Eine Plastikflasche, die das Klima schont. Diese Traumvorstellung möchte der Discounter Lidl mit seiner neuen Kampagne "Aus Liebe zur Natur" wahr werden lassen. Für die Werbeoffensive sicherte sich der Supermarktriese das vertraute Gesicht von Günther Jauch und verspricht "eine der ökologischsten Flaschen" im Angebot zu haben. Doch was ist dran an den Werbeversprechen zur sogenannten Kreislaufflasche? Kann eine Einweg-Plastikflasche wirklich besser fürs Klima sein als Mehrweg- oder Glasflaschen?
Worauf stützt sich Lidls Werbekampagne zur Kreislaufflasche?
Grundlage der Werbekampagne ist eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu), die Lidl beauftragt hat. Die wichtigste Erkenntnis: Im CO₂-Vergleich schneidet die Kreislaufflasche besser als Glas- und PET-Mehrwegflaschen ab. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, sagt Umweltwissenschaftler Thomas Fischer: "Es wird ein hochoptimiertes Einzelprodukt mit den Durchschnittsdaten einer Branche verglichen." Der Leiter der Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe kritisiert, dass Lidl sich nicht getraut habe, seine Flasche mit ähnlich optimierten Mehrwegsystemen zu vergleichen.
Was ist der Unterschied zwischen Einweg und Mehrweg?
Mineralwasser und Erfrischungsgetränke werden zunehmend in Einweg-Plastikflaschen verkauft. Der Anteil an Mehrwegflaschen bei Mineralwasser hat sich in den vergangen 20 Jahren mehr als halbiert, von ehemals 93 Prozent (1991) auf knapp 43 Prozent (2020). Während Einwegflaschen nur einmal genutzt und dann recycelt werden, können PET-Mehrwegflaschen bis zu 25-mal wiederverwendet werden, Mehrwegflaschen aus Glas sogar bis zu 50-mal.
Handelt es sich bei der Kreislaufflasche um einen Kreislauf?
"Das ist absichtlich missverständlich formuliert", so Fischer. Bei einer Kreislaufführung im eigentlichen Sinne wäre die Flasche zu erhalten und wiederzuverwenden – das ist aber nicht der Fall. Bei der Kreislaufflasche handelt es sich um einen Materialkreislauf, erklärt er. Nach der Pfandrückgabe der Einweg-Plastikflasche wird diese sortiert, geschreddert und gewaschen. Aus den alten Flaschen entsteht das Material für die neuen. Die Rohlinge werden anschließend an einer der fünf regionalen Quellen aufgepustet und befüllt. Dieses Verfahren ist zwar innovativ und besser für die Umwelt, aber nicht für alle Einweg-Plastikflaschen auf dem Markt umsetzbar.
Wird bei der Lidl-Kreislaufflasche zu 100 Prozent Recycling-Material eingesetzt?
Ja, das stimmt. Aber Einwegflaschen mit Pfand werden nicht "nach Rückgabe zu 100 Prozent wieder zu neuen Flaschen recycelt" und durchlaufen einen Kreislauf, wie Lidl schreibt. "Das ist eine Marketinglüge", erklärt Fischer: Denn bei jedem Recyclingprozess gibt es zwischen zwei und fünf Prozent Materialverlust. Lidl recycelt also, kann die Produktion neuer Flaschen aber nicht komplett aus den eigenen Rückgaben speisen, sondern benötigt zusätzlich andere gebrauchte Flaschen.
Sind gute Einwegsysteme wie das von Lidl genauso klimaschonend wie gute Mehrwegsysteme?
Nur bedingt. Lidls System ist zwar klimaschonend, aber nicht für alle Hersteller umsetzbar. Wegen des Materialverlusts beim Recyclingprozess müssten trotzdem neue Plastikflaschen produziert werden. "Der Umwelt ist es am Ende egal, ob Lidl oder ein anderer Hersteller die Recyclingverluste auffüllt", so Fischer. Selbst die Verfasser der Studie resümieren, dass dieses Verfahren nicht für die gesamte Branche umsetzbar sei. Zudem bestehe beim Mehrwegsystem noch ein großer Spielraum zur Verbesserung, Lidl habe jedoch das "Ende der Fahnenstange" bei Einweg-Plastikflaschen erreicht, sagt der Umweltwissenschaftler. Die meisten Emissionen im Mehrwegbereich werden bei der Sortierung, beim Spülen und dem Transport verursacht. Das ließe sich etwa mit effizienteren Spültechnologien oder der Elektrifizierung von Logistikfahrzeugen verbessern.
Kommt es bei der Wiederverwendung von Glasflaschen zu gravierenden Abweichungen zwischen Theorie und Praxis, wie Lidl behauptet?
"Dass Lidl das schreibt, erstaunt mich. Das ist einfach gelogen", sagt Fischer. Für die Ökobilanz seien die ersten zehn bis 20 Umläufe einer Mehrwegflasche entscheidend. Jeder weitere Umlauf baue den ökologischen Vorsprung weiter aus. Diese Anzahl werde in den meisten Fällen erreicht.
Lidl-Kreislaufflasche: Sind Lidls Einweg-Plastikflaschen besser für die Umwelt als Mehrwegflaschen?
"Nein", macht Fischer klar. Der Discounter hat die Umweltauswirkungen seiner Einweg-Plastikflaschen zwar deutlich verringert, aber bei seiner Studie "bewusst Äpfel mit Birnen verglichen". Denn: Im Vergleich mit optimierten Mehrwegsystem schneide Lidls Flasche schlechter ab.