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Lieferengpässe: Schiffsstau in Shanghai: Werden Materialien jetzt noch knapper?

Lieferengpässe

Schiffsstau in Shanghai: Werden Materialien jetzt noch knapper?

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    Der Hafen in Shanghai ist der größte Container-Hafen weltweit.
    Der Hafen in Shanghai ist der größte Container-Hafen weltweit. Foto: XinHua | Ding Ting, dpa

    Wer sich im Schiffsradar ein aktuelles Bild des Hafens von Shanghai anzeigen lässt, kann ihn kaum erkennen. Dicht an dicht drängen sich rote und grüne Punkte, die Tanker und Container-Schiffe symbolisieren. So sieht ein virtueller Schiffsstau aus.

    Die chinesische Millionenstadt Shanghai befindet sich aktuell in einem sehr strikten Lockdown. Eine der Folgen: Am größten Container-Hafen der Welt läuft alles sehr viel langsamer als gewohnt. Derzeit stecken etwa zwölf Prozent aller weltweit verschifften Waren fest, heißt es vom Kieler Institut für Weltwirtschaftsforschung. Das könnte auch Folgen für die deutsche Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher haben.

    Die Hoffnung auf weniger Lieferengpässe hat sich nicht bestätigt

    In der Industrie sind Lieferengpässe nicht neu, doch zu Beginn des Jahres hatten viele Unternehmen die Hoffnung, dass sie sich im Frühjahr und Sommer abschwächen würden. Diese Hoffnung hätten sie nun überwiegend aufgegeben, sagt Klaus Wohlrabe. Er arbeitet am Münchner Ifo-Institut und ist dort unter anderem für die Befragung der Unternehmen zuständig. Im März klagten 80,2 Prozent der befragten Firmen über Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Rohstoffen und Materialien, sagt er. Im Januar waren es noch etwa 70 Prozent. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

    Ein wichtiger ist die Corona-Pandemie. Sie hatte schon im vergangenen Jahr dazu geführt, dass Waren nicht zu bekommen waren, erklärt Vincent Stamer. Er forscht am Institut für Weltwirtschaft in Kiel zum Thema Außenwirtschaft und Handelspolitik. "Das hing vor allem damit zusammen, dass die Menschen in der EU und den USA kein Geld mehr für Dienstleistungen ausgeben konnten. Stattdessen haben sie verstärkt Konsumgüter nachgefragt." Also Sportgeräte, Unterhaltungselektronik oder Möbel. Weil die Nachfrage so rasant stieg, war vieles erst einmal nicht zu bekommen. "Wir haben nun die Hoffnung, dass die Menschen 2022 wieder mehr Geld für Dienstleistungen, also Urlaube oder Restaurantbesuche, ausgeben", sagt Stamer. Das könnte die Lieferschwierigkeiten zumindest etwas abmildern.

    In Shanghai werden vor allem Elektroartikel hergestellt

    Allerdings zeichnen sich jetzt schon weitere Probleme ab. Eines ist die Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung, die momentan auch zum Schiffsstau vor Shanghai führt. "Wir beobachten gerade, dass den Hafen von Shanghai 30 Prozent weniger Waren verlassen", sagt Stamer. Das liegt seiner Einschätzung nach vor allem daran, dass die Fabriken in der Region wegen des Lockdowns geschlossen sind. "Diese Lockdowns gab es auch in den vergangenen beiden Jahren in China immer wieder. Aber der in Shanghai hat massive Auswirkungen", sagt er. In der Region werden überwiegend Elektronikartikel hergestellt, die dann überall auf der Welt fehlen.

    Dass sich die Schiffe stauen, liegt also zum einen daran, dass sie nicht beladen werden. Sie werden ihre Waren aber auch nicht los, sagt Ifo-Forscher Klaus Wohlrabe. Das führt zu immer weiteren Verzögerungen in der Lieferkette. "Es ist wie ein Dominoeffekt. Die Schiffe haben feste Routen. Wenn sie vor Shanghai liegen und warten, verzögert das den ganzen Ablauf", sagt er. Gerate die Lieferkette aus dem Takt, dauere es sehr lange, bis sich alles wieder eingependelt hat. In einem kleineren Rahmen ließ sich das im vergangenen Jahr beobachten, als das Frachtschiff Evergreen den Suezkanal blockierte – auch damals stauten sich Schiffe. "Aber meiner Einschätzung nach sind die Auswirkungen des Staus in Shanghai schwerwiegender", sagt Stamer. "Bei der Suezkrise waren die Waren nur verspätet. Durch den Lockdown in Shanghai werden aber viele Dinge gar nicht produziert."

    Ein anderer Krisenherd, der zu Materialengpässen führt, ist der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen gegen den Aggressor Russland. Beides sorgt dafür, dass Rohstoffe knapper und deshalb teurer werden. Wenn von Materialknappheit gesprochen wird, müsse das nicht zwingend heißen, dass die Lager leer seien, sagt Wohlrabe. Es könne auch bedeuten, dass die Rohstoffe so teuer sind, dass Firmen erst einmal abwarten, bevor sie welche einkaufen. Das trifft zum Beispiel die Bauindustrie. "Die Materialpreise für viele Rohstoffe schwanken infolge des Krieges deutlich stärker. Zudem beziehen viele Unternehmen Vorprodukte aus Russland oder der Ukraine. Das erschwert die Bauplanung", sagt Wohlrabe.

    Lieferengpässe machen viele Waren teurer

    Am Beispiel von Dachziegeln wird das deutlich: Sie sind schon seit vergangenem Jahr schwerer zu bekommen – vor allem wegen der hohen Nachfrage, weil viel gebaut wird. Da nun aber wegen des Krieges Gas und Öl und damit auch Energie teurer werden – und zum Brennen von Ziegeln viel Energie nötig ist –, werden die Ziegel teurer. Und damit knapper. Diese Materialknappheit könnten Verbraucher auch schon an anderen Stellen spüren, sagt Wohlrabe: "Wir befragen auch Baumärkte und von dort hören wir, dass es schon schwerer wird, Waren zu bekommen."

    Die Folgen der Engpässe lassen sich so zusammenfassen: Alles wird teurer – und bisher ist kein Ende abzusehen.

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