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Nachhaltigkeit: Brüssel verschiebt das Waldgesetz

Nachhaltigkeit

Brüssel verschiebt das Waldgesetz

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    In vielen tropischen Ländern ist die illegale Abholzung von Waldgebieten ein großes Problem, wie hier in Sumatra (Indonesien).
    In vielen tropischen Ländern ist die illegale Abholzung von Waldgebieten ein großes Problem, wie hier in Sumatra (Indonesien). Foto: Alain Compost, WWF/dpa

    Zunächst lockte die EU mit einem großen Versprechen: Europas Bürger sollten künftig keinen Regenwald mehr zerstören, wenn sie Schokolade naschen oder ihren Kaffee genießen. Die EU-Entwaldungsverordnung werde dafür sorgen, dass keine Produkte mehr in die Union gelangen, für deren Herstellung Wald weichen musste. In weniger als drei Monaten sollten die Regeln in Kraft treten. Eigentlich. Denn am Mittwoch kündigte die EU-Kommission überraschend an, die Verordnung zur Bekämpfung der Entwaldung um zwölf Monate verschieben zu wollen. Wenn das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten dem Vorschlag zustimmen, würde das Gesetz dann erst ab 30. Dezember 2025 für Großunternehmen und ab 30. Juni 2026 für kleine und mittlere Firmen gelten, teilte die Brüsseler Behörde mit.

    Noch vor wenigen Monaten bildete die Verordnung einen der Pfeiler des Grünen Deals, das Gesetzespaket, mit dem die Gemeinschaft bis 2050 klimaneutral werden will. Damit wäre die Einfuhr zahlreicher Produkte in die EU nur noch erlaubt, wenn die Importeure nachweisen können, dass für den Anbau und die Produktion keine Regen-, Ur- oder Altwälder zerstört, in Ackerflächen umgewandelt oder Menschen vertrieben wurden. Der Produktkatalog umfasst unter anderem Rindfleisch, Kakao, Palmöl, Soja und Holz und umfasst auch Waren, in denen die Naturprodukte direkt oder indirekt enthalten sind, wie etwa bedrucktes Papier oder Möbelstücke aus Holz. 

    Firmen warnen vor strengen Nachweispflichten

    Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss mit Strafen von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes in der Union rechnen. Der Verbrauch von Waren wie Kaffee soll in der EU für etwa zehn Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich sein. Naturschützer betonen daher die Dringlichkeit des Gesetzes. Bei Unternehmern, Waldbesitzern, Lebensmittelherstellern wie auch in Drittländern ist es unbeliebt. Sie kritisieren, das Regelwerk sei mit seinen umfassenden Nachweispflichten in der vorliegenden Form nicht umsetzbar. Denn um die Herkunft der Produkte oder Komponenten nachzuweisen, müssen die Firmen etwa Geodaten angeben, schriftliche Nachweise erbringen oder Fotos beziehungsweise Satellitenbilder in einem IT-System hochladen. 

    Neben europäischen Firmen sehe sich auch der Globale Süden „nicht in der Lage, die Vorgaben umzusetzen“, sagt die CDU-Europaabgeordnete Christine Schneider. So schätze die Internationale Kaffeeorganisation, dass 80 Prozent der Kaffee-Farmen bisher nicht kartiert sind – „ein essenzieller Nachweis für entwaldungsfreien Anbau gemäß der EU-Verordnung“. Es sei keinem Handwerker zu vermitteln, „dass erneut massive Berichtspflichten auf sie zukommen sollen“, sagt derweil Holger Schwannecke, Chef des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.

    Deutschland unterstützt die Verschiebung

    Auch die Bundesrepublik plädierte für eine Verschiebung. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte vergangene Woche eine Verzögerung verlangt, mit dem Hinweis, dass Details weiter ungeklärt sind. Bislang fehlt etwa eine Einstufung der Bundesrepublik als Land mit einem niedrigen Risiko für den Waldbestand. Diese würde Nachweispflichten für Unternehmen deutlich verringern.

    Der seit Monaten immer energischer geführte Streit sagt viel darüber aus, wie derzeit die politischen Kräfteverhältnisse aussehen. Es waren vorneweg die Konservativen der Europäischen Volkspartei (EVP), die rebellierten und von der christdemokratischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Umschwung forderten. Nach der Entscheidung zeigte sich EVP-Chef Manfred Weber dementsprechend zufrieden. „Die Menschen sehen, die EVP regiert in Europa – weniger Bürokratie, mehr Augenmaß“, lobte der CSU-Politiker.

    Dagegen beklagte die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini „ein Trauerspiel“: Zuerst halte von der Leyen monatelang die wichtigen Durchführungsbestimmungen zurück. „Weil nun die Zeit bis zum Umsetzungsdatum immer knapper und der Druck immer größer wird, schlägt sie eine Verschiebung des wichtigen Gesetzes vor.“ Cavazzini warnte davor, mit diesem Schritt „die Büchse der Pandora“ zu öffnen und das Gesetz abzuschwächen. Genau das aber fordern etliche Wirtschaftsvertreter wie auch die Politiker in der christdemokratischen EVP-Fraktion.

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