf die künftigen Pendlerströme auswirken werden. Die IHK-Studie beinhaltet keine Zahlen dazu, wie viele der Arbeitnehmer zu der Zeit im Homeoffice saßen und deshalb nicht pendeln mussten. Ob Homeoffice oder nicht, das Grundproblem, nämlich die Abwanderung der Arbeitskräfte in andere Regionen, bliebe damit jedoch weiterhin bestehen.