Der Countdown für die neue Grundsteuer läuft. Ab dem 1. Januar 2025 darf die wichtige Einkommensquelle für die Städte und Gemeinden nicht mehr nach den alten, verfassungswidrigen Regeln berechnet werden. So haben es die Richter in Karlsruhe im Frühjahr 2018 beschlossen. Gut sechs Jahre später sieht es so aus, als könnte das Mammutvorhaben gelingen - es wird aber knapp.
In Bayern, das als eines von sieben Bundesländern ein eigenes, vom Bundesgesetz abweichendes Ländergesetz zur Grundsteuer verabschiedet hat, stehen noch immer knapp eine halbe Million Erklärungen aus. Das sagt Gerhard Wipijewski, der Vorsitzende der Bayerischen Finanzgewerkschaft BFG, unserer Redaktion. Von den rund 6,4 Millionen Erklärungen, die von der Finanzverwaltung zu bewerten sind, seien beim Grundvermögen etwa 95 Prozent bearbeitet. „Bezogen auf die abgegebenen Erklärungen dürfte die Erledigungsquote nahe 100 Prozent liegen“, so Wipijewski. Das Problem bestehe darin, dass nicht alle Grundstückseigentümer ihren Erklärungspflichten nachgekommen seien. Diese Fälle müssten nun aufwendig geschätzt werden. Beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen dürften laut dem Gewerkschaftschef an die 85 Prozent der Erklärungen erledigt sein.
Einspruch gegen jeden vierten Bescheid
Das Bayerische Landesamt für Steuern bestätigt diese Zahlen. Demnach wurden bis Mitte Oktober insgesamt rund 5,84 Millionen so genannte Hauptfeststellungen durchgeführt, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage: „Bei jeder Hauptfeststellung werden vom Finanzamt zwei Bescheide erstellt: ein Bescheid über den Grundsteueräquivalenzbetrag beziehungsweise über den Grundsteuerwert und ein Bescheid über den Grundsteuermessbetrag. Entsprechend wurden bislang rund 11,68 Millionen Bescheide erlassen. Dies entspricht einer Erledigungsquote von rund 92 Prozent bezogen auf die zu erwartende Gesamtzahl der Grundsteuer-Fälle.“
Doch die Arbeit der Finanzämter ist mit der Bewertung der eingereichten Erklärungen nicht getan. „Wir schätzen, dass etwa gegen jeden vierten Bescheid Einspruch eingelegt wird“, sagt Wipijewski. Das mache die Bearbeitung der Grundsteuer sehr aufwendig. Viel Arbeit bedeutet auch die Digitalisierung der auf Papier eingereichten Erklärungen. Ein Drittel aller Erklärungen sei so in die Finanzämter gekommen und musste dann eingescannt werden, da die Bearbeitung ausschließlich digital erfolge, erklärt der BFG-Chef: „Bayern hatte als einziges Bundesland uneingeschränkt die Abgabe der Erklärung auf Papier erlaubt. Hier hat Bayern den Vorteil, den ein gegenüber dem Bundesrecht vergleichbar einfaches Grundsteuergesetz gebracht hätte, wieder verspielt.“
Anders als bei der digitalen Erklärung über das Elster-Portal der Finanzverwaltung gebe es auf Papier keine Plausibilitätsprüfung. Daher seien in den Erklärungen in Papierform viele falsche Angaben enthalten, ihre Bearbeitung erfordere deshalb ein Vielfaches an Zeit. Zu Verzögerungen könne es aber auch kommen, weil die Finanzämter parallel zur Hauptfeststellung auch alle Eigentumswechsel, die seit dem 1. Januar 2022 eingetreten sind, zu bearbeiten haben. „Hier dürften trotz aller Anstrengungen auch noch eine halbe Million unbearbeitet sein“, schätzt Wipijewski.
Angesichts knapper Haushaltslagen ist die Versuchung für Kommunen groß
Auch das Landesamt für Steuern bestätigt die hohe Zahl der Einsprüche: „Insgesamt wurden in Bayern bislang rund 1,3 Millionen Einsprüche gegen Bescheide im Rahmen der Umsetzung der Grundsteuerreform eingelegt. Zum weit überwiegenden Teil betreffen die Einsprüche verfassungsrechtliche Fragen, zu denen noch Gerichtsverfahren anhängig sind, die abgewartet werden“, sagt die Sprecherin. Beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof sind seit 2022 zwei Popularklagen gegen das Bayerische Grundsteuergesetz anhängig. Überdies gebe es sehr wenige aktuell bei den Finanzgerichten anhängige Klagen, die einen Verstoß gegen das Grundgesetz durch das Bayerische Grundsteuergesetz geltend machten.
Wie hoch die Steuer ist, die für den einzelnen Grundbesitzer anfällt, hängt am Ende von der jeweiligen Gemeinde ab. Sie bestimmt den Hebesatz, mit dem sich die endgültige Steuerschuld errechnet. Das Versprechen der Staatsregierung war, dass die neue Grundsteuer aufkommensneutral zur bisherigen Regelung sein solle. Die Städte und Kommunen scheinen sich weitestgehend nach der Intention des Gesetzgebers zu richten, wenngleich es für abschließende Urteile noch zu früh ist. So sagt etwa Wipijewski: „Wir hören immer wieder, dass die Aufkommensneutralität angesichts der Haushaltslage mancher Kommune offenbar nicht das Ziel jeden Stadtrats ist.“
In jedem Fall wird es zu Verschiebungen bei der Steuerbelastung einzelner Eigentümer kommen. Da für die Berechnung der Steuer der Grundstückswert, der auch von der Lage abhängt, keine Rolle mehr spielt, sondern nur noch die Grundstücksgröße, kann es etwa dazu kommen, dass Eigentümer teurer Seegrundstück künftig weniger Steuer zahlen als bisher, Mieter in weniger attraktiven Großstadtvierteln aber mehr. Die Grundsteuer kann vom Eigentümer auf den Mieter umgelegt werden.
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