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Nachruf: Augsburger Bauunternehmer Ignaz Walter gestorben

Nachruf

Trauer um Ignaz Walter: Vom Maurer zum Architekten eines Weltkonzerns

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    Ignaz Walter ist im Alter von 87 Jahren in Augsburg, seiner Heimatstadt, gestorben. Erst 2020 hatte er sein neues Buch vorgestellt.
    Ignaz Walter ist im Alter von 87 Jahren in Augsburg, seiner Heimatstadt, gestorben. Erst 2020 hatte er sein neues Buch vorgestellt. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Den schwärzesten Tag seines Lebens markiert der 1. Februar 2005. Die Walter Bau AG, einer der größten Baukonzerne Europas, muss Insolvenz anmelden. Das Unternehmen wird zerschlagen, Tausende Mitarbeiter verlieren ihre Stelle. Ignaz Walter, der das Unternehmen über Jahre aufgebaut hat, trifft dies hart. Doch Walter ist ein Kämpfer, Weggefährten sagen, seine dynamische unternehmerische Veranlagung und sein strategisches Denken und Handeln konnten Mauern einreißen. Solche Hindernisse – Walter wird sie in seinem Leben mehrfach überwinden. 

    Ein Untergang kann einen Unternehmer in Verzweiflung stürzen. Ignaz Walter lässt dies nicht zu. Er poltert, tobt, wütet, aber er verzweifelt nicht, wird nicht depressiv. „Sie haben mir zwar mein Lebenswerk – einen Weltkonzern – zerstört, aber nicht mich“, sagt er später in einem Interview unserer Redaktion. „Ich wundere mich, dass ich das alles überlebt habe. Je älter ich werde, umso mehr staune ich darüber.“ Walter dreht die Wut ins Positive. In Tatkraft, neue Ideen und einen großen Sinn für Gerechtigkeit. 

    Ignaz Walter wollte raus aus der Armut

    Die Geschichte Ignaz Walters ist zuallererst eine Geschichte des Aufstiegs. Ein bisschen spiegelt sich darin der Aufstieg der Bundesrepublik wider. Geboren wird Ignaz Walter 1936 in Augsburg als ältestes von sechs Kindern. Der junge Mann ist ehrgeizig, fleißig, gut im Sport, aber an ein Studium ist in Nachkriegsdeutschland nicht zu denken. Das Geld fehlt der Familie hinten und vorne. „Ich weiß, wie es ist, wenn Kinder nicht satt werden“, sagt er später. Seine Mutter habe er deshalb weinen sehen. „Ich wurde in einer wunderbaren Familie groß, aber ich wollte raus aus dieser Armut. Ich wusste, dass ich es aus eigener Kraft schaffe.“ 

    Ignaz Walter ist im Alter von 87 Jahren gestorben.
    Ignaz Walter ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Foto: Fred Schöllhorn

    Ignaz Walter beginnt eine Maurerlehre, arbeitet danach auf dem Bau. Parallel holt er in Abendkursen die Hochschulreife nach und verdient Geld für ein Studium der Architektur und des Bauingenieurwesens. Als Angestellten hält es ihn nur kurz: 1962 gründet er seine eigene Baufirma. Die UBW – Universalbau Walter hat unter anderem mit der Produktion von Fertigteilen Erfolg, wächst beständig und zählt bald 1200 Beschäftigte. Im Jahr 1973 verkauft Walter das Unternehmen, finanzielle Sorgen dürfte er nun los sein. 

    Walter startete als Autor und schrieb Fachbücher

    In den Folgejahren schreibt er als Autor Fachbücher über die Industrialisierung am Bau, aber auch „Mathematik für alle leichtgemacht“. Das Aufstiegsversprechen sollte auch für andere wahr werden. Bald aber lockt wieder das Unternehmertum, eine lange Erfolgsgeschichte beginnt. Im Jahr 1978 steigt Ignaz Walter als Mehrheitsaktionär bei dem Augsburger Bauunternehmen Thosti – einst Thormann und Stiefel – mit 4500 Beschäftigten ein. Er übernimmt das Ruder, baut die Firma nach seinen Vorstellungen um. In den Folgejahren expandiert die Firma, 1983 übernimmt sie erst Boswau & Knauer und kommt nun auf 6200 Beschäftigte, später folgen weitere Übernahmen und Beteiligungen, unter anderem bei Züblin und Dywidag. 

    Ignaz Walters Unternehmen beteiligt sich an der Sanierung des Berliner Olympiastadions

    1990 geht die Walter Bau AG an die Börse. Das Unternehmen ist beteiligt an der Sanierung des Olympiastadions in Berlin, am Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden, an der U-Bahn von Seattle in den USA. In seinen Glanzzeiten beschäftigt es rund 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

    Doch die Zeiten werden härter: Der Immobilienboom nach der deutschen Wiedervereinigung ist bald vorbei. Ignaz Walter – von 1997 bis 2005 Präsident der Deutschen Bauindustrie – kennt die Probleme. Kollegen, die im Bau damals ein Licht am Ende des Tunnels sahen, hielt er laut Welt entgegen: „Die stehen entweder in einem anderen Tunnel oder es kommt ihnen eine Lokomotive entgegen.“ Der Baukonzern Philipp Holzmann ist ein Opfer, er geht 2002 pleite. 

    Walters Unternehmen gerät ab 2000 unter Druck

    Ob Ignaz Walter im eigenen Unternehmen die Weichen richtig stellte? Ob er zu zaghaft Aufträge im Ausland annahm? Über die Gründe für die baldige Krise wird später noch viel geschrieben und spekuliert. Tatsächlich gerät sein Unternehmen ab 2000 stark unter Druck. Ignaz Walter selbst nannte für die

    Die Walter Bau AG wurde aktionsunfähig

    Die Folge: Die Walter Bau AG konnte am Markt keine Angebote mehr abgeben, bekam keine Aufträge mehr. „Und wir bekamen für die laufenden Baustellen kein Material mehr geliefert.“ Firmen leisteten keine Anzahlungen mehr. „In wenigen Monaten waren bei mehr als 16 Milliarden D-Mark Umsatz die 2,3 Milliarden D-Mark liquide Mittel völlig verbraucht.“ Der Riese taumelt, eine Spirale nach unten beginnt. „Nun war das anscheinend geplante Ziel erreicht. Die Walter Bau AG, der größte Konkurrent von Hochtief und Bilfinger Berger, war aktionsunfähig“, lautete Walters Erklärung. 

    In den folgenden fünf Jahren ringt die Walter Bau AG damit, den Tanker auf Kurs zu bringen. Sanierungskonzepte folgen auf Sanierungskonzepte, Einschnitte auf Einschnitte. Doch die Schlinge zieht sich immer enger. Anfang 2005 ringen 27 Banken darum, eine mindestens 150 Millionen Euro große Finanzierungslücke zu schließen. Doch einige Institute zögern offenbar, die Zeit läuft davon. Am 1. Februar 2005 meldet der Vorstand der Walter Bau AG Insolvenz an. 

    Ignaz Walter kämpfte für Gerechtigkeit

    Die Regie führt ab da Insolvenzverwalter Werner Schneider. Von den 6600 Stellen des zahlungsunfähigen Konzerns im Inland können nur rund 3100 gerettet werden, hieß es damals. Das Insolvenzverfahren ist noch lange Jahre für Schlagzeilen gut, beispielsweise als Schneider die Boeing des heutigen thailändischen Königs pfänden ließ, um offene Außenstände der Walter Bau in Thailand einzutreiben. 

    Ignaz Walter kämpfte stets für Gerechtigkeit. Er sagte, die Insolvenz seines Unternehmens sei auf geldgierige Finanzhaie zurückzuführen.
    Ignaz Walter kämpfte stets für Gerechtigkeit. Er sagte, die Insolvenz seines Unternehmens sei auf geldgierige Finanzhaie zurückzuführen. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Ignaz Walter indes kämpft für Gerechtigkeit. Und schreibt an seiner Legende. „Wir wurden das Opfer eines Komplotts geldgieriger Finanzhaie“, sagt er später. Zorn habe ihn darüber erfasst. „Ein heiliger Zorn: Dieser Zorn hielt mich über Wasser.“ Ignaz Walter war nie um klare, kraftvolle Worte verlegen. Ein sturer Bayer sei er gewesen. „Aber auf das Wort von Ignaz Walter konnte man sich verlassen“, lobten ihn Arbeitnehmervertreter. 

    Walter schreibt ein Buch über sein Leben, seinen Aufstieg und die Insolvenz

    Kraft geben ihm in der Krise seine Frau Sonja und seine drei Kinder Ralf, Roy und Nicole. Über seine Familie lässt Walter nie etwas kommen. In den Folgejahren arbeitet er weiter, verfolgt neue Projekte. Er versteckt sich nicht, hält Augsburg, seiner Heimatstadt, die Treue. Bürgerinnen und Bürger der Stadt kennen sein Haus in Siebenbrunn. Ignaz Walter hatte das "Schlössle" erworben und zum Wohnhaus umbauen lassen. Später gelingt es ihm, die frühere Zentrale der Walter Bau AG in Augsburg mit dem großen „W“ in der Glasfront zurückzukaufen. Er gehe noch jeden Tag ins Büro und arbeite acht Stunden, verrät er später, da ist er weit über 70. Zeitlebens hat er seinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern viel abverlangt, am meisten aber sich selbst.

    Über sein Leben, den Aufstieg und die verheerende Insolvenz schreibt er ein dreibändiges, 1130 Seiten langes Werk. Es beginnt mit der Geschichte von Zangi (Ignaz rückwärts gelesen), einem armen, aber gescheiten Jungen, der es ohne ein weiches Daunenbett nach oben schaffen wolle. 

    Walter wollte auf eigene Rechnung Tiefgarage in Augsburger Innenstadt bauen


    Um andere vor dem zu schützen, was ihm selbst passiert ist, gründet Ignaz Walter eine „Unternehmerloge“, eine Solidargemeinschaft selbstständiger mittelständischer Firmen. Auch das Projekt einer eigenen fairen Bank, der Galaxi Kapital AG, stellt er vor. Ein Erfolg wird beides nicht. Aufsehen erregt Walter 2018, als er der Stadt Augsburg anbietet, auf eigene Rechnung eine zweigeschossige Tiefgarage unter der Fuggerstraße zu bauen, im Herzen der Stadt, zwischen Theater und Königsplatz. Walter erhofft sich eine Belebung der Innenstadt, weniger Parkplatz-Suchverkehr, sauberere Luft. Die Stadt weist das Vorhaben zurück.

    Mehr Erfolg hat Ignaz Walter als Unternehmer, auch nach der Insolvenz. Die Familie betreibt weiter die Walter Beteiligungen und Immobilien AG. Diese errichtet derzeit zum Beispiel ein großes bogenförmiges Gebäude im Innovationspark in Augsburg und managt in mehreren Städten eigene Immobilien mit einer Grundstücksfläche von 400.000 Quadratmetern. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen heute rund 900 Mitarbeiter. Den Aufbau und die Entwicklung mit den Segmenten Bestandsimmobilien, Projektentwicklungen und Unternehmensbeteiligungen begleitet Walter aktiv aus dem Aufsichtsrat und inspiriert seine im Vorstand aktiven Söhne mit seinen Ideen und strategischen Überlegungen. 

    Walter sammelt Geld für einen krebskranken Jungen

    Einen Ruf hat sich Ignaz Walter seit den 70er-Jahren als Kunstsammler erworben. Investiert hat er in bekannte Künstler wie Georg Baselitz, Markus Lüpertz und Anselm Kiefer. Bilder der Sammlung sind im Glaspalast in Augsburg ausgestellt. „Ich bin mit jedem Bild per Du“, machte Walter einmal die Liebe zur Kunst deutlich. 

    Ignaz Walter war ein Kunstsammler. Hier zu sehen: ein Werk des Malers Anselm Kiefer im Augsburger Glaspalast. (links: Ignaz Walter).
    Ignaz Walter war ein Kunstsammler. Hier zu sehen: ein Werk des Malers Anselm Kiefer im Augsburger Glaspalast. (links: Ignaz Walter). Foto: Anne Wall (Archivbild)

    Dabei hatte der Unternehmer aus bescheidenen Verhältnissen ein soziales Gewissen, wenn er beispielsweise im Stillen unter Freunden Geld für einen krebskranken russischen Jungen sammelte. 

    Jetzt ist Ignaz Walter im Alter von 87 Jahren gestorben. Seine Heimatstadt verliert einen großen Unternehmer, einen Ideengeber und Kämpfer.

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