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Machtwechsel in Italien: Italiens künftige Regierungschefin Gorgia Meloni wird zur Europäerin wider Willen

Machtwechsel in Italien

Italiens künftige Regierungschefin Gorgia Meloni wird zur Europäerin wider Willen

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    Giorgia Meloni ist die Wahlsiegerin in Italien. Und hat eine Menge Probleme.
    Giorgia Meloni ist die Wahlsiegerin in Italien. Und hat eine Menge Probleme. Foto: Oliver Weiken, dpa

    Seit vergangenen Samstag fließt kein russisches Gas mehr nach Italien. Der russische Staatskonzern Gazprom stellte seine Lieferungen „vorläufig“ ein, wie es heißt. Italien bezieht das Methan aus dem größten Land der Erde über eine Pipeline, die nach Österreich führt. Im Grenzort Tarvisio im Friaul übertritt das Gas normalerweise die Grenze nach Italien. Aber seit dem Wochenende geht nichts mehr. Die offizielle Version lautet, dass Gazprom „wegen neuer Vorschriften“ dem österreichischen Transporteur keine Sicherheitsgarantien mehr bezahlen will.

    Russland hat seine Gaslieferungen in die EU sukzessive eingestellt. Nun, ziemlich genau eine Woche nach der Parlamentswahl, ist offenbar auch Italien an der Reihe. Bei der Wahl gingen Giorgia Meloni und ihre postfaschistische und nationalistische Partei „Brüder Italiens“ als Sieger hervor. Es liegt nun nahe, den Lieferstopp und den Ausgang der Parlamentswahl in Verbindung zu setzen, auch wenn der Chef des staatlichen italienischen Gaskonzerns Eni, Claudio Descalzi, von „Problemen bei Bezahlungsdetails“ spricht und die Frage diese Woche mit einer Bürgschaft von italienischer Seite beizulegen hofft.

    Koalitionspartner Lega und Forza Italia sind russlandfreundlich

    Die mutmaßliche künftige Regierungschefin Meloni hat sich in den Tagen nach der Abstimmung außenpolitisch klar auf die Seite der Ukraine, der EU und der Nato geschlagen und am Freitag die Referenden in vier ukrainischen Regionen als „Annexion ohne jeden rechtlichen und politischen Wert“ gebrandmarkt. „Putin demonstriert einmal mehr seine neoimperialistische Vision nach sowjetischem Vorbild, welche die Sicherheit des gesamten europäischen Kontinents bedroht“, erklärte Meloni.

    Angesichts der wohl zukünftigen russlandfreundlichen Koalitionspartner um Lega (Matteo Salvini) und Forza Italia (Silvio Berlusconi) hatte man im Kreml auf andere Töne der künftigen Regierungschefin gehofft. Es mag sich um „Bezahlungsdetails“ handeln. Tatsache ist, am Tag darauf floss kein russisches Gas mehr nach Italien.

    2021 machten die Gaslieferungen aus Russland noch 40 Prozent des italienischen Gesamtbedarfs aus, heute nur noch zehn Prozent. Noch-Ministerpräsident Mario Draghi unterzeichnete Verträge mit Algerien, das vor Aserbaidschan, Norwegen, Russland und Libyen nun der größte Importeur ist. Italiens Gasspeicher sind derzeit mit gut 90 Prozent gefüllt. Um die Industrieproduktion in Italien und warme Wohnungen im Winter zu garantieren, ist das russische Gas allerdings weiterhin von Bedeutung. Erst 2024 könnte sich Italien von den russischen Gaslieferungen unabhängig machen, wenn im toskanischen Piombino ein Schiff zur Umwandlung von Flüssiggas in Betrieb genommen wurde. Wie kommt Italien also durch die kommenden beiden Winter, wenn die „Bezahlungsdetails“ doch nicht gelöst werden können?

    Meloni im Wahlkampf: „Europa, der Spaß ist vorbei!“

    Für Meloni ergeben sich außerdem politische Probleme. Zum einen wünscht sich die (eigentlich europaskeptische) Ministerpräsidentin in spe eine konzertierte europäische Aktion zur Deckelung des Gaspreises und kritisiert den deutschen Alleingang mit der Bereitstellung von 200 Milliarden Euro zur Unterstützung von Familien und Industrie. Das mit rund 150 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verschuldete Italien könnte sich solch eine Neuverschuldung nicht leisten, ohne die Finanzmärkte in Wallung zu bringen. Meloni, die sich in dieser Frage mit Premier Draghi einig ist, wird also gegen ihren Willen zur Europäerin. Damit unterhöhlt sie selbst ihre Anklage aus dem Wahlkampf, als sie auf Italiens Plätzen rief: „Europa, der Spaß ist vorbei!

    Inflation, hohe Energiepreise sowie der Lieferstopp aus Russland beeinflussen zudem die italienische Wirtschaftsleistung. Für 2023 prognostizierte die Regierung bei einem fortdauernden Gas-Lieferstopp aus Moskau ein Wachstum von nur noch 0,1 Prozent, de facto eine Rezession. Diese Wirtschaftslage hindert Italien nicht nur am Abbau des eigenen Schuldenberges, sondern lässt auch an der Realisierung einiger Wahlkampfversprechen zweifeln. So hatte sich die Rechtsallianz um Meloni für einen allgemeinen Niedrigsteuersatz und Frühverrentung ausgesprochen, zwei kostspielige Pläne. Von der von Meloni angekündigten Neuverhandlung über die Bedingungen und Verteilung der knapp 200 Milliarden EU-Corona-Hilfen für Italien ist bislang überhaupt keine Rede mehr.

    Droht Italien ein perfekter Sturm aus Gaskrise, Inflation, Rezession und zusätzlicher Neuverschuldung?

    „Der kommenden Regierung muss klar sein, dass die italienische Industrie aus der Energiekrise gerettet werden muss“, sagte Arbeitgeberpräsident Carlo Bonomi am Montag und sprach angesichts der durch Neuverschuldung zu finanzierenden Wahlversprechen von „Verrücktheiten“. Könnte Italien einen perfekten Sturm aus Gaskrise, Inflation, Rezession und zusätzlicher Neuverschuldung überstehen?

    Giorgia Meloni gibt sich dieser Tage Mühe, den Eindruck von Verlässlichkeit zu erwecken. Ihr Spielraum ist begrenzt. Zunächst muss die Koalition geschmiedet werden, was sich angesichts der Ambitionen von Lega-Chef Salvini als schwierig darstellt. Salvini fordert nicht nur die Einlösung der Wahlversprechen Niedrigsteuersatz und Frühverrentung, sondern beansprucht auch den Posten des Innenministers für sich, den ihm Meloni aber nicht zugestehen will. Der 45 Jahre alten Römerin hingegen schwebt laut Presseberichten ein von parteiübergreifend angesehenen Persönlichkeiten geprägtes Kabinett vor, und das aus gutem Grund: Positive Signale in Richtung Brüssel und der Finanzmärkte wirken sich letztlich auch mildernd für Italien aus.

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