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Logistik: Lieferketten von Unternehmen der Region leiden unter Corona

Logistik

Lieferketten von Unternehmen der Region leiden unter Corona

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    Container-Stau: Das Bild ist in den Handelshäfen der Welt inzwischen zur Gewohnheit geworden.
    Container-Stau: Das Bild ist in den Handelshäfen der Welt inzwischen zur Gewohnheit geworden. Foto: Ingo Wagner, dpa (Symbolbild)

    Mit dem Durchtrennen kennt man sich bei Eberle aus. Denn das Traditionsunternehmen aus Augsburg fertigt unter anderem Sägebänder. Produziert wird ausschließlich in Deutschland, exportiert aber werden weltweit 90 Prozent der Produkte. Und damit zu den durchtrennten Lieferketten, die auch Eberle seit Ausbruch der Pandemie zu schaffen machen.

    Geschäftsführer Martin Döring fasst die andauernde Misere so zusammen: „Uns fehlen die Container, die Laufzeiten sind extrem lange, manche Schiffe können den eigentlichen Zielhafen nicht anfahren, dann landen sie woanders, dort aber fehlen dann die Trucker. Hinzu kommt, dass die Containerpreise explodieren.“

    Die Misere wirkt in beide Richtungen. Denn auch die Vorprodukte, große, tonnenschwere Stahlrollen, die Eberle braucht, um loszulegen, können nicht von irgendwem geliefert werden. Döring erklärt warum: „Wir brauchen für unsere besonderen Sägen – oder auch für in Stoßdämpfern eingebaute sehr sensible Teile – besonderen

    Erhöhte Lieferkosten: Auch die Kunden leiden unter der Situation

    Aus Japan zum Beispiel bekämen sie ganz spezielle Stahldrähte. Aber selbst wenn man wollte: Einfach tauschen geht deshalb gar nicht, selbst wenn man jemanden fände, der Kapazitäten hätte und auch liefern wollte. Und selbst, so beschreibt Döring weiter, wenn man dann einen geeigneten neuen Zulieferer fände, wäre es immer noch schwierig, ein Team dorthin zu fliegen, um den Stahlproduzenten auf die Erfordernisse von Eberle einzustellen. In die USA darf man inzwischen wieder einreisen, nach China etwa aber immer noch nicht. Döring sagt: „So etwas kann man nicht über Teams erledigen. Da geht uns der persönliche Kontakt ab.“

    Die Kunden, sagt Döring, leiden genauso unter der Situation. Denn Eberle habe, wenn auch zeitverzögert, die erhöhten Lieferkosten weitergeben müssen. Und die Perspektive? Döring meint: „Ich habe da für den Moment ein bisschen die Hoffnung verloren. Besserungen waren bisher immer vorübergehend. Die Lage ist noch viel zu fragil, um jetzt sagen zu können, in sechs Monaten ist es wieder wie vor Corona.“ Der derzeit „völlig aus den Fugen geratene und unter Stress stehende Markt“ könnte sich zwar schnell erholen, glaubt der Ingenieur. Aber erst, wenn die Pandemie vorbei ist. Zu viele Unwägbarkeiten, zu viele national unterschiedliche Restriktionen.

    Viele Containerschiffe können derzeit nicht entladen werden

    Wer weiter verstehen will, woran es nach wie vor liegt, bekommt Antworten auch von Kühne + Nagel. Das international tätige Schweizer Logistik- und Transportunternehmen erhebt täglich den sogenannten „Disruption Indicator“. Erfasst werden darin alle rund 5200 Containerschiffe, die auf den Weltmeeren unterwegs sind. Gut zehn Prozent davon liegen derzeit vor den Handelshäfen und können nicht entladen werden. Zehn Prozent, erklärt Kathrin Wolf, ist ein außerordentlich hoher Wert. Wolf ist bei Kühne + Nagel Produktmanagerin für den „Seaexplorer“.

    Die weltweit rund 32.000 Nutzer der Logistikanwendung können damit verfolgen, wo die globale Seefracht gerade unterwegs ist, wo die Schiffe sich stauen und wo es vorangeht. Sehr wenig geht – und das hat auch Auswirkungen auf Europa – vor Long Beach/Los Angeles an der Westküste der USA. Kühne + Nagel-Analystin Wolf erklärt das so: „In den USA fehlen unter anderem Trucker. Stichwort Fachkräftemangel. Dazu kommt Corona. Die Folge ist ein erheblicher Container-Stau.“

    Produktmanagerin Wolf: Keine Ende des Notstands in Sicht

    Um zu verstehen, warum das Auswirkungen auf die EU, Deutschland und Bayern hat, muss man wissen, dass die Container, die nun auf den Schiffen im Pazifik liegen, längst wieder in China gebraucht würden, um dort Waren nach Europa zu verschiffen. So verstärkt sich der Mangel. Es fehlt der Container-Nachschub in China, um überhaupt weitere Waren und industrielle Vorprodukte verladen zu können. Ein Ende des Notstandes ist laut Wolf zunächst nicht in Sicht. Der Indikator liegt mit derzeit rund zwölf Millionen Container-Warte-Tagen in den neun Hafenregionen, die für den Indikator beobachtet werden, weiterhin auf sehr hohem Niveau. „Wir gehen davon aus, dass dieser Wert normalerweise bei etwa einer Million liegen würde.“ Zur Erklärung: Kühne + Nagel verrechnet dafür die Zahl der Container pro Frachter mit der Anzahl der Tage, die sie warten müssen. Wolf sagt: „Normalweise gibt es für einen Container nur eine Wartezeit von höchstens zwei Tagen. Aber die letzten Wochen zeigen: Im Durchschnitt liegt die Wartezeit derzeit bei rund sieben Tagen in diesen neun Hafenregionen.“

    Die Folgen sind einmal mehr: Es wird teurer. Wie das Münchener Ifo-Institut am Montag mitteilte, planen die Unternehmen in Deutschland, ihre Preise weiter anzuheben. Timo Wollmershäuser, Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen, sagte: „Die Unternehmen geben die gestiegenen Kosten für Energie sowie bei der Beschaffung von Vorprodukten und Handelswaren an ihre Kunden weiter. Das wird bis auf die Verbraucherpreise durchschlagen.“ Die monatlichen Inflationsraten würden daher noch eine Zeit lang über vier Prozent liegen.

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