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Österreich: Die funkelnden Zeiten im Swarovski-Reich sind vorbei

Österreich

Die funkelnden Zeiten im Swarovski-Reich sind vorbei

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    Von Swarovski stammten die Tiaras für die Debütantinnen des Wiener Opernballs – doch die Zukunft des Tiroler Kristall-Reichs ist ungewisser denn je.
    Von Swarovski stammten die Tiaras für die Debütantinnen des Wiener Opernballs – doch die Zukunft des Tiroler Kristall-Reichs ist ungewisser denn je. Foto: Herbert Neubauer, dpa

    Stets hatte er zwei Gesichter, der Swarovski-Konzern. Da ist auf der einen Seite das schillernde österreichische Traditionsunternehmen mit einer über 125-jährigen Geschichte – gegründet 1895 vom böhmischen Glasschleifer Daniel Swarovski – , weltweit bekannt für die Glas- und Schmucksteine, Ferngläser, Linsen und Brillen von hoher Qualität und heute eine milliardenschwere Firma. Ein Unternehmen, das sich seit jeher seiner arbeiterfreundlichen, sozialen Kultur rühmt – ganz im Sinne des Gründers, der in Tirol Werkswohnungen bauen ließ, die Wasserversorgung verbesserte und vor allem tausende Arbeitsplätze schuf. Auf der anderen Seite aber steht der Name Swarovski für einen rund 200 Köpfe starken Familienclan, dessen millionenschwere Mitglieder immer wieder für Schlagzeilen sorgen.

    80 Mitglieder der Familie Swarovski streiten sich um den Konzern

    Seit Jahren streiten die 80 Familienmitglieder, die in der Führung der drei Kommanditgesellschaften des Konzerns sitzen, um die Zukunft der Swarovski-Unternehmen. Denn die märchenhaften Zeiten für die Marke sind dahin: Die Corona-Krise ließ 2020 den Umsatz um eine Milliarde Euro einbrechen, im vergangenen Jahr brach die langjährige Führungsstruktur des Swarovski-Clans auseinander, Vertreter und Eigentümer der einzelnen Gesellschaften ziehen sogar gegeneinander vor Gericht. Nach dem langjährigen Geschäftsführer Robert Buchbauer und Finanzchef Mathias Margreiter zog sich schließlich auch Nadja Swarovski zurück. Sie hatte viele Jahre lang den Marketingbereich geleitet. Von einem „Sanierungsfall“ sprach deshalb die Beratungsfirma Kearny.

    Personalabbau, Kündigungen und eine immer stärkere Verlagerung der Produktion ins Ausland aber hinderten die Familienmitglieder zumindest bis 2018 nicht daran, kräftig zuzulangen: An die 100 Millionen Euro soll sich die 80-köpfige Führungsriege jährlich als Gewinn ausschütten haben lassen, schätzt das Manager Magazin. Wie viel genau und wer was bekommt, bleibt ein Geheimnis: Der Betriebsrat der Firma sitzt nicht im Gremium, und das österreichische Recht verpflichtet eine Kommanditgesellschaft auch kaum zu Transparenz. Seit zwei Jahren aber soll es keine Dividenden mehr geben, berichtete der Spiegel.

    Massenkündigungen per Videokonferenz sorgten für einen handfesten Skandal

    Wie es mit dem Kristall-Konzern mit langer Tradition und den tausenden Arbeitsplätzen am Stammsitz Wattens im Inntal weitergeht, wird zusehend unsicher. Dass die soziale Unternehmenskultur dahin ist, sorgt nicht nur intern für Unmut: Rund 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde 2020 gekündigt. Im Oktober des ersten Pandemie-Jahres erfuhren viele von ihnen davon nicht in einem persönlichen Gespräch, sondern über einen großen Bildschirm am Unternehmenssitz. Er zeigte die Namen und Abteilungen derer, die gehen mussten, in einem roten Feld, diejenigen, die bleiben durften, in einem grünen. Der Vorgang sorgte für einen handfesten Skandal. Er habe „selten etwas so Niveauloses gesehen“, sagte der Chef der Tiroler Arbeiterkammer, Erwin Zangerl.

    Man bedauere es, „sollte es in einer Abteilung zu einer Fehlleistung einer Führungskraft gekommen sein“, lautete die offizielle Swarovski-Reaktion. Zuvor, berichtete das Kontrast-Magazin der SPÖ, habe man sich Millionen an Kurzarbeits-Geldern vom Staat auszahlen lassen – und trotzdem kam es nach der gesetzlich vorgeschriebenen, einmonatigen Behalte-Frist, zu den Kündigungen. Swarovski, so der Vorwurf, benutze die Pandemie, um Mitarbeiter loszuwerden, ein Vorhaben, das schon lange geplant gewesen sei. Gewerkschaft und Sozialdemokraten forderten deshalb die Rückzahlung der staatlichen Kurzarbeit-Zuschüsse.

    Swarovski hat sich mit der Neuausrichtung verkalkuliert

    Der massive Jobabbau in Wattens könnte sich rückblickend als strategischer Fehler herausstellen: Die neue Unternehmens-Strategie rückt von der Produktion von Einzelkristallen ab, die jahrzehntelang nicht nur edle Roben und Schuhe von Spitzendesignern zierten, – und setzt auf Schmuck. Eine neue Linie soll Swarovski auch als „erschwingliche Luxusmarke“ positionieren, mit eigenen Shops. Doch aufgrund der heruntergefahrenen Produktionskapazitäten stocken die Lieferungen. Jetzt fehlen plötzlich die erfahrenen Arbeitskräfte, von denen viele jahrzehntelang im Werk Steine geschliffen hatten. Und längst lassen sich Modelabels von Strass- und Steinschleifern aus Asien beliefern, da diese weitaus billiger produzieren. Auch Swarovski wollte die Endfertigung gänzlich nach Vietnam verlagern – ein Vorhaben, das schließlich scheiterte.

    In Tirol fürchtet man deshalb, dass bald nur mehr das „Kristallwelten“-Museum und eine Mini-Produktion des einstigen Schmuckstein-Giganten übrig bleiben könnte. Erstmals soll jetzt jedenfalls die gesamte Unternehmensführung in die Hände eines externen Managers oder einer Managerin gelegt werden. Headhunter sind schon auf der Suche. Den rund 3500 Mitarbeitern in Wattens bleibt derweil nicht viel mehr als die Hoffnung, dass es weitergeht im Tiroler Reich der funkelnden Steine. Irgendwie.

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