Es ist nicht ohne Ironie. Dass die EU stärker gegen die früher als Twitter bekannte Nachrichten-Plattform X vorgeht, hätte Elon Musk als Inhaber dort gleich selbst nachlesen können. "Wir haben ein formales Verfahren eröffnet, um abzuschätzen, ob X gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat", schrieb die EU-Kommission am Montag um 12:20 Uhr auf dem Portal. Grund zur Sorge gaben der EU Veröffentlichungen rund um die Terroranschläge der Hamas auf Israel in diesem Herbst. Ein Teil der Inhalte soll illegal gewesen sein. Die EU will jetzt untersuchen, ob X gegen Bestimmungen der EU zum Risikomanagement verstoßen hat, zur Moderation von Inhalten und zur Transparenz bei Werbung. Tesla-Eigentümer Elon Musk hatte den Kurznachrichtendienst Twitter vor rund einem Jahr übernommen und seither stark umgebaut.
Das Gesetz über digitale Dienste – der Digital Services Act – verpflichtet Online-Unternehmen in der EU, strikt gegen illegale Inhalte wie Hassreden oder Hetze im Internet vorzugehen. Das Gesetz trat ebenfalls erst vor rund einem Jahr in Kraft. Das Verfahren gegen X ist nach Angaben der EU das erste auf Basis des neuen Gesetzes.
EU findet auf X "illegale Inhalte"
Die Plattform X wird von der EU schon länger kritisch beobachtet. In Voruntersuchungen hatte die Kommission das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits mit Fragen konfrontiert. Dabei sind der Behörde "illegale Inhalte in Zusammenhang mit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel" aufgefallen. Im offiziellen Verfahren will die EU untersuchen, ob X genug getan hat, um die Verbreitung illegaler Inhalte zu unterbinden und Falschinformationen zu begegnen.
Die EU prüft auch, wie transparent X ist, insbesondere wenn es darum geht, Wissenschaftlern Zugang zu Daten zu gewähren. Auch der "blaue Haken" auf den Nutzerprofilen soll überprüft werden. Auf Twitter diente der Haken dazu, die Echtheit einer Organisation oder einer Person anzuzeigen. Nach der Übernahme durch Elon Musk verlor das Häkchen diese Funktion. Heute bekommen den Haken alle Nutzer, die ein bezahltes Abo auf den Dienst abschließen, unabhängig davon, ob es die Person gibt oder nicht.
Vizepräsidentin Vestager: "Wir nehmen jeden Bruch unserer Regeln sehr ernst"
Mit der Aufnahme eines Verfahrens kann die Kommission weitere Beweise sammeln, Informationen anfordern, aber auch einstweilige Anordnungen erlassen. Im schlimmsten Fall drohen X hohe Geldstrafen, die sich am Umsatz bemessen. "Je größer die Risiken großer Plattformen für unsere Gesellschaft sind, desto genauer sind die Anforderungen des Digital Services Act", sagte EU-Vizepräsidentin Margrethe Vestager. "Wir nehmen jeden Bruch unserer Regeln sehr ernst. Und die Hinweise, die wir derzeit haben, reichen aus, um formell ein Verfahren gegen X zu eröffnen", sagte sie. "Mit dem Digital Services Act ist die Zeit vorbei, in der sich große Online-Plattformen verhalten konnten als wären sie ,too big to care'", fügte Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton an, also zu groß, um sich zu kümmern.
Elon Musk hatte Twitter im Herbst 2022 gekauft. Nicht nur der Name änderte sich zu "X", schon nach kurzer Zeit warf er tausende Beschäftigte raus. Betroffen waren vor allem Teams, die sich um Hetze, Falschnachrichten und andere kritische Inhalte kümmerten. Musk zog im November selbst die Kritik des Weißen Hauses auf sich, nachdem er einen antisemitischen Eintrag auf X unterstützt hatte. Große Werbekunden wie Apple, IBM, Coca Cola oder Microsoft sollen daraufhin ihre Aktivität bei X eingestellt haben.
Wert von X stark gesunken
Seit der Übernahme Twitters durch Musk sollen die Nutzerzahlen wie auch der Wert des Unternehmens gesunken sein. Trotzdem bleibt X einflussreich: Die Plattform zählte Anfang des Jahres in Europa rund 112 Millionen monatliche Nutzer. Und trotz Konkurrenzplattformen wie Mastodon oder Bluesky hat X unter Politikern und Meinungsführern noch immer eine starke Stellung. (mit dpa)