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Landwirtschaft: Wie steht es um die bayerische Milchwirtschaft?

Landwirtschaft

Wie steht es um die bayerische Milchwirtschaft?

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    Geplante Tierschutzverordnungen stellen Milchviehbetriebe vor neue Herausforderungen.
    Geplante Tierschutzverordnungen stellen Milchviehbetriebe vor neue Herausforderungen. Foto: Andrea Hammerl

    Milch ist ein Politikum. Was Millionen Menschen sich Tag für Tag in den Kaffee gießen – dahinter steht eine ganze Industrie. Und in der läuft es nicht immer gut. In den vergangenen Monaten und Jahren stagnierten die Preise von Milchprodukten. So etwa bei Butter: Im Mai 2022 kostete ein Päckchen Butter 2,29 Euro. Ende Januar 2023 waren es 1,99 Euro. Milcherzeuger und Milchverarbeiter stehen jedoch vor mehreren Problemen: Forderungen nach mehr Tierwohl, Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage und die steigende Konkurrenz durch pflanzliche Alternativen. Und dann wäre da noch der Wettbewerb zwischen Milchviehbetrieben, Molkereien und dem Lebensmitteleinzelhandel. 

    Der Milchpreis ist in der Industrie immer eine Herausforderung und wird das auch immer sein, solang es einen Milchmarkt gibt. Das sagt Hans-Jürgen Seufferlein, Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern. "Fakt ist aber, dass in der Wertschöpfungskette ein enormes Ungleichgewicht besteht: zuungunsten der Milcherzeuger, hin zu einem Machtzuwachs des Lebensmitteleinzelhandels", sagt Seufferlein. Konkret heißt das: Supermarktketten wie Aldi bestimmen, welche Produkte sie in ihre Regale packen und welchen Preis sie von Kundinnen und Kunden verlangen. Milcherzeuger müssen sich notgedrungen an dem vorgegebenen Trend orientieren. 

    Strengere Tierhaltungsvorgaben setzen Milchviehbetriebe unter Druck

    Das gilt sowohl für den Milchpreis als auch für die immer lauter werdenden Forderungen nach mehr Tierwohl. Das Problem dabei sei das Tempo, mit dem der Einzelhandel diese Entwicklung angeht. So möchte etwa Aldi ab 2024 nur noch Trinkmilch aus heimischer Landwirtschaft beziehen. Ab spätestens 2030 soll es in den Märkten ausschließlich Milch der Haltungsformen 3 – hier müssen Kühe Kontakt zum Außenklima haben, sei es durch ein offenes Fenster oder einen Laufhof – und 4 – hier haben alle Kühe Auslauf im Freien – geben. "Weiterentwicklung braucht Zeit und auch die Mittel für Investitionen. Auch die Genehmigung von Ställen gemäß den entsprechenden baurechtlichen Vorschriften braucht Zeit", sagt Seufferlein. 

    Den politischen Forderungen nach mehr Tierwohl bei der Milcherzeugung steht auch der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) kritisch gegenüber. So steht etwa eine Kombination von Stall- und Weidehaltung zur Debatte. Das berge für viele Landwirtinnen und Landwirte jedoch ein enormes wirtschaftliches Risiko und könne einige Betriebe die Existenz kosten, so der BDM. Seufferlein stimmt dem zu. Eine entsprechende Änderung im Tierschutzgesetz bedeute das Aus für die in Bayern verbreitete Anbindehaltung und betreffe die Hälfte aller bayerischen Milchviehhalter – also etwa 11.000 Betriebe. Bei vielen Betrieben löse das große Zukunftsängste aus. 

    Viele bayerische Milchbauern können ihre Kosten nicht decken

    Hinzu kommt, dass bereits jetzt viele Betriebe sich immer schwerer finanzieren können. Wie Hans Foldenauer vom BDM berichtet, sei der Milcherzeugerpreis in den vergangenen neun Monaten um annähernd 20 Cent pro Liter gesunken, von 60 Cent auf knapp 40 Cent. Damit sei es unmöglich geworden, die Kosten zu decken, geschweige denn, Gewinne zu erzielen. "Wir müssen, wenn wir in den Stall gehen, bildlich gesprochen, Eintritt in Form von Verlust von Eigenkapital 'bezahlen' beziehungsweise auf eine Entlohnung unserer Arbeit verzichten", sagt Foldenauer. 

    Grund für den Preisrückgang sei das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Während die Nachfrage nach Milch sinkt, steigt die gelieferte Menge. Als einzelner Betrieb könne man allerdings keinen Einfluss auf die Liefermenge nehmen, so Foldenauer, da man durch den Verkauf für seine eigenen Kosten aufkommen muss. Der BDM hält eine Marktordnung auf europäischer Ebene für notwendig. Nicht vonseiten der Politik, sondern von der Branche der Milchviehhaltung selbst. 

    Sind Molkereien und Milcherzeuger im steten Interessenkonflikt?

    Zum einen liegt es also an den Milchviehbetrieben, sich den Forderungen des Lebensmitteleinzelhandels und der Konsumenten anzupassen. Dazwischen stehen die Molkereien, die die Milch verarbeiten und an den Einzelhandel verkaufen. Hier liegt ein logischer Interessenkonflikt: So wollen Milcherzeuger ihre Milch für einen möglichst hohen Preis verkaufen, während Molkereien so günstig wie möglich einkaufen möchten, wie Foldenauer vom BDM erklärt. Welche Rolle spielen die Molkereien für die Stabilität der Milchindustrie?

    Wie Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern erklärt, sehen einige Milcherzeuger Molkereien als Gegner, andere wiederum als Marktpartner. Letztlich helfe nur eine Molkerei, die sich am Markt behauptet, den Milchbauern weiter. "Das heißt, die Molkereien müssen sich weiterentwickeln und investieren, was natürlich zulasten des Milchgeldes geht, langfristig aber alternativlos ist", sagt Seufferlein. 

    Foldenauer vom BDM sagt, man müsse sich um die Milchverarbeiter keine Sorgen machen. "Das Bundeskartellamt hat in einer Sektoruntersuchung festgestellt, dass die Milchverarbeiter das Marktrisiko nahezu komplett auf die Milcherzeuger abwälzen", meint Foldenauer. Was sagen die Molkereien dazu? Sieben bayerische Molkereien fragte unsere Redaktion an, um auch diese Perspektive einzuholen. Keiner der Betriebe war bereit, unsere Fragen zu beantworten. 

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