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Mega-Projekt Neom & The Line in Saudi-Arabien: Firma Bauer aus Schrobenhausen ist dabei

Mega-Projekt Neom

Neue Heimat für neun Millionen Einwohner: Eine Science-Fiction-Stadt in der Wüste

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    Das Hochhaus "The Line" soll sich eines Tages 170 Kilometer durch die  Landschaft erstrecken.
    Das Hochhaus "The Line" soll sich eines Tages 170 Kilometer durch die Landschaft erstrecken. Foto: Neom.com

    Eine Großstadt in nur einem einzigen Gebäude, 500 Meter hoch, 200 Meter breit und 170 Kilometer lang, mit einer glitzernden Spiegel-Fassade, die das Licht und die Landschaft reflektiert. The Line ist ein Projekt der Superlative, ein Science-Fiction-Autor könnte es sich nicht besser ausdenken. Rund 9 Millionen Menschen sollen in dem Bauwerk eines Tages leben und arbeiten. Es ist der Teil der Stadt Neom, die Saudi-Arabien im Norden des Landes plant. Eine Retortenstadt, am Reißbrett geplant. Man könnte alles für eine interessante Fantasie halten, ein Gedankenexperiment, auch Hybris. Doch die Bauarbeiten haben längst begonnen, mit dabei ist unter anderem der Bau- und Maschinenbaukonzern Bauer aus Schrobenhausen

    Die Stadt soll kluge Menschen aus aller Welt anlocken, so bewirbt Saudi-Arabien sein Mammutvorhaben. Ob Neom aber auch zu einer Liberalisierung des Landes führt, daran haben Politikexperten in Deutschland Zweifel. 

    Wüsten-Stadt Neom gilt als eines der größten Bauprojekte der Welt

    Marco Vogel, 44, ist mindestens einmal im Monat auf der Baustelle vor Ort. Der Bauingenieur koordiniert die Arbeiten der Bauer Spezialtiefbau GmbH in der Region Mittlerer Osten, selbst wohnt er seit 17 Jahren in Dubai. Gigantische Projekte hat die arabische Welt in den vergangenen Jahren einige gesehen. Die größten Hochhäuser der Welt, künstliche Inseln, die Fußballstadien in Katar. Doch Neom versetzt selbst Marco Vogel in Erstaunen. „Es ist eines der größten Bauprojekte der Welt. Etwas, das die Welt noch nicht gesehen hat“, sagt er. 

    Das Empire State Building in New York ist 443 Meter hoch, The Line ist noch höher. Hinter der Fassade sollen sich Wohnungen, Büros, Praxen, Läden befinden, alles soll in 5 Minuten erreichbar sein. Ihre Energie soll die Stadt vollständig aus erneuerbaren Energien beziehen. Platz für Solarpaneele gibt es in der umliegenden Wüste genug. The Line soll keine Autos, keine Straßen, keine Emissionen kennen. Eine U-Bahn unter dem Gebäude verbindet die Elemente. Zu Neom soll ein Industriepark gehören und ein Skiressort am anderen Ende. Saudi-Arabien hat Berge, selbst Schnee. Das Land will 2029 die asiatischen Winterspiele ausrichten. 

    "The Line" und Neom sollen neun Millionen Menschen Wohnraum geben.
    "The Line" und Neom sollen neun Millionen Menschen Wohnraum geben. Foto: Neom.com

    Nicht nur Neom soll eines der großen Schaufenster des Landes für Touristen aus der ganzen Welt werden. Saudi-Arabien will in den nächsten Jahren eines der Top-5-Reiseziele auf dem Globus sein. „Wir öffnen unser Land. Wir bauen Städte, die die Welt noch nicht gesehen hat“, sagt Tourismusminister Ahmed Al Khateeb. Auf der gerade in Berlin zu Ende gegangenen Tourismusmesse ITB hatten die Saudis einen der größten Stände. Neom ist nur eines der pharaonischen Projekte. Am Roten Meer sollen Hotels und Ressorts aus dem Boden gestampft werden, außerhalb Riads soll die künstliche Spiel- und Spaßstadt Qiddiya entstehen, eine Art Über-Disneyland aus Freizeitparks, Safarilandschaft, Wassersport und Wintersportanlagen. 

    Das Königshaus will auch die Berge im Süden des Reiches touristisch erschließen, wo die Hitzegeplagten aus dem gesamten arabischen Raum im wahrsten Sinne des Wortes Sommerfrische verbringen sollen. Denn oben im Gebirge ist es kühler, bleiben die Temperaturen unter 30 Grad. Eine wichtige Rolle spielen auch die Heiligen Städten des Islam in Mekka und Medina, die Muslime und Nicht-

    Der Bau vom Hochhaus "The Line" in der sandigen Wüste ist nicht einfach

    Für ein Bauunternehmen ist Neom ein faszinierendes Projekt. „Mit enormem Geldeinsatz wird eine komplett neue Stadt gebaut“, sagt Vogel. Herausfordernd ist es auch. „Die Geologie ist schwierig, der Untergrund sandig, in der Tiefe ist kein Fels gefunden worden“, erklärt er. Um der Stadt Stabilität zu verleihen, setzt Bauer Bohrpfähle. 70 Meter tief bohrt das Unternehmen in den Wüstenboden. Mindestens 1,50 Meter breit. Dort, wo später die Hochhäuser stehen, sind es 2,50 Meter. Das ist „ordentlich“ selbst für den weltweit agierenden Bauer-Konzern. Auch andere Firmen sind dort aktiv. Bauer hat bisher drei Aufträge begrenzt auf drei Jahre für Neom bekommen. Ein weiterer Auftrag wird gerade verhandelt, für 2024 rechnet man mit weiteren. Momentan setzt Bauer 450 Beschäftigte auf der Baustelle ein. 

    Die Bauer AG ist bereits auf der Baustelle für Neom vor Ort.
    Die Bauer AG ist bereits auf der Baustelle für Neom vor Ort. Foto: Bauer AG

    Ein großes Problem ist die Logistik. „Dort, wo Neom entsteht, war zuvor Niemandsland“, sagt Vogel. Es gab Sand, Stein, einspurige Straßen und sonst nicht viel, erst recht kein Beton-Werk. Stahl, Zement müssen erst dorthin geschafft werden. Eine Autobahn wurde in die Wüste gelegt, eine Stadt für die Beschäftigten entstand. „Es gibt Supermärkte, ein Krankenhaus, eine Schule, denn manche haben ihre Familie dorthin mitgenommen“, erklärt der Bauingenieur. Künftig soll im Inneren von The Line durch natürliche Belüftung ein gemäßigtes Mikroklima herrschen, heute ist es dagegen auf den Baustellen heiß. Im saudi-arabischen Sommer sei in der brütenden Hitze zwischen 12 und 15 Uhr Arbeit sogar verboten. 

    Fehler bei den Arbeitsbedingungen, die in Katar rund um den Bau der Fußball-Stadien für die Weltmeisterschaft gemacht wurden, will man in Saudi-Arabien offenbar vermeiden. „Die Unterkünfte haben einen vernünftigen Standard, mit Duschen, Kantinen, Sportplätzen, auch für die Helfer“, sagt Bauingenieur Vogel.

    Die Baustelle ist auf 30 Jahre angelegt, die ersten 5 der 135 Module von The Line sollen bis 2025/26 fertig sein. „Das ist sicher ein ambitioniertes Ziel“, sagt Vogel. Was bezweckt Saudi-Arabien mit einem solchen Mega-Projekt? 

    Saudi-Arabien macht sich bereit für die Zeit nach dem Öl

    Saudi-Arabiens Reichtum stützte sich lange Zeit auf Öl. Wenn die Einnahmen aus Öl und Gas zurückgehen, kann es sich der Monarch nicht mehr leisten, üppige Geldtransfers an die Bevölkerung auszuschütten. "Neom ist Teil der saudischen Vision 2030, mit dem die saudische Führung um König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman das Land unabhängiger von staatlichen Öleinnahmen machen will", erklärt Abdulaziz Al-Mikhlafi, Generalsekretär der Arabisch-Deutschen Handelskammer Ghorfa. "Wir bei

    Deutsche Politikexperten sind hier skeptischer. „Neom verknüpft ökonomische Ziele mit selbstbezogenen Ambitionen des Kronprinzen“, beschreibt es Dawud Ansari, Arabien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die Vision des saudischen Kronprinzen sei es, sich selbst ein Monument zu bauen. Gleichzeitig fügt sich das Projekt aber auch in die ökonomischen Ziele des Landes. 

    Die Firma Bauer aus Schrobenhausen ist am Neom-Projekt beteiligt

    Für Saudi-Arabien gehe es auch darum, die gesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben, um den Bedürfnissen der überwiegend jungen, gut ausgebildeten saudischen Bevölkerung gerecht zu werden, erklärt Ghorfa-Generalsekretär Al-Mikhlafi. "Darauf begründet sich die Popularität des Kronprinzen Mohammed bin Salman innerhalb der saudischen Bevölkerung", sagt er.

    Insbesondere der Tourismus soll zur Jobmaschine werden. Derzeit steht er laut Minister Al Khateeb für 3 Prozent der Wirtschaftsleistung und 3 Prozent aller Stellen. Schon 2030 sollen es je 10 Prozent sein. Insgesamt arbeiten dann in der Vision des Herrscherhauses 4 Millionen Leute in der Tourismusindustrie. 70 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 35 Jahre. Sie brauchen etwas zu tun, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen.

    Die Bevölkerung wächst. Städte wie die Hauptstadt Riad und Dschidda am Roten Meer haben in den letzten Jahren stark zugelegt. Es gebe zwei Möglichkeiten: Entweder man erweitere bestehende Städte oder baue neue. Auch der Bau von Industrieanlagen und die Investitionen in die Wasserstoff-Erzeugung seien richtig und wichtig für das Land. „Fragt man aber, ob es dafür einer am Westen orientierte Bling-Bling-Stadt mit zweifelhaftem architektonischem Charakter bedarf, laute die Antwort: Nein“, meint Ansari. Rein ökonomisch ließe sich das Konzept einer schnurgeraden Stadt in der Wüste keineswegs nachvollziehen. 

    So soll es im Inneren von "The Line" einmal aussehen.
    So soll es im Inneren von "The Line" einmal aussehen. Foto: Neom.com

    Neom soll eines Tages eine Sonderwirtschaftszone werden. „Zu erwarten ist, dass damit für die nicht-einheimischen Bewohner, die Expats, auch liberale zivilrechtliche Bedingungen gelten werden“, prognostiziert Forscher Ansari. Saudi-Arabien ist eine Autokratie, die Todesstrafe gibt es dort nach wie vor. Oberflächlich hat sich das Land in den letzten Jahren aber durchaus liberalen Idealen angenähert. Frauen ist das Autofahren möglich, das Tragen der Kopfbedeckung werde nicht mehr staatlich verordnet. „Diese oberflächliche Liberalisierung wird auch in Neom weiterlaufen“, ist er überzeugt. 

    Der autokratische Kurs bleibt

    Es dürfe aber nicht erwartet werden, dass Projekte wie Neom zu einer Öffnung hin zu Pluralismus oder Demokratie beitragen, meint Ansari. „Im Gegenteil ist zu beobachten, dass Saudi-Arabien noch autokratischer geworden ist“, sagt er. Das Königshaus unternimmt alles, um den Machterhalt zu sichern. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass an der Neom-Baustelle lokale Stämme weichen mussten. Ihnen sind Abfindungen angeboten worden, es gab aber auch Widerstand. 

    Der oberflächlich liberalere, anti-religiöse Kurs der saudischen Regierung stoße nicht überall im Land auf Gegenliebe, erklärt Ansari. Es gibt auch traditionell eingestellte Bevölkerungsteile. Die Regierung hält mit Druck jede Form des Widerstands klein. „Der Polizeistaat übt eine massive Überwachung aus, auch digital. Meinungsfreiheit ist fern“, sagt er. „Das wird sich in Neom nicht ändern“, ist er überzeugt.

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