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Studie: Lebensmittelpreise wegen Profit-Hunger von Herstellern hoch?

Lebensmittelpreise

Treiben Lebensmittelkonzerne aus Profit-Hunger die Preise nach oben?

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    Kassieren die Lebensmittelhersteller aus "Profit-Hunger" gerade besonders ab? Eine aktuelle Studie kommt zu diesem Ergebnis.
    Kassieren die Lebensmittelhersteller aus "Profit-Hunger" gerade besonders ab? Eine aktuelle Studie kommt zu diesem Ergebnis. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Es ist ein schwerwiegender Vorwurf an die Lebensmittelhersteller, den der Kreditversicherer Allianz Trade in einer aktuellen Studie formuliert. Aus "Profit-Hunger" würden die Unternehmen die Preise für Lebensmittel nach oben treiben, heißt es darin. Wie kommt es zu dem Ergebnis und was sagen Experten dazu?

    Weder die globalen Rohstoff- und Energiepreise, die seit ihren Höchstständen 2022 wieder stark zurückgegangen sind, noch die Betriebskosten der Produzenten und Einzelhändler, könnten den Preisanstieg bei den Lebensmitteln vollständig erklären, wird in der Studie von Allianz Trade bilanziert. "Wir beobachten auch, dass insbesondere Lebensmittelhersteller hungrig nach Profiten sind. Sie haben die Preise wesentlich stärker erhöht als die Einzelhändler", sagt Aurélien Duthoit, Branchenexpertin des Kreditversicherers.

    Studie zu Lebensmittelkonzernen: Mehr als ein Drittel des Preisanstiegs nicht erklärbar

    Demnach hätten die Einzelhändler in Deutschland die meisten Kosten an die Kunden weitergegeben, aber nicht alle: 2022 erhöhten Lebensmittelproduzenten ihre Preise um 18,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Lebensmitteleinzelhandel nur um 12,6 Prozent. Die Gesamtinflation ist zuletzt auf 7,4 Prozent zurückgegangen, bei Nahrungsmitteln liegt sie dagegen bei über 22 Prozent. Die Lebensmittelpreise seien "einer der Haupttreiber der Inflation", sie machten in Deutschland über 40 Prozent aus, sagt Andy Jobst, Leiter Makro- und Kapitalmarktresearch bei Allianz Trade.

    Mehr als ein Drittel des jüngsten Anstiegs bei den Lebensmittelpreisen können im Inflationsmodell der Studie nicht mit den traditionellen Risikotreibern erklärt werden. "Es scheint zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen zu geben sowie unzureichenden Wettbewerb in den Bereich mit besonders starken Preissteigerungen, wie zum Beispiel bei Herstellern von Milchprodukten und Eiern, aber auch bei nicht-saisonalem Gemüse und Obst", so Jobst.

    Hohe Lebensmittelpreise: Ernährungsindustrie widerspricht dem Vorwurf des "Profit-Hungers"

    Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) widerspricht den Vorwürfen aus der Studie vehement. Die Aussagen zu Gewinnentwicklungen der Hersteller seien "weder nachvollziehbar noch methodisch belegt", heißt es in einer Erklärung der BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet. "Aus unserer Sicht sind jegliche Anschuldigungen zu einer der gesamten Branche unterstellten Bereicherung substanzlos." Schließlich habe es rückläufige Absatzmengen gegeben, stagnierte die Wirtschaftslage der Branche wiederholt und die Unternehmen zeigten zunehmend eine Zurückhaltung bei Investitionen.

    Rund 6000 Betriebe der Ernährungsindustrie, davon 90 Prozent kleine und mittelständische Unternehmen, stünden in Deutschland vier großen Handelskonzernen gegenüber und sorgten damit für hohen Wettbewerb und Preisdruck. "Es ist anzuzweifeln, dass Unternehmen unter diesen Bedingungen über einen langen Zeitraum unverhältnismäßig und ungerechtfertigt hohe Profite generieren können."

    Viele Faktoren müssten bei der derzeitigen Inflation von Lebensmitteln beachtet werden. Es sei nicht ersichtlich, ob sie im Inflationsmodell der Allianz Trade ausreichend berücksichtigt worden seien. So sei Deutschland stärker von den extremen Energie-Preissteigerungen betroffen gewesen als andere Länder. Der Kostendruck in der energieintensiven Ernährungsindustrie sei besonders stark gewesen. Aufgrund der Preise und des drohenden Gasmangels sei es teilweise zu Einschränkungen bei der Produktion gekommen. Diese zögen meist weitere Kollateralschäden nach sich, heißt es in der Erklärung.

    Ifo-Experte: Profit-Gier zu unterstellen ist spekulativ

    Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef beim Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, hält die Anschuldigung des Profit-Hungers für "spekulativ". Es sei "sehr holzschnittartig", wenn daraus, dass Teile der Preisentwicklung nicht erklärt werden könnten, abgeleitet werde, dass das der Gewinn für die Unternehmen sein müsse, der aufgeschlagen werde. Auch er hinterfragt, ob dem Inflationsmodell der Studie von Allianz Trade die Kostenstruktur der Lebensmittelindustrie in allen Details zugrunde liegt.

    Konkrete Aussagen können aber über ganze Branchen getroffen werden. Für sie liegen die wichtigsten Eckdaten vor. So sagt Wollmershäuser, dass im Handel und der Industrie insgesamt, ein Teil der Preisanstiege mit der Ausweitung von Gewinnmargen zu erklären ist. Und damit nicht durch Kosten- und Lohnanstiege oder Vorleistungen der Unternehmen. Der Wissenschaftler verweist auf ein grundlegendes Problem, das branchenübergreifend besteht: Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Rekord-Krankenstände über den Winter, Material- und Chipmangel, die Energieknappheit – all das hat dazu beigetragen, dass nicht in ausreichendem Maße produziert werden konnte, was nachgefragt wurde. In Firmenbefragungen des Ifo-Instituts meldeten Unternehmerinnen und Unternehmer, dass ihre Produktionskapazitäten deutlich überausgelastet seien, sagt Wollmershäuser. Ganz generell sei das immer eine Situation, in der Unternehmen ihre Preise anheben könnten – "aber nicht aus Profit-Gier, sondern aus normalem ökonomischen Kalkül heraus". Sie könnten dann Gewinne einfahren bis die Löhne nachzögen.

    Gestiegene Lebensmittelpreise: Verbraucherzentrale warnt vor Marktmissbrauch

    Ganz ausgeräumt werden können die Zweifel am Profitstreben aber nicht. Auch die Verbraucherzentrale mahnte die Politik und das Kartellamt erst kürzlich, bei der Preisentwicklung der Lebensmittel genau hinzusehen und sowohl Handel als auch Lebensmittelhersteller im Auge zu behalten. In Krisenzeiten müsse der Marktmissbrauch vor allem bei überhöhten Preisen von Grundnahrungsmitteln verhindert werden. "Derzeit ist unklar, wie sich Lebensmittelpreise bilden und wo Gewinne zulasten der Verbraucher:innen mitgenommen werden", heißt es auf der Seite der

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