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So ticken die Verdi-Streikführer Frank Werneke & Ulrich Silberbach

Öffentlicher Dienst

So ticken die beiden deutschen Streikführer

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    Verdi-Chef Frank Werneke spricht in Potsdam zu den Demonstranten.
    Verdi-Chef Frank Werneke spricht in Potsdam zu den Demonstranten. Foto: Carsten Koall, dpa

    Der Vorname Frank kann in der Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi zum Fluch werden. Denn 18 Jahre führte Frank Bsirske die nach der IG Metall zweitmächtigste deutsche Arbeitnehmer-Organisation erfolgreich mit viel Herzblut. Verdi-Chef war sozusagen sein zweiter Vorname. Der 71-Jährige, der inzwischen für die Grünen im Bundestag sitzt, ist bis heute bekannt. In solch große Fußstapfen zu passen kann schwierig werden. Doch Frank II. Werneke trat 2019 wie selbstverständlich ohne Getöse und mit einem guten Wahlergebnis von 92,7 Prozent die Nachfolge von Frank I. Bsirske an. Dass er sich so schnell in das Amt eingefunden hat und mit den Streiks bei der Lufthansa und jetzt im Öffentlichen Dienst immer bekannter wird, hat mit seiner ausgeprägten Gewerkschafts-Vergangenheit zu tun.

    Werneke, 55, ist ein Verdi-Gewächs und war lange Vize der Gewerkschaft und in der Funktion zuletzt für die Bereiche „Finanzen“, „Medien“, „Kunst“ und „Industrie“ zuständig. Zu der Arbeitnehmer-Organisation fand er, um „Ungerechtigkeiten zu überwinden“. So erlebte Werneke in seinem Ausbildungsbetrieb als junger Mann den ersten großen Streik mit. Das hat ihn geprägt: „Dort habe ich gespürt, dass Zusammenhalt Macht verleiht.“ Unserer Redaktion sagte er einmal, seine Machtformel sei einfach: „Um erfolgreich zu sein, brauchen wir ausreichend viele Mitglieder in den Betrieben.“ Das Thema geht der sachliche Ostwestfale strategisch an: Er nutzt Tarifkonflikte wie im Öffentlichen Dienst, um den Einfluss der Gewerkschaft zu vergrößern, indem Verdi im Zuge solcher Auseinandersetzungen neue Unterstützer gewinnt. Zuletzt konnte die Gewerkschaft mit rund 70.000 zusätzlichen Mitgliedern so stark wachsen wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Das ist ein großer Erfolg für Werneke. Die Fußstapfen von Bsirske füllt er mittlerweile aus.

    Verdi-Streik: Frank Werneke nutzt die Gunst der Stunde

    Das nüchterne Kalkül des im Gegensatz zu seinem Vorgänger mit weniger Kraftausdrücken auskommenden Werneke lautet: „Durch den Arbeitskräftemangel in weiten Teilen der Dienstleistungsbranche ist die Verhandlungsmacht von Verdi gestiegen.“ Vor fünf Jahren war das noch anders. Da konnten Arbeitgeber aus Sicht des Gewerkschafters „Lohndrückerei durchsetzen“. Werneke nutzt also die Gunst der Stunde und fordert für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro pro Mitarbeiter, um in Hoch-Inflationszeiten gerade die Bezieher niedriger Einkommen besserzustellen.

    Seine unausgesprochene Devise lautet: „Wann, wenn nicht jetzt.“ Kühl analysiert der Macht-Arithmetiker und Sozialdemokrat die Lage und bezieht in seine Überlegungen sicher auch ein, dass mit Innenministerin Nancy Faeser und der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge auf der Arbeitgeberseite zwei SPD-Frauen mit ihm für den Öffentlichen Dienst verhandeln. Die Genossinnen können es sich kaum leisten, kein Herz für die unter hohen Energie- und Nahrungsmittelpreisen leidenden Beschäftigten zu zeigen.

    Für den Verdi-Chef ist Streik ein Mittel für einen guten Zweck

    Werneke geht gezielt vor. Streik ist für ihn nur ein Mittel zum guten Zweck – und das sind gute Löhne für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des personell ausblutenden Öffentlichen Dienstes. Er veranstaltet Krawall nicht des Krawalls willen, sondern wegen seiner lohnsteigernden Wirkung. Da passt zwischen Werneke und den Chef des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, kein Blatt Papier. Hand in Hand geht der Verdi-Chef mit dem ebenfalls mächtigen Mitstreiter vor. Silberbach sieht sich nach wie vor als Mann der Basis, der um die Nöte der Beschäftigten in den Amtsstuben Bescheid weiß. Im Interview mit unserer Redaktion sprach der umgängliche und wie Werneke strategisch denkende Kölner von einem „großen Frust in den Dienststellen“, der noch einmal angestiegen sei. Sein erschütternder Befund lautet, dass die Beschäftigten erkennen mussten, ihr Dienstherr, eben die Politikerinnen und Politiker, würde ihre Arbeit nicht schätzen. 

    Nach Silberbachs Rechnung sind im Öffentlichen Dienst bundesweit rund 360.000 Arbeitsplätze nicht besetzt. Es drohe ein Staatsversagen, weil der Öffentliche Dienst die Vorgaben der Politik nicht erfüllen könne. Silberbach packt Faeser und Welge bei der Ehre. Die beiden Politikerinnen haben es mit dem geschickt vorgehenden Männer-Duo nicht leicht. Werneke und Silberbach gehen die Argumente für deutlich höhere Löhne nicht aus. Doch was passiert, wenn die Arbeitgeberseite sie mit dem zum Teil berechtigten Verweis auf knappe öffentliche Kassen abprallen lässt? Dann greift der Plan B von Werneke und Silberbach: Durch eine Schlichtung könnten Bund und Kommunen gezwungen werden, höhere Lohnsteigerungen zu gewähren. Wenn eine solche Friedensstiftung nicht zustande kommt, kommt Plan C ins Spiel: Nach Urabstimmungen würde ein unbefristeter Arbeitskampf folgen.

    Ulrich Silberbach ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes.
    Ulrich Silberbach ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes. Foto: Christophe Gateau, dpa

    Beamtenbund-Chef Silberbach droht mit "Lockdown" für Öffentlichen Dienst

    Silberbach drohte schon in Bsirske-Manier mit einem „Lockdown für den Öffentlichen Dienst“. Werneke scheut derlei Kraftausdrücke und ergänzt sich insofern mit dem 61-jährigen Silberbach, der einst im Kölner Ordnungsamt als Verwaltungsfachangestellter gearbeitet hat. Darauf angesprochen, ob er heute wieder in den Öffentlichen Dienst gehen würde, zögert Silberbach nicht: „Ja, weil es enorm sinnstiftend ist, für das Gemeinwesen und damit das Gemeinwohl zu arbeiten.“ Er brenne für das Gemeinwohl, versichert Silberbach.

    Die Interessen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst vertreten zwei von ihrer Sache außerordentlich überzeugte Menschen. Der Sozialdemokrat Werneke hakt sich beim CDU-Mitglied Silberbach unter. Sie bilden eine „Große Koalition“ für den Öffentlichen Dienst. Dass sie sich dabei am Montag als dritten Partner die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG mit ins Streiklager geholt haben, ist aus Sicht von Werneke und Silberbach strategisch clever, haben sie dadurch doch ihre Verhandlungsmacht erhöht. Über die Aktion der EVG hat sich Claus Weselsky, Chef der konkurrierenden Lokführer-Gewerkschaft GDL, mächtig aufgeregt. Er spricht von einem „Schmierentheater“. Das prallt an Werneke und Silberbach ab. 

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