Herr Huettl, deutsche Autohersteller wie die Marke Volkswagen sind in die Krise gefahren. Bei Opel läuft es besser. Die Zeit der roten Zahlen ist seit 2018 vorbei. Warum ist die Marke mit dem Blitz wieder auf Zack?
Florian Huettl: Opel hat seit 2017 viel erreicht. Wir haben früh auf Wachstumsfelder wie die Elektromobilität gesetzt und international neue profitable Märkte erschlossen – auch mit Nutzfahrzeugen. Und wir haben unsere Modell-Palette erneuert und erweitert. Nun ernten wir die Früchte dieser Arbeit.
Wie dick sind die Früchte?
Huettl: 2023 war ein sehr gutes Jahr für Opel. Wir haben rund 670.000 Autos verkauft, also 15 Prozent mehr als 2022. Das war das stärkste prozentuale Wachstum für unsere profitable Marke seit mehr als 20 Jahren. Dabei haben wir schon etwa 90.000 Autos mit batterieelektrischem Antrieb verkauft, ein Plus von 22 Prozent. Wir sind also genau in diesen Sparten gewachsen, die wir strategisch in den Blick genommen haben: So konnten wir neben dem Elektrobereich im Nutzfahrzeug-Geschäft und außerhalb Europas etwa in der Türkei zulegen. Die Richtung stimmt also.
Entwickelt sich Opel auch 2024 weiter positiv oder schlägt der Einbruch des E-Auto-Marktes in Deutschland bei der Marke wie ein Blitz ein?
Huettl: 2024 wird eher ein Jahr der Konsolidierung und der Stabilität für Opel. Modelle wie der Crossland und der bisherige Grandland laufen aus. Die neuen Frontera und Grandland kommen erst noch zu den Händlern. Opel steht insgesamt aber sehr gut da. Und wir blicken optimistisch in die Zukunft. Denn wir können in diesem Jahr unseren Kunden für jedes Modell, ob Pkw oder Nutzfahrzeug, neben einem Verbrenner- einen reinen Elektroantrieb anbieten. Dazu sind wir als erster deutscher Hersteller in der Lage. Der Kunde hat also bei Opel die freie Wahl des Antriebs.
Wie negativ wirkt sich die Einstellung der deutschen Prämie für E-Autos Ende 2023 auf Opel aus? Der Markt ist seitdem hierzulande eingebrochen.
Huettl: Diese Entscheidung hat die Wende zur E-Mobilität in Deutschland tatsächlich eingebremst. Noch 2023 war Deutschland mit Abstand der führende Markt für E-Autos in Europa. Dieses Jahr sieht das leider anders aus. Der Markt für E-Autos in Deutschland ist um rund 30 Prozent eingebrochen, dagegen hat sich der Markt in anderen europäischen Ländern weiter positiv entwickelt. Die Elektro-Reise geht weiter, nur Deutschland befindet sich im Wartestand.
Wie kann die Bundesregierung den gravierenden Fehler gutmachen? Muss sie eine neue Kaufprämie für E-Autos auflegen?
Huettl: Wir schaffen es als Hersteller nicht allein, die Menschen zum Umstieg auf E-Autos zu bewegen. Die Ladeinfrastruktur muss weiter ausgebaut werden und die Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie müssen erweitert werden. Wir wünschen uns eine klare Linie der Politik und langfristige Stabilität des Gesetzgebers. Opel freut sich dabei über jede Unterstützung seitens der Bundesregierung.
Fordern Sie also eine neue Kauf-Prämie?
Huettl: Ja, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass die deutsche Kaufprämie gerade in unteren Preis-Segmenten Menschen überzeugt hat, sich ein E-Auto zu kaufen. Dadurch werden E-Autos erschwinglicher. Natürlich helfen uns auch steuerliche Vergünstigungen. Doch wir brauchen einen Kauf-Impuls, der eine Breitenwirkung entfaltet.
Investiert Opel dann weiter kräftig in Deutschland?
Huettl: Wir haben massiv in unsere deutschen Werke investiert. In Rüsselsheim wird vor allem der Opel Astra gebaut, den wir in diesem Jahr sehr erfolgreich verkaufen. In Eisenach fertigen wir den Grandland, unser Top-of-the-Line-SUV. Wer in Deutschland Autos produziert, muss Standort-Nachteile wie hohe Energiekosten, hohe Arbeitskosten und vieles mehr in Kauf nehmen. Um diese negativen Faktoren auszugleichen, müssen unsere deutschen Werke flexibler und leistungsfähiger arbeiten als Auto-Fabriken in Ländern mit einer günstigeren Kostensituation.
Klappt das?
Huettl: Das ist Opel bisher gut gelungen. Wir investieren also weiter in Deutschland.
Doch Opel produziert nur teurere und damit höherwertige Autos in Deutschland. Günstigere Modelle wie der Corsa kommen aus der Fabrik der Opel-Mutter Stellantis im spanischen Saragossa. Und der neue SUV Frontera entsteht bei Stellantis in der Slowakei.
Huettl: Wir können in Deutschland keine Elektroautos bauen, die zwischen 25.000 und 30.000 Euro kosten. Mit den deutschen Lohn- und Energiekosten geht das heute einfach nicht. Deswegen fertigen wir den Corsa und auch den Frontera an kostengünstigeren Standorten. Um gegenüber neuen Konkurrenten aus China zu bestehen, müssen wir die Kosten im Griff haben und permanent an unserer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.
Opel setzt trotz des Einbruchs in Deutschland weiter voll auf E-Mobilität und will ab 2028 nur noch Elektro-Autos bauen. Ist das nicht zu riskant?
Huettl: Schon bevor Brüssel das Verbrenner-Aus ab 2035 verkündet hat, haben wir bei Opel auf die E-Mobilität als Weg hin zur CO₂-Neutralität gesetzt. Dabei haben wir auch schwierige Entscheidungen getroffen und uns von Modellen verabschiedet, die keine Zukunft als E-Auto hatten. Wir sind fest davon überzeugt: Elektro-Autos sind die besseren Fahrzeuge.
Wirklich? Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger etwa fordert Technologie-Offenheit. Das Verbrenner-Aus ab 2035 sei ein Fehler. Sind E-Autos wirklich die besseren Autos?
Huettl: Das sind sie. Wer je ein E-Auto gefahren ist, will nie wieder ein anderes fahren. Denn E-Autos machen keinen Lärm. E-Autos produzieren keine Abgase. E-Autos weisen keine Vibrationen beim Fahren auf. E-Autos lassen sich rasch beschleunigen. E-Autos bieten ein angenehmes Fahrerlebnis. E-Autos haben niedrigere Unterhaltskosten, denn Laden ist günstiger als Tanken. Mit E-Autos können wir als Massenhersteller langfristig Kunden nachhaltige und bezahlbare Mobilität anbieten.
All das hat Aiwanger und andere Skeptiker bisher nicht überzeugt. Noch einmal: Sollte das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 aufgeweicht werden?
Huettl: Nein, wir haben uns auf das Datum eingestellt und hoffen, dass Brüssel daran festhält. Und wir haben uns auch auf die Verschärfung der CO₂-Vorgaben durch die EU im kommenden Jahr vorbereitet und hoffen auch hier auf Stabilität aus Brüssel.
Befürchten Sie dennoch, dass Opel die strengeren CO₂-Vorgaben im kommenden Jahr nicht erfüllen kann und hohe Strafen zahlen muss? Das droht VW.
Huettl: Wir werden die verschärften CO₂-Vorgaben im Jahr 2025 erfüllen. Um das zu erreichen, muss etwa jeder fünfte Opel, den wir 2025 verkaufen, einen Elektroantrieb haben. Wir haben hier noch Arbeit vor uns. Aber auch dank der neuen Elektro-Modelle Frontera und Grandland in den wichtigen SUV-Segmenten schaffen wir das und werden Strafzahlungen vermeiden. Das alles erfordert Anstrengungen von uns. Wir sind aber überzeugt: Der Gesetzgeber muss nach den massiven Eingriffen in unsere Industrie Kurs halten. Wenn die Ziele wie das Verbrenner-Aus aufgeweicht würden, käme das einer Bestrafung von Firmen wie Opel gleich, die rechtzeitig massiv in die E-Mobilität investiert haben.
Wann bietet Opel ein Elektro-Auto für 25.000 an? Der elektrische Corsa kostet noch knapp unter 30.000 Euro und mehr. Und der Corsa ist ein Kleinwagen.
Huettl: Wir sind dran am Elektro-Auto für 25.000 Euro. Wir haben hier große Fortschritte erzielt. Mit dem Opel Corsa und dem Frontera haben wir bereits die Schwelle von 30.000 Euro knapp unterschritten. Unser nächstes Ziel ist, die Schwelle von 25.000 Euro zu knacken.
Schafft es Opel auch, bald die Legende Manta wieder zum Leben zu erwecken und als Elektro-Auto auf den Markt zu bringen? Es gab ja vorübergehend Zweifel, ob das klappt.
Huettl: Der Manta ist ein spannendes Modell mit hohem emotionalem Potenzial. Deswegen haben wir uns vor einigen Jahren dafür entschieden, das Manta-Projekt in unser Programm aufzunehmen. Wir arbeiten nach wie vor an diesem neuen, elektrischen Modell.
Das Manta-Programm ist demnach nicht auf Eis gelegt worden, wie französische Medien spekuliert haben.
Huettl: Wir bauen weiter Modelle, die Anleihen an der großartigen Geschichte von Opel nehmen, mit denen wir aber nach vorn schauen und einen Nutzwert für möglichst viele Kunden bieten. Das trifft auch auf das Manta-Projekt zu.
Bringen Sie den Manta 2025 auf den Markt, wie es ursprünglich einmal geplant war?
Huettl: Das dauert schon noch länger. Es wird ein hochemotionales Modell.
Bekommen dann Käuferinnen und Käufer einen Fuchsschwanz beim Kauf eines Mantas geschenkt?
Huettl (lacht): Das bleibt jedem unserer Kunden überlassen.
Zur Person: Florian Huettl, 47,ist seit Juni 2022 Opel-CEO. Zuvor war er Vertriebs- und Marketingchef von Opel/Vauxhall. Huettl ist auch Mitglied des Top Executive Teams von Stellantis und berichtet direkt an Stellantis-CEO Carlos Tavares. Huettl hat als Auto-Manager reichlich internationale Erfahrungen gesammelt, ob in Großbritannien, Frankreich, Russland oder in der Schweiz. Seine Wurzeln liegen aber in Unterfranken. Er stammt aus Aschaffenburg.
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