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Merz und Blackrock: CDU-Mann Friedrich Merz war einst Wirtschafts-Lobbyist

CDU-Chef

Blackrock wirft noch immer einen Schatten auf Friedrich Merz

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    Da war doch noch was: Friedrich Merz hat für Unternehmen gearbeitet, auch für einen umstrittenen US-Konzern.
    Da war doch noch was: Friedrich Merz hat für Unternehmen gearbeitet, auch für einen umstrittenen US-Konzern. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Friedrich Merz will es noch einmal wissen, Kanzlerkandidat der Union werden, als Wahlsieger hervorgehen und dem ökonomisch danieder liegenden Deutschland auf die Beine helfen. Nach einer unerfüllten, weil von Angela Merkel unterdrückten Spitzenpolitiker-Karriere, einer erfolgreichen Laufbahn als Anwalt und einer einträglichen Zeit als Berater wie Wirtschafts-Lobbyist, möchte der Unvollendete seine Deutschland-Mission starten. Ehrgeizig ist Merz. Doch die auf den 68-Jährigen wartende Aufgabe wirkt happig. Ist er ihr gewachsen? Fallen Schatten aus seiner Zeit als Wirtschaftsmann, gerade was seine Jahre beim überaus mächtigen und undurchsichtigen US-Finanzriesen Blackrock betrifft, auf seinen weiteren politischen Werdegang?

    Merz und seine Mitstreiter legen die Latte hoch, schließlich heißt es im neuen CDU-Grundsatz-Programm: „Wir verbinden Vertrauen und Zuversicht mit Realismus und Demut.“ Zuversicht mag mancher Merz zugestehen. Aber Demut? In einer Biografie über den CDU-Parteichef, die martialisch „Der Unbeugsame“ heißt, äußern die Autoren Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart Zweifel an der Demut-Kompetenz des groß gewachsenen, schlanken Sauerländers: „Merz kommt als Mensch in der Öffentlichkeit nicht gut rüber. In Debatten und Talkshows wirkt er trotz seiner rhetorischen Brillanz oft kalt und schneidend.“ Die Merzologen gelangen zum Schluss: „Er hat immer etwas zu viel Dampf im Kessel.“

    Friedrich Merz steht unter Dampf

    Ein solcher Unter-Dampf-Steher bietet Angriffsflächen. Wie bei Kanzler Olaf Scholz fällt auf, dass die Selbsteinschätzung von Merz gelegentlich von seiner öffentlichen Wirkung abweicht. So reiste der CDU-Mann zur Hochzeit von FDP-Chef Christian Lindner mit der Journalistin Franca Lehfeldt, die auf Sylt stattfand, im Habitus eines vermögenden Unternehmers mit einem Flugzeug an. Merz argumentierte, der kleine Flieger verbrauche weniger Sprit als jeder Dienstwagen eines Mitglieds der Bundesregierung. Was er wohl nicht ausreichend auf dem Radar hatte, ist die für sein Image nachteilige Kombination aus Sylt und Flugzeug. Die Fotos haben das Potenzial, sich im Wähler-Unterbewusstsein festzusetzen, zumal Merz einst gegenüber der Bild am Sonntag bekannt hatte, als Wirtschafts-Mann rund eine Million Euro brutto im Jahr verdient zu haben. Als er 2016 beim amerikanischen Vermögensverwalter Blackrock als Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers einstieg, freute sich das Unternehmen, mit ihm einen Mann gewonnen zu haben, der viel mehr als ein Frühstücksdirektor mit dickem Adressbuch sei. So sollte der Deutsche, wie die Biografen Falke-Ischinger und Goffart schreiben, die Firmenleitung zu Kundenterminen begleiten, auf Investorenkonferenzen für Blackrock werben und Gespräche mit Bundestagsabgeordneten und anderen politischen Entscheidungsträgern organisieren. Merz habe sich als „aktiven Aufsichtsratschef“ bezeichnet und vorn an der Verkaufsfront mitgemischt. Derweil kokettierte seine an ihm im politischen Betrieb vorbeigezogene Widersacherin und Welt-Politikerin Angela Merkel mit ihrer Vorliebe für die einfache pommersche Kartoffelsuppe mit Speck.

    Irgendwie möchte Friedrich Merz zur Mittelschicht gehören

    Merkels Kosmos ist wie der des CSU-Chefs und Bratwurst-Enthusiasten Markus Söder eine Mittelschichtswelt. Die Süddeutsche Zeitung schrieb ehedem, die frühere Kanzlerin sei als „Rouladen-Königin von Berlin-Mitte“ so etwas wie eine politische Mutter Beimer. Merz passt nicht in das Lindenstraßen-Milieu. Irgendwie möchte er aber gerade so dazugehören, oder zumindest ein Linden-, Merkel- oder Söderstraßen-Gastrecht besitzen. Seine diesbezügliche finanzielle Einordnung löste im Jahr 2018 Verwunderung aus, schließlich outete sich der CDU-Mann als Nicht-Oberschichten-Mitglied: „Also, ich würde mich zu der gehobenen Mittelschicht zählen.“ Er schätzt sich selbst ein, als wäre er irgendwo zwischen pommerscher Kartoffelsuppe mit Speck und Privatjet heimisch, sozusagen als Bindeglied zwischen Mutter Beimer und dem Sylt Lindners.

    Rasch wurden Zweifel laut, dass der Christdemokrat, der bis 2020 noch in Diensten Blackrocks stand, als letzter Mittelschichtler vor der Oberschicht durchgehen könne. Die Kritik an seiner Mittelschichts-Sehnsucht mag an Merz abprallen. Weitaus unangenehmer wäre es für ihn, wenn reichlich Details bekannt würden, was er genau für Blackrock gemacht hat, ehe sein politisches Comeback Fahrt aufnahm. Einzelheiten über seine Tätigkeit sind bis heute nicht öffentlich geworden. Entsprechende Recherchen förderten keine nachteiligen Ergebnisse für Merz an den Tag. Bekannt ist, dass Blackrock inzwischen 10,6 Billionen US-Dollar verwaltet, für einen Durchschnitts-Mittelschichtler eine unvorstellbare Zahl mit so vielen Nullen, dass einem schwindlig werden kann. Der Finanz-Riese ist einer der mächtigsten Konzerne, wenn nicht das weltweit einflussreichste Unternehmen. Fragen unserer Redaktion zur Blackrock-Zeit des CDU-Mannes und seinen früheren wirtschaftlichen Tätigkeiten blieben unbeantwortet. Ein Sprecher des Politikers teilte lediglich am Dienstag mit, alle veröffentlichungspflichtigen Angaben zu Nebentätigkeiten von Herrn Merz seien auf einer Seite des Deutschen Bundestages zu finden. „Darüber hinaus äußern wir uns dazu nicht und bitten höflich um Verständnis.“

    Kritik am früheren Merz-Arbeitgeber

    Während mancher Namen von US-Banken wie Goldman Sachs oder JPMorgan Chase mal gehört hat, dürfte Blackrock, was auf Deutsch „Schwarzer Fels“ heißt, oftmals Stirnrunzeln auslösen. Genau das ist im Sinne des Unternehmens und dessen Gründers Larry Fink. Der 71-jährige Chef des weltweit größten Vermögensverwalters wird vom US-Wirtschaftsmagazin Fortune als „mächtigster Mann der Wall Street“ gehandelt. Steht der Amerikaner also an der Spitze eines gefährlichen Konzerns und war Merz einst Mitarbeiter des Problem-Unternehmens? Der Autor Werner Rügemer ist einer der schärfsten Kritiker der „größten Schattenbank der Welt“. Der Titel seines Buches „Blackrock & Co. enteignen!“ lässt keinen Zweifel daran, für wie bedrohlich er den US-Konzern hält. Dabei reibt sich der Journalist an der Macht-Strategie von Fink. Denn Blackrock beteiligt sich rund um den Globus mal mit rund drei, fünf, sieben oder zehn Prozent an unzähligen wichtigen Aktiengesellschaften und ist damit auch bei vielen der im Deutschen Aktienindex vertretenen Unternehmen engagiert. Kann ein Minderheitsgesellschafter aber wirklich massiv Einfluss ausüben? Rügemer und andere Blackrock-Skeptiker lassen sich nicht damit beruhigen, dass der Finanz-Koloss nur kleine Pakete hält, wie etwa 5,46 Prozent am deutschen Rüstungs-Riesen Rheinmetall, rund 8,4 Prozent am Wohnungs-Konzern Vonovia, 5,86 Prozent an der Deutschen Bank oder sechs Prozent am Energie-Unternehmen RWE. Die Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen. 

    Für Rügemer wird Blackrock zur Gefahr, weil es mehr als ein Dutzend solcher mächtigen Kapitalorganisationen gibt. Sie heißen etwa Vanguard oder State Street und sind so unbekannt wie Blackrock. Die Mega-Finanzkapitalisten – lautet der Vorwurf des Experten – „stimmen sich untereinander ab“. Trifft das zu, bestimmen die Geldsammelstellen in Deutschland etwa mit, welche Waffen gebaut werden, wie die Menschen wohnen, mit welcher Energie sie heizen und wie ihr Geld verwaltet wird. Verweise auf solche Zusammenhänge könnten unangenehm für Fink und seinen einstigen Mitstreiter Merz sein.

    Doppelte Abhängigkeit von Blackrock

    Am Ende besteht eine doppelte Abhängigkeit vieler Menschen zu Blackrock, denn das Unternehmen hat das Finanzprodukt ETF zu einer Art Volksaktie gemacht. Eine solche Anlage bildet die Wertentwicklung eines Börsenindex möglichst genau nach. Weil das Risiko breiter gestreut ist, haben selbst nach dem T-Aktien-Desaster aktienmüde Deutsche Vertrauen zu ETFs gefasst. Fink und Blackrock steuern als Mitinhaber den Kurs von Unternehmen hinter den Kulissen mit und machen Geld mit Fonds, die mit den Unternehmen bestückt sind, was eine gigantische Macht-Zusammenballung darstellt, eine „gefährliche Kombination“, wie Rügemer anmerkt.

    Das alles geschieht zum Vorteil des Konzerns „unter dem Radar der Öffentlichkeit“, wie die Wall-Street-Korrespondentin der Zeit, Heike Buchter, festhält. In ihrem Buch „Blackrock – eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“ schildert sie akribisch die Praktiken der US-Finanzmacht. Die Autorin spricht vom mächtigsten Konzern der Welt, der wie eine Krake seine Tentakel bis fast in den letzten Winkel der Welt ausgestreckt habe: „Vertreter von Blackrock gehen in Finanzministerien ein und aus. Sie beraten die US-Notenbank genauso wie die Europäische Zentralbank.“ Merz, dessen Dienste Fink geschätzt haben soll, hat nicht irgendein Aufsichtsratsmandat innegehabt. Er war für die umstrittene globale Wirtschafts-Nummer eins tätig, wobei bis heute nicht bekannt ist, wie viel der Deutsche dort genau verdient hat. Dirk Schmitz, Deutschland-Chef von Blackrock, sieht das entspannter: „Wir helfen Menschen beim Aufbau von Ersparnissen. Diese sollen ihnen ein Leben lang zugutekommen.“ Es gehe dem Unternehmen nicht um eine Machtposition. Und er versicherte dem Stern: „Vor uns muss niemand Angst haben.“ 

    Stand Friedrich Merz in Diensten der Guten?

    Ist also alles halb so gefährlich? Stand Merz in Diensten der Guten? Rügemer bleibt hart und glaubt, dass der Konzern vor allem die Interessen von Reichen verfolge und damit der Demokratie Schaden zufüge. Der Hunger der Blackrock-Kapitalisten nach mehr verwaltetem Geld scheint nicht gestillt zu sein. Zeit-Journalistin Buchter hat recherchiert, dass der Heilige Gral und damit eine magische Verdienst-Quelle für Blackrock in der Privatisierung der Altersvorsorge besteht: „Fink wird nicht müde, die Vorzüge einer solchen vor allem auf Aktien-Sparplänen gründenden Rente zu preisen.“ Die Autorin ist „keine große Freundin einer solchen Form der Altersvorsorge“, auch weil sie im Gegensatz zur staatlichen organisierten, auf dem Umlageverfahren beruhenden Rente zu riskant sei. Doch der Blackrock-Chef wolle dennoch den Deutschen die Aktienrente schmackhaft machen. Buchter mahnt: „Wir dürfen solchen Leuten die Altersvorsorge nicht in die Hand geben. Das wäre sonst eine Gefahr für unsere Demokratie.“ 

    Dabei fällt auf, dass die Ampel-Koalition ganz ohne Merz in Ansätzen den Lockrufen von Fink folgt. So soll die Rente zumindest teilweise kapitalgedeckt finanziert und so auf sicherere Beine gestellt werden. Was Fink weniger freuen dürfte: Damit werden keine Mittel der Beitragszahler etwa direkt in Aktien angelegt. Noch sitzt Blackrock nicht mitten im heiligen deutschen Gral. Hat Merz in der Vergangenheit unzureichende Überzeugungsarbeit als Lobbyist geleistet? Wie denken er und die Spitze der CDU über das Thema? Das neue Grundsatzprogramm der Partei zeigt, dass auch hier die Einsicht gereift ist, die gesetzliche Rente allein könne eine auskömmliche Sicherung im Alter nicht garantieren. Die CDU will daher eine verpflichtende, kapitalgedeckte Altersvorsorge als Ergänzung der gesetzlichen Rente einführen. Die Passage könnte die Fantasie von Fink wecken.

    Wird die Blackrock-Vergangenheit für Friedrich Merz zur Belastung?

    Ist die Blackrock-Vergangenheit von Merz für ihn und die Union eine Belastung, wenn es in den Wahlkampf geht? Das hängt davon ab, was Wählerinnen und Wähler von einem Spitzenpolitiker erwarten. Wer einen Kanzler bevorzugt, der sich in der Wirtschafts- und Finanzwelt auskennt, weil er dort in Führungsetagen ein und aus gegangen ist und sich davon Vorteile für die heimische Wirtschaft erwartet, mag die Unternehmen-Vergangenheit des CDU-Manns als Vorteil für das Land sehen. So sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber: „Ich kenne Merz seit 30 Jahren. Seine Kompetenz liegt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Beides wird in den nächsten Jahren dringend gebraucht.“ Für andere werden die Jahre des Mannes beim schwarzen US-Felsen Fragen aufwerfen und Zweifel wecken. Was hat er dort genau gemacht? Sind ihm aus der Tätigkeit Abhängigkeiten erwachsen? Wirkt die Geheimniskrämerei nicht suspekt? Die Merkel- und Mutter-Beimer-Welt ist durchsichtiger, vertrauenerweckender, geerdeter und am Ende wohliger, mehr Kartoffelsuppe als Hochfinanz. Merz bleibt zum Teil ein Rätsel.

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    4 Kommentare
    Wolfgang Leonhard

    Was wird Merz bei Blackrock schon groß gemacht haben? Von der Materie selbst hat er als Jurist und Berufspolitiker wenig Ahnung, also wird er seine politischen Kontakte für viel Geld verkauft und Türen für die Finanzlobbyisten geöffnet haben. Merz' Problem ist vor allem, dass er bisher nicht einmal ein Landratsamt, geschweige denn eine große Behörde oder ein Ministerium geleitet hat. Als nächster Bundeskanzler wäre er schon ziemlich alt, aber dennoch ein blutiger Anfänger.

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    Helmut Eimiller

    Herr Leonhard, auch ich habe Bedenken, was die Person Friedrich Merz angeht. So habe ich mich bei seinem Einsatz gegen die Gaslieferungen über die Nord Stream Pipelines stets gefragt, ob da nicht irgendwo im Hintergrund BlackRock eine Rolle spielt. (BlackRock zählt zu den größten Inhabern ukrainischer Anleihen.) Da ich vor Jahrzehnten selbst gegen den Erwerb von Aktien durch die Wertpapierspezialfonds der Berufsgenossenschaften ankämpfte, stimme ich der Mahnung der Zeit-Journalistin Buchter uneingeschränkt zu: „Wir dürfen solchen Leuten die Altersvorsorge nicht in die Hand geben. Das wäre sonst eine Gefahr für unsere Demokratie.“

    Wolfgang Steger

    Der ehemalige Handlanger des amerikanischen Großkapitals fordert jetzt Sozialkürzungen. Wird Merz Kanzler, lässt Larry Fink die Sektkorken knallen. Kleine Rentner und Bürgergeldempfänger werden die Verlierer sein.

    Esther Ern

    Taylor Swifts Segen für Harris sorgt für Aufsehen: - Welchen Star könnte man für Merz engagieren? Oder für Söder, Wüst, Scholz, Habeck - alle Möchtegern-Kanzleranwärter? Hat jemand Ideen?

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