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Oberallgäu: Wie aus einer kleinen Hauskäserei der Konzern Champignon-Hofmeister wurde

Oberallgäu

Wie aus einer kleinen Hauskäserei der Konzern Champignon-Hofmeister wurde

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    Auch Kunst aus dem Kessel gehört heute zu Champignon: Ein mehrere Meter großes Rührwerk aus der eigenen Milchverarbeitung empfängt Besucher der Käserei im Oberallgäuer Lauben-Heising. Davor: Inhaber Robert Hofmeister.
    Auch Kunst aus dem Kessel gehört heute zu Champignon: Ein mehrere Meter großes Rührwerk aus der eigenen Milchverarbeitung empfängt Besucher der Käserei im Oberallgäuer Lauben-Heising. Davor: Inhaber Robert Hofmeister. Foto: Ralf Lienert

    Wer der Erste war im Allgäu? Das lässt sich nicht mehr ganz genau sagen. Denn ums Jahr 1900 gab es mehrere Käsereien, die den für schwäbische Gaumen neuartigen Camembert herstellten. Doch während Mitbewerber meist nur eine überschaubare Reichweite erzielten, ging es mit der 1908 gegründeten Käserei Champignon steil nach oben. Zwei Jahrzehnte nach dem Start wurde der Weichkäse aus dem kleinen Ort Heising bei Kempten bereits für den Export verpackt. 1939 heimste Champignon erstmals den Titel „Deutschlands meistverkaufte Camembert-Marke“ ein.

    Produkte aus dem Oberallgäu finden sich rund um den Globus

    Heute finden sich die Produkte der vom Oberallgäu aus gesteuerten Unternehmensgruppe fast rund um den Globus in Regalen und Kühltheken. 55 Länder auf vier Kontinenten stehen auf der Exportliste. An den fünf Standorten in Bayern und Sachsen werden Jahr für Jahr etwa 450 Millionen Kilo Milch und über 500 Millionen Kilo Molke verarbeitet.

    Robert Hofmeister, Inhaber von Champignon-Hofmeister.
    Robert Hofmeister, Inhaber von Champignon-Hofmeister. Foto: Ralf Lienert

    „Die Idee der Firmengründer Leopold Immler und Julius Hirschle war genial“, sagt Robert Hofmeister, der geschäftsführende Gesellschafter der Champignon-Hofmeister-Gruppe, mit einem versonnenen Lächeln. Denn das geschäftstüchtige Duo machte den markanten Pilzduft seines neu entwickelten Weichkäses zum Markenzeichen. Das bis heute verwendete Logo mit den drei Pilzen war geboren – und der Champignon-Camembert eines der ersten Markenprodukte der deutschen Milchwirtschaft.

    Angefangen hat die Hauskäserei mit 500 Litern Milch am Tag

    Der heutige Industriebetrieb mit haushohen Milchtanks, großflächigen Reiferäumen, Prüflaboren und ausladender Versandhalle hat nichts mehr gemein mit der Hauskäserei, die mit bescheidenen 500 Litern Milch am Tag anfing – zwei Dinge ausgenommen: den weißen Rohstoff und die Innovationskraft der Firmenchefs. „In den Dreißigerjahren wurde der Camembert in Dosen verpackt, um ihn haltbarer und damit über weite Distanzen lieferbar zu machen“, nennt Hofmeister ein Beispiel. Auf einem Ozeanliner wurde der Camembert gar einem „Tropentest“ unterzogen.

    Auch die Brüder Josef und Georg Hofmeister, die die Käserei 1961 übernahmen und die bis heute währende Familien-Ära einläuteten, hielten nichts von Routine. „Sie sind als Erste in Deutschland in die Fernsehwerbung eingestiegen“, erinnert der 64-Jährige an die Experimentierfreude von Vater und Onkel. Es folgten immer wieder neue Produkte, von der Blauschimmel-Spezialität „Cambozola“, die in Großbritannien seit vielen Jahren Marktführer ist, bis zum Grill- und Ofenkäse „Rougette“. Weitere Standorte kamen hinzu, andere Firmen wurden übernommen oder gegründet, neue Märkte erschlossen.

    Bekannt ist auch der Grill- und Ofenkäse „Rougette“

    Mit der Übernahme durch die Familie Hofmeister hielt auch die Herstellung von Milch- und Molkepulver Einzug. Heute sind die Trockenprodukte – weltweit vertrieben unter dem Markendach Alpavit – ein wichtiges Standbein der Unternehmensgruppe mit ihren etwa 1000 Mitarbeitern. Die Derivate sind wichtiger Rohstoff für Säuglingsnahrung und Schokolade, aber auch für Joghurts, Frischkäse, Suppen und Soßen.

    „Wie beim Käse ist hier die gleichbleibende Qualität entscheidend“, sagt der Unternehmenschef – ein studierter Betriebswirt, der sein Profil in der Werbebranche, in Handel und Vertrieb abgerundet hat. Der weltweit agierende Lebensmittelkonzern Nestlé hat die Alpavit-Produkte mit einem Supplier-Award, einer Auszeichnung für herausragende Lieferanten, geadelt. Und auch bei Pharmazieprodukten steht Alpavit laut Hofmeister hoch im Kurs.

    Doch zurück zum Käse und der Frage, was Lebensmittel heutzutage überhaupt attraktiv macht. Der Geschmack allein, davon ist der 64-Jährige überzeugt, mache einen Käse noch nicht zum Bestseller. Mindestens genauso wichtig sei es, Kunden ein Lebensgefühl und die Freude am Genuss zu vermitteln, wie es auch ein guter Wein tue. So knüpft der weltweit ausgezeichnete Blauschimmel „Grand Noir“ bewusst an die Küche und das lässige „Savoir vivre“ der Franzosen an.

    Gleichzeitig aber sei heute eine familiengerechte Form des Essens gefragt. „Wir wollen die Leute am Esstisch zusammenbringen“, sagt Hofmeister. Und die Zukunft? „Man braucht nicht jedem Trend hinterherzulaufen. Aber man darf nachhaltige Konsumentenveränderungen nicht verpassen.“ Dazu gehört es etwa, dem Bedürfnis vieler Menschen nach bequem zubereitbarem Essen nachzukommen. Weshalb beispielsweise die Bandbreite des Ofen- und Grillkäses stetig erweitert wurde.

    Erfahrung und Bauchgefühl der Käsemeister spielt eine wichtige Rolle

    Bei der Entwicklung eines neuen Produkts fließen bei Champignon eine Vielzahl von Faktoren ein. Die Erfahrung und das Bauchgefühl der Käsemeister spielt dabei laut Hofmeister eine wichtige Rolle, aber auch Kundenbefragungen und Analysen von Geschmackslabors gehören dazu. Apropos Analysen: „Milch ist das am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter – vom Stall bis zum fertigen Käse gebe es ein lückenloses Qualitäts-Monitoring. „Da darf nichts drin sein, was wir nicht wollen.“

    Für die nächsten Jahre sieht der Inhaber das Familienunternehmen ungeachtet aller Herausforderungen gut aufgestellt. Dass Handelszölle den Export erschweren und nationale Interessen immer mehr zunehmen, sieht Hofmeister mit Sorge: „Wenn jeder auf seinem Klavier spielt, bleibt das ein Klavier. Wir brauchen aber ein Orchester.“

    Auf möglichst viel Gleichklang setzt der 64-Jährige auch bei seinen etwa 850 Milchlieferanten. „Wir brauchen einen Konsens, der alle Interessen auf sich vereint.“ Am Ende müssten alle Beteiligten einen adäquaten Ausgleich für ihre Leistung erhalten – auch die Bauern, die in der jüngsten politischen Diskussion zu Unrecht für viele Themen kritisiert worden seien. Eines müsse letztendlich aber klar sein: Das Diktat der Discounter, die maßgeblich an der Entwicklung des Milchpreises beteiligt sind, könne man als Käserei nicht steuern.

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