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Landwirtschaft: EU lockert Ökoregeln für Bauern

Landwirtschaft

EU lockert Ökoregeln für Bauern

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    Die jüngsten Proteste der Landwirte in Brüssel waren massiv und bedrohlich.
    Die jüngsten Proteste der Landwirte in Brüssel waren massiv und bedrohlich. Foto: Benoit Doppagne, dpa (Archivbild)

    Im komplizierten EU-Apparat mit seinen langwierigen Gesetzgebungsprozessen passieren selten Wunder und noch seltener geht es schnell. Dass die Gemeinschaft nun im Eilverfahren und mit großen Zugeständnissen auf die Wut von Europas Bauern reagiert, zeigt dementsprechend, für wie dringlich das Problem betrachtet wird. 

    Anfang Juni finden die Europawahlen statt, die Gemeinschaft ist im Kampagnenmodus – und die Landwirte sorgten mit ihren Protesten für Nervosität in den Politkreisen, wo die Angst vor einem Rechtsruck steigt. So waren die Bauern in den vergangenen Monaten regelmäßig mit ihren Traktoren hupend durch Europas Hauptstädte getuckert, hatten öffentlichkeitswirksam Heuballen in Brüssel verbrannt und unter anderem mit einer mächtigen Lobby im Rücken einen Abbau der Bürokratie gefordert. 

    Als Folge kassiert die Union nun im Rekordtempo Regelungen, die in jahrelangen Verhandlungen beschlossen worden waren. Sie sollten eigentlich bei der Erfüllung der Klimaschutzziele helfen als auch die Grundlagen der Landwirtschaft auf lange Sicht gewährleisten. An diesem Montag segneten die EU-Staaten auf Ministerebene endgültig die Aufweichung von Ökoregeln in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab. Damit sollen die Bauern entlastet werden, hieß es. Die GAP regelt die Vergabe der Subventionen, die mit mehr als 386 Milliarden Euro rund ein Drittel des EU-Haushalts für den Förderzeitraum von 2021 bis 2027 ausmachen. 

    Umweltauflagen werden geschleift

    Die aktuellen Lockerungen betreffen die sogenannten Glöz-Standards, die im Fokus der letzten Agrarreform standen. Sie sollten für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Böden sorgen. Demnach wollte die Union einen Teil der milliardenschweren Subventionen an die Einhaltung von Umweltvorgaben koppeln. Wer sich an die Auflagen hält, profitiert, so lautete das Ziel. 

    Neun Standards wurden damals von der Brüsseler Behörde definiert. Sie hätten die Bauern unter anderem dazu verpflichtet, vier Prozent der Flächen nicht zu bewirtschaften, um das Artensterben zu stoppen und den Klimawandel zu bekämpfen. Nachdem die Verordnung bereits mehrfach ausgesetzt wurde, etwa wegen des Kriegs in der Ukraine, fällt das Gesetz jetzt komplett. Legen Farmer freiwillig Ackerflächen brach oder nutzen sie diese unproduktiv, sollen die EU-Länder sie jedoch dafür belohnen. 

    Zudem werden kleine Höfe mit weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Strafen ausgenommen. Beim Thema Fruchtfolge, also dem Wechsel verschiedener Pflanzen auf dem Acker, erhalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihren Bauern eine Wahl zu lassen. Diese können entweder die Fruchtfolge ändern oder ihre Kulturen diversifizieren. 

    Die Bundesregierung hatte sich enthalten

    Weniger Zwang, weniger Bürokratie, weniger Kontrollen – so lässt sich das ausgegebene Ziel der Staatengemeinschaft in Sachen Agrarpolitik zusammenfassen. Dafür hatte die EU-Kommission erst Mitte März angeregt, im Schnellverfahren die Ökoregeln der europäischen Agrarpolitik zu entschärfen. Das Gremium der EU-Vertreter hatte zwei Wochen später den Maßnahmenkatalog gebilligt, im April stellte sich eine Mehrheit des EU-Parlaments hinter die Vorschläge. 

    Damit die Änderungen bereits vor Ende der Legislaturperiode in Kraft treten können, votierte bereits am vergangenen Mittwoch eine Mehrheit der 27 EU-Länder in einem Sonderausschuss für die Änderungen. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung, „weil die Vorschläge der EU-Kommission eine pauschale Absenkung der Schutzstandards bedeuten“, hieß es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Demnach fehlten Maßnahmen, die das gesellschaftlich gewünschte Klima-, Arten- und Umweltschutzniveau erhalten würden.

    Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte schon im März bei der von vielen Partnern unterstützten Lockerung „massive Fragezeichen“ gesehen. Die Regelung sei „nicht aus Jux und Tollerei“ aufgenommen worden, hatte der Grünen-Politiker damals betont, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass die Fruchtfolge im Gegensatz zu Monokulturen wichtig sei, „um Bodenkrankheiten zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass Ernten dauerhaft sicher sind“. Gleichwohl sprach auch er sich dafür aus, dass Bürokratie dort, wo sie zu mehr und zu unnötiger Belastung führe, abgeschafft werden müsse. 

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