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Lebensmittel: Spargel im Überfluss: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Lebensmittel

Spargel im Überfluss: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

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    Reichlich Ausbeute: Erntehelfer Nicolas Anuta und Josef Erik Kügle mit den frisch geernteten Spargelstangen.
    Reichlich Ausbeute: Erntehelfer Nicolas Anuta und Josef Erik Kügle mit den frisch geernteten Spargelstangen. Foto: Ulrich Wagner

    Florin Bucea zieht die schwarze Folie mit einem Knistern zurück: Aus der braunen Erde ragt eine weiße Spargelspitze. Mit einem Spargelmesser sticht er rundherum. Mit geübten Griffen zieht er die Folie alle paar Meter nach unten, arbeitet sich weiter vor. Einige der länglichen schwarzen Hügel weiter steht Nicolas Anuta in blauen Gummistiefeln neben der Folie. Er schnappt sich einen gelben Korb und legt die weißen Spargelstangen, an denen noch Erde haftet, hinein. Seit 17 Jahren arbeitet der Rumäne auf dem Spargelhof Gut Froschham in . Pro Tag, erzählt er, sticht er 100 Kilogramm des edlen Gemüses. An guten Tagen kann es schon mal das Doppelte werden, wie Mitte Mai.

    Erntehelfer Nicolas Anuta, 62, aus Rumänien, arbeitet seit 17 Jahren bei Kügle.
    Erntehelfer Nicolas Anuta, 62, aus Rumänien, arbeitet seit 17 Jahren bei Kügle. Foto: Ulrich Wagner

    Doch in Deutschland wird gerade weniger Spargel nachgefragt. Die Kunden kauften im Lebensmitteleinzelhandel vor allem Grundnahrungsmittel und No-Name-Produkte, sagte Fred Eickhorst, Vorstandssprecher der Vereinigung der

    Claudio Gläßer von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft in Bonn erklärt, Spargel sei ein "verzichtbares Gemüse", das viele Menschen mit höheren Preisen in Verbindung brächten: "Es schauen doch viele Leute darauf, für was sie das Geld ausgeben und was nach dem Tanken noch übrig ist, was man zurücklegen muss für kommende höhere Rechnungen."

    Die Inflation macht auch vor dem Spargel nicht halt

    Denn die Inflation macht auch vor dem Spargel nicht halt: Wie das Statistische Bundesamt nach bisher vorliegenden Ergebnissen mitteilt, steigen die Verbraucherpreise im Mai gegenüber April 2022 voraussichtlich um 0,9 Prozent. Insgesamt sind im deutschen Lebensmitteleinzelhandel laut Statistischem Bundesamt die Umsätze eingebrochen: Minus 7,7 Prozent gegenüber dem Vormärz März, das sei der schärfste reale Umsatzrückgang seit 1994.

    Die Kaufzurückhaltung werde Auswirkungen haben, sagte Eickhorst. Schon jetzt seien viele Flächen aus der Produktion genommen worden, und das mitten in der Saison. Einige kleinere Spargelbetriebe seien schon aus dem Geschäft ausgeschieden - vor allem diejenigen, die ausschließlich den Großhandel beliefert hatten. Doch wie sieht die Situation im Süden der Republik aus? Harald Schaum, Stellvertretender Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, sagt, die Kaufzurückhaltung scheint regional sehr unterschiedlich zu sein.

    Vom Spargelerzeugerverband Südbayern sei ihr von ihren Mitgliedern nichts derartiges bekannt, sagt die Vorsitzende Claudia Westner. Sie betont aber: "Der Trend ist da, dass weniger Spargel gegessen wird." Das schwanke von Betrieb zu Betrieb, je nach Vermarktungskanal: "Das kann von gar keinen Einbußen bis zu zehn, 20, 25, 30 Prozent sein."

    Das Wetter spielt auch eine Rolle dabei, wieviel Spargel verkauft wird

    In Froschham erstreckt sich wenige Meter neben dem Feld mit den schwarzen Folienhügeln der Hof der Familie Kügle. Hinter einem fast menschenhohen Spargelmodell aus Verbundkunststoff, das die Kundinnen und Kunden vor der Tür begrüßt, entdecken Kunden in der Auslage neben der Kasse hellbraune Plastikkisten in einer Theke. Fein säuberlich aufgereiht stapeln sich dort die Spargelstangen: grüner neben weißem.

    Die Kügles verkaufen den bekannten Schrobenhausener Spargel, sind Mitglied im Spargelverband Südbayern e. V.. Vater Josef "Sepp" Kügle sagt, 18.000 Kilogramm hätten sie diese Saison verkauft. Das sei eine normale Menge. "Wir hatten eine sehr ausgeglichene Saison mit wenig Höhen und Tiefen, weil das Wetter so gleichmäßig war."

    Familie Kügle Spargelhof Gut Froschham: Josef "Sepp" Kügle, Patricia Kügle und Josef Kügle junior.
    Familie Kügle Spargelhof Gut Froschham: Josef "Sepp" Kügle, Patricia Kügle und Josef Kügle junior. Foto: Julia Greif

    Ein Grund dafür: Sie verkaufen ihren Spargel an 15 bis 20 Kunden aus der Gastronomie sowie in ihrem Laden und einer Selbstbedienungshütte direkt an Privatkunden. Westner erklärt, am Anfang der Saison sei auch der Absatz in der

    Aber auch die Kügles merken leichte Veränderungen: Manche Kunden kauften eher Spargel der Klasse zwei, und auch die Trüffelsauce, die vor einem Jahr der Renner war, findet dieses Jahr weit weniger Abnehmer. Aber sonst merkten sie wenig: "Eigentlich haben wir ganz viele Stammkunden", erklärt Patricia Kügle. "Die Leute, die zu uns kommen, kommen bewusst hier raus." Viele hätten den Einkauf mit einem Ausflug verbunden, dadurch seien auch neue Kunden dazugekommen. Die Kügles teilen mit Stammkunden und Fans auf dem Instagramkanal des Spargelhofs auch Rezepte, wie Pasta mit Spargelgemüse.

    Eine Stammkundin bekommt gerade Rückgeld von Josef Kügle senior. "Spargel kauf ich nur hier draußen, weil es hier den besten Spargel gibt", ist sie sich sicher. Den Kunden zuliebe haben die Kügles den Preis für das Kilogramm Spargel im Direktverkauf nur um 50 Cent pro Kilogramm erhöht, für die Gastronomie um einen Euro. Das erste Mal seit 15 Jahren, sagen sie. Erstklassigen Spargel gibt es nun für 12 Euro pro Kilo. "Wir sind auf unsere Kunden angewiesen, die wollen wir ja auch erhalten", erklärt Josef Kügle junior.

    Allgemein wird der Spargel gerade billiger: Experte Gläßer von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft erklärt, dass in der Kalenderwoche 22, also vom 30. Mai bis zum 5. Juni, der durchschnittliche Verbraucherpreis für deutschen weißen Spargel pro Kilogramm bei 6,75 Euro lag. In der Vorjahreswoche bei 7,50 Euro. Der Spargel sei also spürbar günstiger als im vergangenen Jahr, auch, wenn der Wochenpreis schwanke, zum Beispiel je nachdem, wieviel Spargel in der Werbung war.

    Gegen Billigpreise aus dem Ausland vertrauen die Schrobenhausener auf ihren Ruf

    Dennoch geht es immer noch billiger: "Größere Mengen billiger Importware bei Erdbeeren und Spargel drücken die Preise deutlich nach unten. Bei diesen Dumpingpreisen können unsere Bauern schlicht nicht mehr mithalten", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied.

    Agrar-Gewerkschafter Schaum erklärt, bei nur auf Spargel spezialisierten Betrieben habe es immer schon Probleme gegeben, wenn sie es selbst nicht vermarkten könnten, kämen sie in die totale Abhängigkeit von den Ketten, die den Preis drückten. Es sei ein Stück weit auch ein hausgemachtes Problem.

    Im Schrobenhausener Anbaugebiet blickt man dem gelassen entgegen. Die südbayerische Spargelerzeugerverbandschefin Westner sagt: "Ich glaube, der Schrobenhausener Spargel hat hier in der Gegend mittlerweile so einen guten Ruf, dass einer, der Spargel möchte, eher zum Schrobenhausener greift, aber seltener, als zum griechischen oder peruanischen." Ihr persönlicher Eindruck: Sie hätte eher - aber das jedes Jahr - gespürt, wenn die norddeutsche Konkurrenz aus Hamburg oder Berlin billig auf den Markt dränge.

    Ein weiterer Faktor ist der Mindestlohn, der ab 1. Oktober auf 12 Euro steigt: Der Bauernpräsident sagt: "Wir sehen die Gefahr einer Verlagerung der Erzeugung in europäische Billiglohnländer." Beim

    In Froschham machen sich auch die Kügles ihre Gedanken: "Die Rohstoffpreise wirken sich nicht so stark aus wie die Löhne", sagt Kügle senior. "Durch den erhöhten Mindestlohn wird der Abstand zum ausländischen Spargel wieder höher werden." Aber sie setzen auf ihre Stammkundschaft. Die aktuelle Spargelsaison, die noch bis 24. Juni dauert, ist davon noch nicht betroffen. (mit dpa)

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