Mitten in der Energiekrise geht vor allem die Angst rund um das Gas um. Zwar fließt seit Donnerstag wieder Gas durch Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland, doch nicht so viel wie zuvor – und niemand weiß, ob Russlands Präsident Wladimir Putin den Gashahn bald nicht komplett zudreht. Diese Sorgen treiben auch die EU-Kommission um, die nun einen Notfallplan für eine drohende Gaskrise entworfen hat.
Notfallplan Gas der EU-Kommission: "Gas sparen für einen sicheren Winter"
"Gas sparen für einen sicheren Winter". So lautete ein Slogan, der bei der Pressekonferenz der EU-Kommission, bei welcher der Notfallplan vorgestellt wurde, auf den Bildschirmen zu sehen war. Der Notfallplan Gas enthält eine ganze Reihe von Maßnahmen, durch die auf einen kompletten Lieferstopp von Gas aus Russland in die Länder der Europäischen Union reagiert werden kann. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen glaubt, dass ein solches Szenario, was endgültig eine Gaskrise entfesseln würde, durchaus wahrscheinlich ist. EU-Kommission will Staaten zum Gas-Sparen zwingen können
"Wir müssen uns auf eine mögliche vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten", sagte die deutsche Politikerin in Brüssel. Hintergrund ist dabei, dass Russland schon aktuell zwölf EU-Mitglieder gar nicht mehr, oder nur teilweise mit Gas versorgt. Deutschland erhält derzeit rund 40 Prozent der Transportkapazitäten, welche Nord Stream 1 zur Verfügung stellt. Nach den Wartungsarbeiten konnte die russisch-deutsche Pipeline am Donnerstag wieder in Betrieb genommen werden.
Notfallplan Gas: Bedeutung und die wichtigsten Fakten
"Wir können potenzielle Verluste des Bruttoinlandsprodukts reduzieren, wenn wir jetzt präventive Kürzungen vornehmen", erklärte Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans. Daher will die Kommission eine deutliche Reduktion des Gasverbrauchs in den EU-Ländern sehen. Im Falle eines Notstandes sieht der Notfallplan Gas sogar vor, die EU-Staaten zum Gas-Sparen zwingen zu können. Der Vorschlag der Brüsseler Behörde: verbindliche Reduktionsziele, wenn die Pläne beim Sparen von Gas nicht erreicht werden.
Zunächst sollen die Länder aber freiwillig die Chance haben, ihren Gasverbrauch zu reduzieren. Von August 2022 bis Ende März 2023 soll der Verbrauch um 15 Prozent verringert werden. Als Vergleichswert gelten die jeweiligen Zeiträume der letzten fünf Jahre. Die wichtigsten Fakten zum Notfallplan Gas zusammengefasst:
- Freiwillige Gaseinsparung der EU-Länder um 15 Prozent
- Zeitraum: von August 2022 bis März 2023
- Priorität: Krankenhäuser, Privathaushalte und wichtige Industrien
- Es soll auf Atomkraft, Kohle oder Öl ausgewichen werden
- Im Notfall: EU-Kommission darf Gasreduktion anordnen
Alle Mitgliedstaaten sollen nun die nationalen Notfallpläne bis Ende September aktualisieren. Die obersten Ziele sind dabei, die Privathaushalte, aber auch Krankenhäuser und die wichtigsten Industrien abzusichern. Alle zwei Monate sollten die Länder dann der EU Bericht erstatten. Es braucht dabei auch Pläne, in denen deutlich wird, wie die Vorgaben erreicht werden sollen.
Die drei Säulen im Gas-Notfallplan der EU
Der Plan der Kommission ist auf drei Säulen aufgebaut. Die erste stellt die Umstellung auf alternative Brennstoffe dar. Statt Gas soll bei der Stromversorgung, dem Wärmesektor sowie in der Industrie auf andere Optionen gesetzt werden. So sollen die Einschränkungen und die Auswirkungen auf die Wirtschaft möglichst gering gehalten werden.
Die zweite Säule bezieht sich auf die Reduzierung des Verbrauchs in der Wirtschaft. Diese soll durch Marktinstrumente wie Ausschreibungssysteme und Auktionssysteme erreicht werden. Finanzielle Anreize sollen Unternehmen zum Verzicht auf Gas motivieren. Mit diesen Ideen liegt die EU-Kommission nahe an denen der Bundesregierung.
Die dritte Säule ist auf den privaten Verbraucher aufgebaut. Es geht dabei vor allem um Einsparungen beim Kühlen und Heizen. Die EU-Kommission plädiert für Kampagnen der Sensibilisierung, aber auch auf eine Zwangsreduzierung des Gasverbrauchs in Büros, Gewerbezentren und öffentlichen Gebäuden.
Notfallplan Gas: Einschnitte für die Verbraucher
Wie genau die Zwangsreduzierung aussehen könnte, ließ die Kommission zunächst offen. Es war in einem vorherigen Entwurf davon die Rede, dass kommerzielle Gebäude und Büros nur auf maximal 25 Grad heruntergekühlt und maximal 19 Grad beheizt werden dürften. Im Notfallplan Gas sind derartige Regelungen allerdings derzeit nicht vorhanden.
"Müssen wir die Klimaanlage auf 20 Grad einstellen?", warf Timmermans bei der Pressekonferenz eine Frage in den Raum, die zeigt, dass die EU-Kommission auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger hofft. Für etwas weniger Komfort könne der Gasverbrauch erheblich reduziert werden. "Wenn wir jetzt handeln, können wir entscheiden, wie wir handeln und unser Schicksal in den eigenen Händen behalten", beschwor der Vize-Kommissionspräsident die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger.
Entscheidung über Gas-Notfallplan am Dienstag
Am kommenden Dienstag entscheidet sich, ob der Notfallplan der EU-Kommission in Kraft tritt. Dann findet in einer Sondersitzung die Abstimmung im Europaparlament statt. Die EU-Staaten müssen dem Plan zustimmen, damit dieser Realität wird.