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Medien: Hohe Papierkosten und mehr Probleme setzen Zeitungsverlage unter Druck

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Hohe Papierkosten und mehr Probleme setzen Zeitungsverlage unter Druck

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    Im Rollenlager der Augsburger Allgemeinen lagert Papier für mehrere Wochen. Die Kosten dafür aber sind explodiert.
    Im Rollenlager der Augsburger Allgemeinen lagert Papier für mehrere Wochen. Die Kosten dafür aber sind explodiert. Foto: Carina Sirch

    In rasender Geschwindigkeit läuft das Papier über die Rollen, nimmt erst blaue, rote, gelbe, dann schwarze Farbe auf. Die Nachrichten aus der Welt und aus der Region finden ihren Weg in die Zeitung, das Rattern der Druckmaschinen erfüllt den Raum. Jede Nacht produziert ein Team aus Fachkräften die 18 Druckausgaben der Augsburger Allgemeine und ihrer Heimatzeitungen, insgesamt stolze 160.000 Exemplare. Die Nachrichtenmaschine läuft auch diese Nacht auf Hochtouren, das Papierlager ist gut gefüllt. Geht man mit Andreas Ullmann, dem Gesamtleiter Technik der Mediengruppe Presse-Druck, hinüber in die Druckerei am Standort in Augsburg-Lechhausen, scheint die Welt in bester Ordnung zu sein. Doch der Schein täuscht. 

    Explodierende Preise setzen die Medienbranche derzeit massiv unter Druck. Insbesondere gestiegene Papierkosten sind das Hauptproblem. "Innerhalb eines Jahres haben wir eine Verdopplung der

    Preise werden im Monatsrhythmus erhöht

    Die Preis-Krise ging letztes Jahr los, erinnert sich Ullmann, als Lieferketten in der Corona-Krise rissen und teure Frachtcontainer ein Thema waren. Der Ukraine-Krieg hat die Lage massiv verschärft. "Seitdem ist der Markt außer Rand und Band", sagt der Technik-Chef. "Es ist wie im Wilden Westen." Hat er früher Preise mit Lieferanten für ein Jahr vereinbart, änderten sie sich erst quartalsweise. Mittlerweile flattern teilweise Monat für Monat Preiserhöhungen auf seinen Schreibtisch. "Häufig werden die Preise für unser Material plötzlich mit Aufschlägen versehen", sagt er. Ein Raum zum Verhandeln bleibt nicht. "Die Lieferanten setzen die Preise einfach um, die Kaufmannsehre wird in die Tonne getreten", kritisiert er. 

    Höchstleistungen werden in dieser Nacht noch an anderer Stelle erbracht. Kleinlaster holen die frisch gedruckten, gebündelten Zeitungen ab, fahren sie in die Städte und Ortschaften. Rund 2000 Zustellerinnen und Zusteller tragen sie dort aus, häufig mit dem Rad, bei jedem Wetter. Spätestens um 6 Uhr liegt die Zeitung im Briefkasten der Leserinnen und Leser. "Das Austragen ist eine beliebte Tätigkeit, die sich als Zuverdienst gut mit anderen Beschäftigungen vereinbaren lässt, man ist an der frischen Luft und hat Eigenverantwortung", sagt Kay Helmecke, Geschäftsführer des pd.KURIER. "Ob Hausfrau, Rentner, Studentin, wir haben Jobs für alle", erklärt er. 

    Printprodukte genießen bei Lesern immer noch hohe Nachfrage. Die Augsburger Allgemeine und ihre Heimatausgaben werden in Augsburg gedruckt.
    Printprodukte genießen bei Lesern immer noch hohe Nachfrage. Die Augsburger Allgemeine und ihre Heimatausgaben werden in Augsburg gedruckt. Foto: Mediengruppe Presse-Druck

    Aber auch die Zustellung wird aufwendiger und vor allem teurer. Ein Grund ist der Mindestlohn. Seit 2020 wurde er fünf Mal erhöht und stieg in dieser Zeit von 9,35 Euro auf nun 12 Euro. Nachtzuschläge kommen hinzu. Gut für die Beschäftigten, aber ein weiterer Kostenfaktor für die Verlage. "Binnen eines Jahres sind die reinen Zustellkosten um 22 Prozent gestiegen. Die Summe geht für uns in die Millionen Euro", sagt Helmecke. So braut sich eine verhängnisvolle Mischung zusammen. 

    Andreas Schmutterer, Verlagsleiter: "Eine toxische Lage"

    "Papierkosten, die um 100 Prozent gestiegen sind, Preiserhöhungen für Druckplatten und Farbe, dazu ein Mindestlohn, der moralisch gut ist, aber Millionen Euro kostet – das ergibt eine toxische Lage", sagt Andreas Schmutterer, Verlagsleiter der Mediengruppe Presse-Druck. "Die Rahmenbedingungen für das Zeitungswesen haben sich gravierend verändert", kritisiert er. Die Erhöhung der Kosten 1:1 an die Leserinnen und Leser weiterzureichen, sei unmöglich, aber auch die Sparbemühungen haben ein Limit. Das zeigt ein Blick in die Branche. 

    In Deutschland gibt es über 7000 Druckbetriebe, die rund 115.000 Beschäftigten Arbeit geben. Die hohen Kosten setzen sie massiv unter Druck: "Die Herausforderungen für die Unternehmen der Druckbranche sind gegenwärtig so groß wie schon lange nicht mehr", sagt Holger Busch, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Druck und Medien Bayern (VDMB). 

    Nachdem sich Anfang 2022 die Druck- und Medienbranche nach zwei Jahren Pandemie in eine wirtschaftlich bessere Richtung zu bewegen schien, hätten ab Februar Materialknappheit und die Kostenexplosion bei Papier und Verbrauchsmaterialien den Druckereien stark zugesetzt. "Die dramatischen Preissteigerungen für Energie im Zuge des Ukraine-Krieges verschärften die Situation weiter", erklärt Busch. Durch die Inflation sparen viele Menschen, sodass Umfänge und Auflagen reduziert werden. "Die Branche erlebt derzeit die Krise im Dauermodus", sagt Busch. "Wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem wir aufpassen müssen, dass das Printgeschäft angesichts der dramatischen Verteuerungen überhaupt noch rentabel ist", warnt er. 

    "Für die Druckindustrie wie auch die deutsche Presselandschaft ist das mittlerweile eine ernst zu nehmende Bedrohung." Der Verband appelliert deshalb an die Politik, die Kostensenkungsprogramme bei Gas und Strom rasch umzusetzen. Auch die Papierindustrie führt die Preiserhöhungen auf eine Zwangslage zurück: Die Hersteller stünden "vor allem durch die explodierenden Energiepreise unter Druck, die sich im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht haben", berichtet der Verband "Die Papierindustrie". 

    Verlegerverband BDZV: "Viele Leser wünschen sich die Zeitung als gedruckte Ausgabe"

    Die hohen Kosten treffen vor allem die gedruckten Zeitungen, die bis heute die Hauptstütze der Medienvielfalt in Deutschland sind. Heute erscheinen in der Bundesrepublik 339 Printzeitungen mit einer täglichen Auflage von 14,17 Millionen Exemplaren. Sie erreichen über die Hälfte der Bevölkerung. "Viele unserer Leserinnen und Leser wünschen sich ihre Zeitung nach wie vor als gedruckte Ausgabe und nicht digital, auch wenn die Verlagsunternehmen dies selbstverständlich bundesweit seit Jahren ermöglichen", sagt Sigrun Albert, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). "Dieses Publikum möchten wir nicht enttäuschen", betont sie. 

    Zugleich werde die Zustellung besonders in entlegene Gebiete immer teurer. "Absehbar wird nicht jeder Abonnent, der dies möchte, noch mit einer gedruckten Zeitung per Hauszustellung versorgt werden können", befürchtet sie. "Ganze Landkreise drohen in Deutschland zur lokalen Nachrichtenwüste zu verkommen", warnt Albert. "Wollen wir das? Natürlich nicht." 

    Der Verband setzt sich deshalb für eine staatliche Förderung der Zustellung ein, wie sie die aktuelle Regierungskoalition in den Koalitionsvertrag aufgenommen habe. "Bisher ist es allerdings bei der Formulierung des guten Willens geblieben. Leider." Das sei auch darum ein Problem, weil die vielen digitalen Angebote der Zeitungen ohne die Printerlöse derzeit noch nicht machbar sind. 

    Unabhängiger Journalismus muss und soll eine Zukunft haben

    In Augsburg ist für Verlagsleiter Andreas Schmutterer indes klar, dass trotz höherer Produktionskosten am Produkt "Zeitung" nicht gespart werden darf. "Keinesfalls wollen wir den Umfang reduzieren", sagt er. "Wir wollen das Bedürfnis unserer Abonnentinnen und Abonnenten nach journalistisch guten Inhalten zu 100 Prozent erfüllen und unser Produkt in 1a-Qualität zustellen. Unabhängiger Journalismus ist ein Gut mit hoher gesellschaftlicher Relevanz", sagt er. Fatal sei, dass die Politik kein Signal der Unterstützung sende. "In der Politik passiert aber leider überhaupt nichts zur Unterstützung einer unabhängigen Presse", kritisiert Schmutterer. 

    Technik-Chef Andreas Ullmann indes bemüht sich im täglichen Geschäft, Energie zu sparen und mit Automatisierung und Digitalisierung in den Prozessen die Produktion günstiger zu machen. Aber auch er weiß, dass er angesichts hoher Material-, Energie- und Zustellkosten irgendwann an Grenzen stößt. 

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